Die reiche Zukunft hat ein Double. Christine Schick

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Die reiche Zukunft hat ein Double - Christine Schick

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draußen am Serviceschalter“, sagte Clemens Elderstedt und sah ihn an. „Ich würde es vorziehen, wenn wir uns nicht wiedersehen. Finden Sie einen guten Platz für sich, Herr Cerny.“

      Am Schalter erhielt er seinen Highcontroller von einem Justizmitarbeiter zurück. „Ich brauch noch die Daten zu meinen Sozialstunden, die ich ableisten muss“, sagte er zu dem graubärtigen Mann in Uniform vor ihm.

      „Finden Sie alles auf Ihrem Gerät.“

      „Könnten Sie mir das bitte ausdrucken? Zur Sicherheit.“

      Der Mann sah ihn irritiert an, begab sich aber an seinen Bildschirm und wischte ein bisschen herum. Kurz darauf schob sich seitlich von ihm ein DIN-A4-Blatt aus der Wand, das er Malik reichte.

      „Haben Sie vielen Dank“, sagte er und ging aus dem Gebäude. Er prägte sich die Angaben ein, faltete das Dokument und steckte es in seine Jackentasche.

      Während er auf die Unterdruckbahn wartete, löschte er alle Daten seines Highcontrollers. Der Luftsog im Tunnel kündigte das Eintreffen der Linie nach Nordend an. Malik ließ sein Gerät in einen der Abfalleimer gleiten und stieg ein.

      3

      Malik war verdammt müde, aber es half nichts. Der Hauptstandort des Konzerns Kronberg befand sich auf einem westlich von Frankfurt gelegenen großen Gelände, das erst als Kreuzungspunkt der verschiedenen Elektrobikeschnelltrassen ausgebaut und später vom Unternehmen aufgekauft worden war. Wer von weiter her kam, nahm die Unterdruckbahn. Das waren höllisch viele.

      Um 5 Uhr reihte sich Malik in die Schlangen ein und versuchte, sich aus dem Gedränge und Geschubse herauszuhalten. Das war schwer, weil immer wieder jemand in der Nähe nervös wurde, schneller nach vorne kommen wollte und sich mit dem Pulk um sich herum anlegte. Nach anderthalb Stunden steckte er in einem der Wagen.

      Er konnte von Glück sagen, dass sein Onkel einigermaßen gelassen reagiert hatte. Zwar war er nicht begeistert, unter der Woche auf ihn verzichten zu müssen. Aber Malik hatte sich schon überlegt, über die drei Monate immer die komplette Wochenendschicht anzubieten, was Sohan versöhnlich stimmte. Möglich, dass auch sein Bruder noch ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte.

      Kurz nach 6.50 Uhr meldete sich Malik am Haupteingang und legte sein Dokument vor. Eine Dame mit indonesischem Aussehen hinter dem marmornen Tresen fasste den Ausdruck mit spitzen Fingern an und las. An der Wand über ihr stand in großen Lettern Kornberg – Verabredung mit der Zukunft.

      „Terry, ich hab einen S 100 hier, bring ihn bitte rüber“, rief sie nach hinten.

      Das Kürzel klang wie eine Mischung aus einem Automobil des 20. Jahrhunderts und der Bezeichnung für eine ansteckende Krankheit. Würde ihm jemand schräg kommen, hatte er immer noch die Möglichkeit, ganz nebenbei fallen zu lassen, dass der gerade mit einem S 100 sprach, dachte Malik. Er konnte ja nicht ahnen, dass das schneller in Erfüllung gehen würde, als ihm lieb war.

      „Bitte, geben Sie mir Ihren Highcontroller, damit wir ihn kurz überprüfen können“, sagte die Empfangsdame.

      „Ich habe zurzeit kein Gerät“, sagte Malik.

      „Was? Das ist ein Scherz, oder?“ Die Frau wirkte irritiert und genervt. „Jeder hat einen Highcontroller.“

      Malik zuckte mit den Schultern. „Brauche ich ihn denn zum Arbeiten?“

      „Sie müssen erreichbar sein“, meinte die Frau knapp.

      Und überwachbar, fügte Malik in Gedanken hinzu. Er hoffte trotzdem, dass sie nicht auf die Idee kam, ihn wegzuschicken. Auf keinen Fall wollte er die Geduld des Richters strapazieren, im Notfall anbieten, morgen mit einem geliehenen Kommunikator wiederzukommen.

      „Gib ihm halt eines der Firmengeräte“, sagte ein Mann, bei dem es sich wohl um Terry handelte und der nun lässig am Tresen lehnte.

      „Einem S 100?“

      „Du meine Güte, dann soll er dir oder den Kollegen das Ding abends eben wiedergeben, wenn er das Gelände verlässt“, meinte Terry.

      Darauf hatte Malik spekuliert und triumphierte innerlich, als er das Gerät ausgehändigt bekam, nachdem er auf gefühlt zehn Bildschirmen unterschrieben hatte. Aus den Voreinstellungen ließ sich einiges ableiten und er war gleichzeitig vor einem Zugriff der Firma auf seine privaten Daten geschützt.

      „Können Sie damit umgehen?“, fragte die Empfangsfrau.

      „Wenn ich Probleme habe, könnte ich ja die Kollegen fragen“, entgegnete Malik und dachte im selben Moment, dass er es nicht übertreiben sollte.

      „Das sind nicht Ihre Kollegen“, sagte sein Gegenüber streng. „Vergessen Sie nicht, weshalb Sie hier sind.“

      Terry rollte mit den Augen, winkte ihm und führte ihn in einen Raum, in dem drei Männer und eine Frau standen. Um den Arm der Dame wand sich ein Schlangen-Tattoo. Dadurch, dass sie wild gestikulierte, sah es so aus, als wolle sie das Tier auf ihr Gegenüber hetzen. Sie und ein leger gekleideter Mittfünfziger mit Basecap und Dreitagebart drehten sich zu ihm um. „Hier habt ihr den Letzten für heute“, sagte Terry und machte kehrt.

      „Tagchen, mein Name ist Bartholomäus Krüger, kurz Bart, das ist meine Kollegin Sindy Oven. Bitte stellen Sie sich doch kurz vor und sagen uns, welche Qualifikation Sie mitbringen“, sagte der Typ höflich.

      „Ich heiße Malik Cerny und habe gerade gelernt, dass ich ein S 100 bin.“

      „Tsss, bitte“, murmelte Sindy Oven und machte eine Geste in Richtung ihres Kollegen, die wohl bedeutete, dass der Malik haben konnte.

      Bartholomäus Krüger grinste. „Wie sieht es mit einer Ausbildung aus?“

      „Ich habe Soziologie studiert, aber ich dachte ich werde hier in der Kantine eingesetzt“, sagte Malik. Dass er auch Informatiker war, musste er ja nicht gleich jedem auf die Nase binden.

      Sindy Oven drehte sich überrascht zu ihm, doch Bart hob die Hand. „Selber schuld, wenn du so vorschnell reagierst.“

      „Als ob du nicht wüsstest, dass uns auch mal ein Höherqualifizierter guttun würde“, sagte die Schlangenfrau. „Seit du die Managerküche leitest, bist du genauso arrogant wie die. Eigentlich habe ich dieselbe Weisungsbefugnis wie du. Was, wenn ich einfach darauf bestehe, den Jungen zu bekommen?“

      Malik kam sich vor wie ein Sklave auf einem orientalischen Basar, bei dem der Studienabschluss von Muskeln und Zähnen als Kriterium abgelöst worden war. „Kann ich kurz auf die Toilette?“, fragte er.

      „Klar, gleich hier um die Ecke, zweite Tür rechts“, sagte Bart.

      Malik machte seinen Gang, schaute sich um und registrierte hinter der Tür einen Bereich, der im toten Winkel der Kameras lag. Er nahm seinen Highcontroller, öffnete die Klappe für den Akku, griff in seine Jacke und setzte ein Miniaturteil hinter den Herzverteiler. Mal sehen, was über den Tag abgerufen, weitergegeben und gespeichert wurde. Später würde er sein Analysetool wieder herausnehmen und zu Hause auswerten.

      Als er zurück in den Raum kam, waren alle außer Bart verschwunden. Malik nickte ihm freundlich zu. Er würde sich jetzt nicht mehr aufregen oder provozieren lassen, sondern in Ruhe seine kleine Studie betreiben. Dabei war es vor allem wichtig, nicht groß aufzufallen. Für einen S 100 sollte

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