Blutdorf. Rolf Eversheim

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Blutdorf - Rolf Eversheim Eifel-Krimi

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       Rolf Eversheim

       Blutdorf

       Ein Eifel-Krimi

      Copyright: © 2020 Rolf Eversheim – [email protected]

      Lektorat: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

      Satz & Umschlag: Erik Kinting

      Verlag und Druck:

      tredition GmbH

      Halenreie 40-44

      22359 Hamburg

      978-3-347-13550-5 (Paperback)

      978-3-347-13551-2 (Hardcover)

      978-3-347-13552-9 (e-Book)

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

       Für Tom

      Dr. Rolf Eversheim, 1959 in einem Forsthaus in der Eifel geboren, hat die Seele der Eifel mit der Muttermilch aufgesogen. Seine Lehr- und Wanderjahre trugen ihn nach Bonn, wo er ein Vierteljahrhundert studiert, gearbeitet, geliebt, gesungen, geweint und gelacht hat.

      Er hängte seinen Beruf an den Nagel, um seiner Berufung zu folgen: Schreiben und seine Leser in der Spannung eines Krimis Entspannung finden zu lassen – und den Teilnehmern an seinen Lesungen und Mitspielkrimis Eifler Lebenskunst so zu vermitteln, dass sie leichter und unbeschwerter nach Hause gehen.

       Prolog

      Der eiskalte Nordwind fegte, begleitet von grellen Blitzen und lautem Donnern, einen Schneesturm über das Dorf. Der Winter hatte sein letztes Gefecht begonnen, wütend darüber, dass er den Frühling nicht länger aufhalten konnte. Das tiefgezogene Dach des Meier-Hofes schützte Mensch und Vieh, die in dem alten Gehöft lebten. Schon bald würde es einer weniger sein.

      Der alte Bauer lag auf seinem Bett. Er war nassgeschwitzt und der eisige Sturm hatte seinen Weg durch die alten Fenster ins Sterbezimmer gefunden. Es kam ihm vor, als würde er den kalten Hauch des Todes auf seiner Haut spüren. Ihn fröstelte. Sein Blick wandte sich dem Sterbekreuz zu, das von zwei flackernden Kerzen in unruhiges Licht gehüllt wurde. Dieses Kreuz hatte schon seinen Großeltern und seinen Eltern beigestanden, als der Augenblick des Todes nahte. Jetzt hatte man es für ihn aufgestellt.

      Der Alte lachte bitter auf. Alle im Zimmer wussten, dass ihm jedes Stück Vieh im Stall näherstand als der Pfaffe, den die Bäuerin herbeigerufen hatte. Nun standen die beiden in respektvollem Abstand da und fixierten ihn mit diesen Blicken, mit denen er als Kind interessiert, aber ohne jegliche innere Regung, dem Sterben der Hühner, Kaninchen und Schweinen auf der Schlachtbank zugeschaut hatte.

      Nun wartete er selbst auf den Tod, der schon das Zimmer betreten zu haben schien. Dass der Tod wie selbstverständlich sein Schlafzimmer betrat, machte dem Alten auf schmerzliche Weise bewusst, dass seine irdische Macht und Stärke bald ebenso bedeutungslos sein würden wie sein Land und sein Vieh, für das er sein Leben lang hart geschuftet hatte.

      Sein Blick wandte sich den vier Söhnen zu, die sich – verstört und voller Angst vor dem, was kommen würde – an der dem Sterbekreuz gegenüberliegenden Wand aufgestellt hatten. Als er merkte, dass es zu Ende gehen würde, hatte er mit jedem von ihnen unter vier Augen gesprochen – alle anderen mussten währenddessen das Zimmer verlassen. Er hatte jedem Einzelnen von ihnen das Versprechen abgenommen, dass sie alles dafür tun würden, dass der Meier-Hof der kommenden Generation in gutem Zustand übergeben werden konnte. So hatte es sein Großvater mit seinem Vater und sein Vater mit ihm gemacht. Er hatte dieses Versprechen vom Sterbebett seines Vaters jeden Tag seines Lebens eingelöst. Der Alte war sich sicher, dass auch seine vier Söhne ihr Versprechen als lebenslange Verpflichtung verstehen und ihr persönliches Wohl und das ihrer Familien stets dem Interesse des Hofes unterordnen würden. So wie sein Vater und er es auch ihr Leben lang getan hatten.

      Nur bei Benno, dem Jüngsten, war er sich nicht sicher. Nie wusste er, was in dessen Kopf wirklich vorging. Nicht dass der Junge ihm jemals widersprochen hätte, nein, so war Benno nicht. Dafür war er viel zu klug. Er ließ den Alten gewähren, sagte zu allem Ja und Amen und suchte sich seine eigenen Freiheiten und Wege. Benno verfügte über die Stärke und Sprengkraft, die Einigkeit der Brüder und damit die Existenz des Meier-Hofes zu gefährden. Wenn es darum ging, das Vieh zu versorgen, oder wenn jemand Hilfe brauchte, war Benno immer da. Aber wenn es ums Schlachten ging, war er andauernd weg. Er akzeptierte das Schlachten ihrer Nutztiere, machte es sich aber nie zu eigen. Er aß ihr Fleisch, aber stets mit Respekt, und nie mehr, als er glaubte, wirklich zu brauchen. Er tat dies leise, unauffällig, für Außenstehende unbemerkt. Dies machte er mit allen Freiräumen so, die er sich errang, und das machte ihn in den Augen des Alten so unberechenbar. »Lass den Jungen, Konrad«, hatte seine Frau Katharina ihn jedes Mal beschwichtigt, »du weißt doch …« Mehr hatte sie nicht gesagt und mehr brauchte sie auch nicht zu sagen. Ja, er wusste es. Dieses dunkle Kapitel seiner Familie, das niemals den Weg nach draußen finden durfte, lag ihm seit Jahren auf der Seele.

      Unvermittelt schaute er zu seiner Frau und dem Pfaffen. Was, wenn sie es in ihrem religiösen Wahn diesem Lambrecht in seiner verherrlichenden schwarzen Robe gebeichtet hatte? Wenn es einen außerhalb der Familie gab, der ihr Geheimnis kannte? Er musste den Pfaffen warnen, und wenn es das Letzte war, was er tat. Mit einem Wink dirigierte er Heinrich, den Ältesten zu sich. Er flüsterte ihm seinen Befehl ins Ohr, während sein Zeigefinger auf Pfarrer Lambrecht wies. Heinrich nickte, dann dreht er sich zu Lambrecht hinüber und blickte ihn mit seinen eiskalten blauen Augen an.

      Lambrecht verstand diese Drohung sofort. Er zögerte kurz, dann nickte er dem Alten und Heinrich zu. Das Beichtgeheimnis war unverletzlich. – Und Lambrecht wollte es auch bleiben.

      Heinrich gesellte sich wieder zu seinen Brüdern und versuchte Benno zu fixieren. Der zwinkerte ihm nur kurz mit einem Auge zu und Heinrich gab auf. Benno war seinem Blick niemals ausgewichen, auch wenn er sechzehn Jahre jünger war. Benno wich überhaupt niemals aus, wie jemand, der sich seiner ganzen Stärke voll bewusst war. Der Vater hatte recht: Benno war latent gefährlich. Heinrich würde ihn im Auge behalten müssen.

      Der Alte horchte auf den erneut aufbrausenden Sturm. Er sah zum Fenster und konnte nicht mehr unterscheiden, ob Schneeflocken vor der Scheibe tanzten oder ob sich der letzte Schleier über ihn senkte. Wenn der Winter nicht bald weichen würde, hätten sie zu wenig Futter für das Vieh. Unruhig schloss er die Augen. Im Sterben erschlafften seine Muskeln und sein Körper versuchte, noch einen letzten Atemzug zu tun.

      Alle traten an das Bett heran und hörten dem Pfarrer zu, der das Sterbegebet sprach: »Brich auf, Seele, von dieser Welt, heute noch sei dir in Frieden deine Stätte bereitet, deine Wohnung bei Gott im heiligen Zion. Du kehrst zurück zu deinem Schöpfer, der dich aus dem Lehm der Erde gebildet hat. Mögest du deinen Erlöser schauen von Angesicht zu Angesicht und dich der Erkenntnis Gottes erfreuen in Ewigkeit. Amen.«

      In die Stille hinein hörten sie das Vieh schreien. Die Milch drückte und der Hunger plagte es.

      Benno

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