Windmühlentage. Katrin Köhl
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Читать онлайн книгу Windmühlentage - Katrin Köhl страница 9
Eva schluckte. Hatte der Vater die ganze Zeit am Fenster gestanden und sie mit Ruben beobachtet? Bernd biss wieder von seinem Brot ab. Er sah Eva auffordernd an. Unbehaglich senkte sie die Augen.
»Sein Name ist Ruben.«
»Hieß der andere nicht Frank? Ein Neuer also. Verheiratet?«
Der spöttische Unterton entging Eva nicht. Sie schwieg. Bernd stand auf, holte seine Pfeife und den Beutel mit Tabak vom Regal. Vorsichtig füllte er den Tabak in den Pfeifenkopf. Dann drückte er ihn mit dem Stopfer leicht nach innen.
»Wie lange hält's denn diesmal?«
Er griff nach den Streichhölzern, schüttelte eines aus der Packung und zündete es an.
»Du bist ja in der Regel eine treue Seele.«
Der Tabak begann zu brennen. Rauch stieg Eva in die Nase. Sonst mochte sie den Geruch von Bernds Pfeifentabak, aber jetzt drehte er ihr, wie viele andere Gerüche derzeit, fast den Magen um.
»Bei deinem Letzten warst du – wie lange? Zwei, zweieinhalb Jahre, bevor er in die Arme seiner Frau zurückgekehrt ist.«
Er zog mehrmals an seiner Pfeife, bis sie richtig brannte.
»Oder hat er sich einfach eine jüngere Geliebte gesucht?«
»Das reicht jetzt.«
Eva war den Tränen nah.
»Hey, wo ist denn dein Humor geblieben? Du musst doch nicht gleich eingeschnappt sein.«
Wollte er sie dafür bestrafen, dass sie zu spät zum Familienfrühstück gekommen war? Jedenfalls hatte er Eva an ihrem wunden Punkt getroffen. Sie fühlte sich gedemütigt, wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Was konnte sie dafür, dass sie sich immer in verheiratete Männer verliebte? Glaubte er, sie habe sich das ausgesucht? Immer die zweite zu sein. Die Frau für gestohlene Stunden, der die andere mit ihrer Familie im Nacken sitzt. Hoffen und warten und wieder hoffen und wieder warten. Wofür? Am Ende stand doch immer die Enttäuschung. Sie hatte es so satt.
»Ich will das nicht mehr.«
Es kam schärfer heraus, als sie beabsichtigt hatte.
»Und dass du mich deswegen aufziehst, will ich auch nicht mehr.«
Ohne ihn anzuschauen, griff sie nach dem Honigglas und versuchte, den Deckel abzuschrauben.
»Ach Eva, meine kleine Mimose.«
Sie blickte auf. Die leicht hochgezogenen Augenbrauen, das jungenhafte Lachen in seiner Stimme – Eva wusste, dass jede Diskussion zwecklos war. Er würde sagen, dass er es nicht böse gemeint habe, dass sie nicht immer so empfindlich sein solle. Bernd legte ihr eine Hand auf den Arm.
»Du weißt doch, dass ich's nicht böse meine, oder?«
Dann zeigte er auf das Honigglas.
»Komm, ich mach' das. Der Rand ist immer klebrig, das kriegst du nicht auf.«
Er brauchte eine ganze Weile, um den völlig verklebten Deckel vom Glas zu schrauben.
Zürich – 21.06.
Noch nie hatte Eva die Nacht im Hotel verbracht. Die weiße Bettwäsche, ein Tisch, ein Stuhl, das Bild an der Wand. Alles kam ihr vertraut vor. Es war die Kulisse ihrer inszenierten Zweisamkeit mit Frank. Die Bühne, die sie verließ, sobald der Vorhang fiel. Jetzt blitzte die Morgensonne durch die geschlossenen Gardinen.
Warum war sie in den Zug nach Zürich gestiegen? Weder Ruben noch Bernd wussten, wo sie war. Ob sie sich Sorgen machten? Eva schloss die Augen. Sah sich auf dem Bahnsteig in Stuttgart stehen. Tanja saß schon im ICE, der sie nach Berlin bringen würde, zurück in ihr aufregendes Leben, zu den Künstlerfreunden, Vernissagen und Treffen mit wichtigen Leuten der Kulturbranche. Durchs Fenster winkte ihr die Freundin zu. Die Türen schlossen sich, einen kurzen Moment noch sah Eva Tanjas lachendes Gesicht. Ein Kind lief neben dem schon fahrenden Zug her, es wedelte mit den Armen. Hinter ihm die Mutter, die es schließlich an der Hand nahm. Eva drehte sich langsam um. Sie steuerte den Nordausgang an, um zurück zu ihrem Auto zu kommen.
Ein Luftzug bewegte die dunkle Gardine. Eva setzte sich auf und schaute auf die Uhr. Kurz vor neun. Sie hatte fast zwölf Stunden geschlafen. Aus einem der Nachbarzimmer drangen Stimmen, irgendwo rauschte eine Dusche. Menschen, die im Urlaub waren oder auf Geschäftsreise. Sie würden Termine wahrnehmen, vielleicht auch einfach durch die Stadt bummeln und mit Freunden in einem Straßencafé sitzen. Plötzlich spürte Eva, wie hungrig sie war. Seit dem belegten Brötchen, das sie sich im Zug gekauft hatte, hatte sie nichts mehr gegessen. Sie wusch sich, schnüffelte an ihrem Kleid. Am Abend zuvor hatte sie es zum Lüften an die Garderobe gehängt hatte. Es würde wohl noch einmal gehen. Vom Stuhl nahm sie die dünne Strickjacke, dann schloss sie das Zimmer ab und stieg die Treppe nach unten.
Im Frühstücksraum waren fast alle Plätze belegt. Hinten in einer Ecke entdeckte Eva noch einen freien Tisch. Sie nahm sich ein Exemplar der Neuen Zürcher Zeitung von einem Stapel am Eingang, legte es ordentlich neben eins der Gedecke. Ihre Strickjacke hängte sie an die Stuhllehne.
»Entschuldigen Sie, würde es Sie derangieren, wenn ich mich zu Ihnen setze?«
Vor dem Tisch stand eine ältere Dame mit sorgsam gelegten blondierten Haaren. Eva wies mit der Hand auf die restlichen Gedecke.
»Nein, kein Problem. Es ist alles frei.«
Die Ältere bedankte sich und platzierte ein teuer aussehendes Handtäschchen neben einer der Tassen. Gemeinsam brachen sie zum Buffet auf. Eva schaute sich um, überlegte, was sie essen sollte. Die alte Dame ging zielstrebig auf eine Seite zu. Croissants, verschiedene Brötchensorten, Toast. Eva nahm sich einen Teller.
»Wenn ich Ihnen etwas empfehlen darf: Hier drin sind die besonders gluschtigen Sachen.«
Sie zeigte auf einen Korb mit süßem Gebäck.
»Die Nussgipfel sind herrlich!«
Eva nahm sich eins der Teilchen und lud noch ein Croissant und ein Brötchen auf ihren Teller. Die Dame schien sich auszukennen. Mit sicherem Griff sammelte sie alle möglichen Leckereien zusammen und trug sie nach und nach zum Tisch. Eva nahm sich ein Kännchen heiße Milch und einen Beutel Ovomaltine. Zurück an ihrem Platz, sah sie, dass ihre Tischnachbarin das Frühstück wie ein Kunstwerk vor sich aufgebaut hatte: Den Nussgipfel in der Mitte, eine Teekanne, Ei, Brötchen, Marmeladenschälchen, Butterstücke auf einem kleinen Teller. Kerzengerade saß sie da, im grünen Samtjäckchen, als wäre sie eine Kompaniechefin und die bunten Köstlichkeiten vor ihr die Truppe, die sie befehligte.
Eva setzte sich, rührte Ovomaltine in ihre Milch. Musste sie jetzt etwas sagen? Ein Gespräch beginnen? Verstohlen blickte sie auf das Titelblatt der Zeitung. Ihr Gegenüber nahm ihr die Entscheidung ab.
»Sind Sie zum ersten Mal in Zürich?«
Eva nickte.
»Eigentlich bin ich auf dem Weg zu Freunden nach Italien.«
Sie hatte es gesagt, ohne nachzudenken. War es das, was sie wollte? Nach Italien fahren? Das Bagno, den Ort ihrer Kindheit, gab es nicht mehr. Der Betrieb existierte