Windmühlentage. Katrin Köhl
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Читать онлайн книгу Windmühlentage - Katrin Köhl страница 7
Bernd war in der Küche. Eva nahm seinen kurzen Blick auf die Uhr am Herd wahr, als sie hereinkam.
»Die Tomaten sind schon gewaschen. Müssen nur noch geschnitten werden. Hast du Rucola mitgebracht?«
»Ich habe deinen Tabak vergessen.«
Er drehte sich um.
»Mensch, Eva. Ich hab's dir extra aufgeschrieben. Du weißt genau, dass ich abends meine Pfeife rauche. Ich habe mich darauf verlassen, dass du den Tabak besorgst.«
»Ich habe ihn doch besorgt. Aber dann habe ich die Tüte in der Kirche liegen lassen.«
Der Vater schaute sie schweigend an. Eva kannte diesen Blick, der ihr sagte, dass sie ihn enttäuscht hatte. Warum hatte sie das mit der Kirche gesagt? Sie wusste doch, wie Bernd darüber dachte.
»Ich wollte nur kurz…«
Der Vater schüttelte den Kopf.
»Sonst bist du doch eigentlich nicht dumm.«
Er drehte sich wieder zum Herd, rührte in einem der Töpfe.
»Aber an diesem religiösen Blödsinn hängst du wie an einem alten Stofftier.«
Sollte sie sich verteidigen? Sie war müde nach dem langen Tag und wusste, dass er auf alles, was sie sagte, irgendeine logisch klingende Antwort hatte. Hokuspokus gegen Logik, darauf lief es in ihren Kirchendiskussionen meistens hinaus.
»Ich fahre noch mal zurück«, bot sie schließlich an. »Die Andacht geht bis sieben, dann kann ich das Päckchen holen.«
»Essen um halb acht«, brummte Bernd. »Mir hängt jetzt schon der Magen durch.«
»Tut mir wirklich leid. Sei nicht böse.«
»Ohne deine ewige Beterei hätten wir das Problem jetzt nicht.« Bernd seufzte. »Ich warte. Beeil dich.«
Es war spät geworden. Im Flur schlüpfte Eva in ihre Stiefel, nahm den Mantel und die Tasche von Bernds chaotisch zugehängter Garderobe und ging nach oben in ihre Wohnung. Sie zog sich aus, brühte eine Tasse Zimttee auf und nahm sie mit an ihr Bett. Auf dem Kissen lag noch die russische Grammatik, in der sie am Morgen geblättert hatte. Inzwischen war sie beim Kapitel über die Deklination der Substantive angekommen. Eva versuchte, einen Absatz zu lesen, merkte aber, wie ihr dabei immer wieder die Augen zufielen. Sie stand auf, suchte im Kleiderschrank die Sachen für den morgigen Tag zusammen. Zur Arbeit trug Eva meist Schwarz. Es war das Einfachste. Das einzige bunte Accessoire waren ihre Handtaschen. Sie hatte sie in allen denkbaren Farben. Abends nahm sie sich immer extra Zeit, um die Farbe für den nächsten Tag auszusuchen. Jetzt zog sie einen kleinen weinroten Rucksack aus dem Schrank. Sie öffnete die grüne Tasche und packte ihre Sachen um. Geldbeutel, Schlüssel, ein Päckchen Kaugummi. Ganz unten lag ein längliches Stück Papier. Eva nahm es heraus. Es war eine Opernkarte für Rigoletto am Freitagabend. Ruben. Bestimmt hatte er die Karte im Café dabeigehabt, wollte Eva überraschen, sie einladen. Dann war das Mittagessen anders verlaufen als geplant. Was sollte sie jetzt tun? Ihn anrufen? Aber was sollte sie dann sagen? Sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Selbst die Entscheidung, ob sie mit Ruben am Freitag in die Oper gehen wollte, schien ihr im Moment zu kompliziert. Eva legte die Karte in die russische Grammatik, schlug das Buch zu und legte es neben ihr Bett auf den Boden. Dann knipste sie das Licht aus.
Schließlich rief sie Ruben doch an. Entschuldigte sich für ihr kindisches Verhalten, dankte ihm für die Opernkarte. Er bestand darauf, sie am Freitagabend abzuholen. Eva wäre es lieber gewesen, sie hätten sich vor der Oper getroffen. Sie hatte Angst, dass Bernd eine seiner sarkastischen Bemerkungen machen könnte. Das wollte sie auf keinen Fall.
»Ich gehe nachher noch weg.«
Eva stand schon in der Tür auf dem Weg nach oben. Sie hatte bis zur letzten Minute gewartet, ihrem Vater zu sagen, dass sie ausging. Hatte er sie überhaupt gehört? Bernd saß im Wohnzimmer, rauchte seine Pfeife und blätterte in der Zeitung. Leise zog Eva die Tür zu und stieg die Treppe hinauf, um sich fertig zu machen.
Als sie mit Ruben aus der Oper kam, schneite es. Er legte seinen Arm um sie, zog sie näher zu sich heran. Gemeinsam gingen sie durch den Schlossgarten in Richtung Bahnhof. Für Eva wäre es näher gewesen, am Charlottenplatz die U-Bahn zu nehmen. Aber sie konnte auch am Hauptbahnhof einsteigen. Ruben fuhr von dort mit der S-Bahn nach Rohr. Sie schlenderten noch ein Stück die Königstraße hinunter. Der Crêpes-Stand war um diese Zeit schon geschlossen. Auch in der Klett-Passage waren alle Läden zu. Am Abgang zur S-Bahn wollte Eva sich verabschieden, doch Ruben zog sie mit sich auf die Rolltreppe und legte seine Arme um sie. Es war das erste Mal, dass sie sich küssten, seit jener Nacht in Nürtingen.
»Komm mit zu mir.«
Er sagte es ganz leise. Sein Mund an ihrem Ohr, seine Locken kitzelten ihr Gesicht. Eva spürte, wie ihr Herz zu pochen begann. Am liebsten wäre sie wieder davongelaufen. Aber auf der langen Rolltreppe gab es kein Entrinnen.
»Ich kann nicht, ich habe meinem Vater versprochen, morgen früh zu Hause zu sein.«
Die Essenszeiten waren Bernd heilig. Was würde er sagen, wenn sie nicht rechtzeitig zum Frühstück unten in der Küche wäre? Ruben strich ihr übers Haar.
»Jetzt ist nicht morgen früh. Die Nacht ist noch lang.«
Als sie unten waren, kam die Bahn. Ruben lachte, zog Eva an der Hand.
»Komm!«
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, hatten die Türen der S-Bahn sich hinter ihr geschlossen.
Eine kleine Maisonette-Wohnung im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Das erste, was Eva wahrnahm, als Ruben die Tür aufschloss, war der Geruch nach Terpentin. Er ging ihr voran und knipste das Licht an. Eine große schwarze Leuchte auf einem Stativ, die auf eine Leinwand gerichtet war. Eva machte ein paar Schritte in den Raum. Eine Tischplatte auf zwei Holzböcken, einige Klappstühle, bedeckt mit Papier, Leinwänden, Farbtuben, Malutensilien. Zwei lange Bambusrollos hingen vor den bodentiefen Fenstern. Durch eine offene Tür blickte Eva in ein winziges Badezimmer, auch hier sah sie Farbtuben, Pinsel, Malschwämme. In der Ecke neben den großen Fenstern befand sich die Kochnische. Daneben führte eine Treppe zur oberen Ebene. An der gegenüberliegenden Wand hatte Ruben mehrere weiß lackierte Metallschienen angebracht, an denen Skizzen und Zeichnungen mit Magneten befestigt waren. Gebäude, Zeichnungen von Bühnenbildern. Und sie selbst. In Bleistift, Kohle und Tusche. Im Profil an der Bar des Cortina, den Blick in die Ferne gerichtet. Mit offenen Haaren und geschlossenen Augen auf dem Sofa in Nürtingen. Unsicher schauend, den Mantelkragen hochgeklappt, an der Tür ihres Autos.
»Möchtest du Tee?«
Ruben hatte in der Ecke über dem Herd Licht gemacht und einen Wasserkocher angestellt. Die Wände in der kleinen Nische waren grün gestrichen. Auf einem Regal stapelten sich Teedosen, Gläser mit Vorräten, Geschirr.
Ruben holte eine große bunte Dose vom Regal.
»Hausmischung von meiner Oma in Spanien.«
Er löffelte etwas Tee in eine alte blaue Kanne und goss Wasser darüber. Dann räumte er zwei der Klappstühle frei, stellte für Eva eine geblümte Tasse und für sich selbst ein Glas Rotwein auf eine Ecke des Tisches.
»Voilà.«
Eva