Blutdorf. Rolf Eversheim

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Blutdorf - Rolf Eversheim Eifel-Krimi

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einer Branche, die seit Jahrhunderten mit einem schlechten Ruf lebten. Er hatte sich ihnen vieles abgeschaut und beherrschte die gesamte Klaviatur der Händlerpsychologie, ohne jemals an einer Schulung teilgenommen, geschweige denn einen Hörsaal von innen gesehen zu haben. Sein Traum vom Harvester rechtfertigte die Mittel. Und warum sollte er etwas ändern, das funktionierte? Der Wald und sein Holz waren zu Ludwigs Lebensinhalt geworden. Er liebte seine Arbeit und die Einsamkeit, die sie mit sich brachte, denn die meiste Zeit war er in der Steuerkabine des schweren Gerätes auf sich gestellt. Nur ab und zu schaute mal der Förster oder ein Waldbesitzer vorbei. Das waren dann immer gute Gelegenheiten, um das nächste Geschäft einzufädeln.

      Die Elektronik zeigte ihm an, dass eine Sägekette stumpf war. Sein bestens ausgestatteter Werkstattwagen, ein schwarzer Ford Transit, dem man seine harten Einsätze ansah, stand immer in der Nähe. Ludwig schaltete den Motor des Riesen aus, legte Gehörschutz und Helm ab und stieg die eisernen Stufen des Monsters hinunter, um das Spezialwerkzeug zu holen.

      Auf dem Weg zum Werkstattwagen stellten sich die Haare an seinen muskulösen und braun gebrannten Armen auf. Er blieb abrupt stehen, lauschte angestrengt und tastete mit seinen geschulten Augen die Umgebung ab. Doch außer Vogelstimmen und dem leisen Wehen des Windes vermochte er nichts auszumachen. Er konnte sich aber auf seine Instinkte verlassen und blieb unschlüssig stehen. Aber was sollte schon sein? Da! Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, eine leichte, nicht dorthin gehörende Bewegung im Unterholz ausgemacht zu haben. Nein … er hatte sich wohl getäuscht. Kopfschüttelnd ging er weiter.

      Hätte er sich noch einmal umgedreht, hätte er den Kopf sehen können, der jede seiner Bewegungen sorgfältig verfolgte. Wenn sich das Monster mit seinen bedrohlichen, Zerstörung verkündenden Arbeitsgeräuschen durch den Wald fraß, ergriff alles, was Beine oder Flügel hatte, die Flucht. Niemals im Leben wäre Ludwig auf die Idee gekommen, dass ein Wolf aus kurzer Distanz jede seiner Bewegungen registriert hatte.

       4. Kapitel

      Es war so, wie der alte Pfarrer es gesagt hatte: Das Haus von Kassiopeia erkannte er direkt. Selbst wenn es sich mit seinem schmucken Fachwerk, den bunten Fensterläden und der üppigen Blumenpracht in den vollen Farben des Sommers nicht von den düsteren Häuserfronten abgehoben hätte, wäre er nicht daran vorbeigegangen. – Das Haus strahlte eine unglaublich positive Energie aus.

      Mülenberk betätigte den Türklopfer, den ein schwarzer Metall-Wolfskopf fest in seinem Maul hielt.

      Er hatte sich auf dem Weg vielfach vorgestellt, wie eine Frau mit dem geheimnisvollen Namen Kassiopeia wohl aussehen würde, aber die Erscheinung, die ihm jetzt die Tür öffnete, nahm ihm den Atem: Die stramm sitzende Jeans und das weiße Männerhemd standen ihr einfach fantastisch, die Clogs passte zu dem Outfit, aber der Blick in ihre grünen Augen traf ihn völlig unvorbereitet, Augen, die seinem Blick standhielten, nicht wie im Kampf um die Überlegenheit, sondern gefühlvoll und anregend. Augen, die er zu kennen glaubte, aber schon lange nicht mehr gesehen hatte. Grüne Augen die Erotik, Sinnlichkeit und Mystik ausstrahlten. Es war ihm, als schaute er in die Augen seiner viel zu früh verstorbenen großen Liebe Esther … Esther Hansen, die ihm ihre gemeinsame Tochter Marie geschenkt hatte, von deren Existenz er dreißig Jahre lang nichts wusste. Bilder begannen in seinem Kopf zu kreisen, immer schneller, immer bunter, immer wirrer. Es hatte den Eindruck, als würde seine Seele aus seinem Körper herausgezogen – hin zu Esther, die ihn an die Hand nahm und ihn durch eine Welt leitete, die er nicht kannte oder längst vergessen hatte.

      Als die warmen Hände von Kassiopeia sich auf seine Schultern legten und sie völlig unverständliche Worte in einer nie gehörten Sprache flüsterte, kam er wieder zu sich, es war, als kehre er zurück in seinen Körper … als ob er weg gewesen wäre. Aber nein, das war völlig unmöglich, sagte er sich, vermutlich eine Kreislaufschwäche. Vielleicht sollte er vorsichtshalber einen Zuckertest machen lassen.

      Er blickte sich um. Er befand sich in einem ganz normal eingerichteten Zimmer; kein Altar, keine Kugeln, keine Voodoo-Puppen, kein Zauberstab und auch kein Hexenbesen. Neben den Blumen und Getränken auf dem Tisch fiel ihm lediglich ein hauchdünner Tablet-PC modernster Bauart auf.

      Plötzlich stand Jupp Boergaard vor ihm – er erkannte ihn nach all den Jahren sofort. Lange sahen sie sich nur an, musterten sich von oben bis unten und schauten sich tief in die Augen. Es war gerade so, als sei jeder von ihnen in die Vergangenheit eingetaucht, um ein Band zu finden, mit dem sie sich in der Gegenwart neu verknüpfen konnten.

      Schließlich schienen sie es in ihren Erinnerungen gefunden zu haben. Langsam und schweigend bewegten sie sich aufeinander zu und nahmen sich in die Arme. Kassiopeia sah ihnen die ganze Zeit zu, während sie leise das alte deutsche Lied aus ihrer Studentenzeit sang:

      Wahre Freundschaft soll nicht wanken,

       wenn sie gleich entfernet, ist;

       Lebet fort noch in Gedanken

      und der Treue nicht vergisst.

      Keine Ader soll mir schlagen,

      wo ich nicht an dich gedacht,

       ich will für dich Sorge tragen

      bis zur späten Mitternacht.

       Wenn der Mühlstein träget Reben

      und daraus fließt kühler Wein,

      wenn der Tod mir nimmt das Leben,

      hör ich auf getreu zu sein.

      »Jupp«, krächzte Mülenberk ergriffen.

      »Roman.«

      Langsam lösten sie ihre Umarmung.

      Kassiopeia sprach aus, was sie fühlten: »Tja, Freunde, eure Körper sind älter geworden, aber eure Freundschaft ist sehr lebendig. Was für ein kostbares Geschenk.« Sie war völlig aufgekratzt und strahlte. »Setzt euch, ihr habt bestimmt viel zu erzählen. Ich besorge was für unser leibliches Wohl. Das Wiedersehen wollen wir feiern.« Sie verschwand durch die Tür in die Küche.

      Mülenberk spürte, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Die irritierenden Umstände waren geradezu irrelevant und er sah zu seinem eigenen Erstaunen ohne mit der Wimper zu zucken darüber hinweg. »Es kommt mir so vor, als hätte ich dich gerade gestern gesehen.«

      »Das ist wahre Freundschaft. Sagt man.«

      Wie immer an der Stelle, kam jetzt auch bei Mülenberk und Boergaard der Zeitpunkt, an dem ein langes Schweigen entsteht, weil zwei Menschen, die sich nach vielen Jahren wiedersehen, soviel vom anderen hören und soviel über sich mitteilen wollen, dass das Gehirn erst mal darüber nachdenken muss, was es denn nun Wert wäre, erzählt zu werden. Und da erst einmal alles unwesentlich zu sein schien und keiner dem anderen mit Belanglosigkeiten die Kostbarkeit des Augenblicks nehmen wollte, waren beide erst einmal sprachlos. Es war ein beredtes Schweigen, das tiefer drang, als Worte es vermochten.

      Kassiopeia beendete es mit ihrem Erscheinen. Sie deckte schnell den Tisch.

      Mülenberk war einmal mehr erstaunt, wie völlig naturbelassenes Essen sich geschmacklich von der Fertignahrung abhob, die er sich in seinem Wohnmobil, das ihm als Hauptwohnsitz diente, aus reiner Bequemlichkeit viel zu oft einverleibte. Er dachte ganz kurz darüber nach, seine Gewohnheiten umzustellen, verwarf den Gedanken aber sofort wieder; sein Essen hatte ihn noch nie krank gemacht und es sparte ihm ganz einfach viel Zeit. Mit halb

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