Die Lichtschreiberin. Almut Adler
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Читать онлайн книгу Die Lichtschreiberin - Almut Adler страница 6

„Ilse und ich machen eine Weltreise im VW-Bus, so für 1-2 Jahre!“
Meine Ohren begannen zu glühen und meine Augen zu leuchten. Was für ein Vorhaben, ein Abenteuer, ein Traum. Sofort entspann sich mein Wunsch mit dabei zu sein, mit jedem Satz stieg das Reisefieber. Als Studentin konnte ich mir die Globetrotterin abschminken, aber träumen durfte ich ja. Dafür benötigte ich nur einen Reisepass. Den besorgte ich mir schon mal, rein prophylaktisch versteht sich. Arnulf und Ilse zogen von Bremen nach Stuttgart. Das hatte den Vorteil, dass ich meinen Mut nicht mehr so weit zusammen nehmen musste. Mit erhobenem Daumen stellte ich mich mutig an die Autobahn und trampte von München nach Stuttgart. Schnell hielt ein Opel-Fahrer an. Sein braves Aussehen, der korrekte Scheitel, die spießige Kleidung und die biedere Brille ließen mich beruhigt einsteigen. Jeder Popel fährt Opel dachte ich belustigt. Der Unscheinbare Schwabe stellte sich als Egon vor und legte mir bereits nach fünf Minuten die feuchte Hand aufs Knie.
“Do hesch abere a Glick, dass I au uff Stuargart fahr!”
Zu meiner Verwunderung nahm er die nächste Abfahrt von der Autobahn. Führten alle Wege nach Stuttgart?
“I muß no gschwind was abhole, sorge brausch di net!”
Doch ich sorgte mich, denn Egon bog in den nächsten Feldweg ab, der geradewegs in einen Wald führte. Erneut ruhte seine Hand auf meinem Knie. Ich assoziierte ein Dampfbügeleisen.
“Des wilsch doch au, des spühr i doch”, hauchte er in meine Richtung.
Egon ruckelte nervös an seiner Brille und betätigte versehentlich die Scheibenwaschanlage. Mein Herz schlug bis zum Hals, ich suchte nach einer diplomatischen Antwort.
“Egon”, begann ich meinen Satz sehr bedacht, „du bist doch ein netter Kerl und du siehst gut aus,… ich bin sicher, du kannst viele Frauen haben, die das bestimmt mit dir wollen…, aber sei mir bitte nicht böse, wenn ich nicht mit dir…”
Eine innere Stimme mahnte mich ruhig zu bleiben. Blitzschnell zog Egon seine Hand zurück und trat auf die Bremse.
“Bidde, denn äbbe net, wenn de net willsch,…aber dann bring i di gschwind zurück, i hen nemlich no andres zum do”, sagte Egon beleidigt.
Er wendete zackig und tat so, als hätte ich gerade die Nummer meines Lebens verpasst. Ich konnte mein Glück kaum fassen, sah ich mich doch noch vor Sekunden geschändet und tot in einem Waldstück liegen - auf einem Polizeifoto. Tatsächlich hielt Egon sein Wort, er setzte mich exakt dort ab, wo er mich aufgelesen hatte, an der Autobahnausfahrt München. Ich schätzte seine schwäbische Korrektheit. Nun traute ich mich nicht den Daumen erneut zu heben. Aber was sollte ich machen, wie kam ich sonst von der Autobahn weiter? Meine Knie zitterten, als ein schwarzhaariger, unrasierter Mann anhielt. Er kurbelte die Scheibe herunter und fragte wo ich hin möchte. Da gingen mir die Nerven durch.
„Ich bin gerade einem Vergewaltiger entkommen“, heulte ich ihm entgegen. Der Unrasierte stieg aus.
“Sieh misch an! Sehe isch aus als ob isch dir etwas tun will? Du musst keine Angst haben, isch verschpresche dir, dieser Mann hier, Mesut“, dabei zeigte auf sich, „wird dir nischts tun, isch bin Türke, isch halte immer was isch verschpresche Mann”, beruhigte er mich.
Mesut brachte mich in Stuttgart bis vor die Haustür meines Bruders. Dort konnte ich endlich meine Frage über eine mögliche Mitreise loswerden. Arnulf und Ilse sahen sich verwundert an. In ihren Köpfen hörte ich es förmlich knacken, ich hoffte zu meinen Gunsten. Im Gegenzug dachte ich mit Grauen an meine Rückreise. Die Überlegungszeit der beiden wurde zur längsten Sekunde meines Lebens. Nach gefühlter Ewigkeit ging plötzlich ein Strahlen über ihre Gesichter. Ilse stand auf und umarmt mich.
“Wir freuen uns auf eine gemeinsame Reise mit dir!”
Schon lange vorher hatte ich mir Gedanken gemacht, wie sich diese Reise in puncto Studium und Geld vereinbaren ließe. Ich musste nebenbei mehr arbeiten, 600 DM sollten reichen. Damit konnte ich das fünfte Semester aussetzen und die Indienreise finanzieren. Von dort aus wollte ich dann wieder heimzufliegen. Seit meiner Kindheit war Indien das Land meiner Träume. Vielleicht lag es an Filmen wie, Das Dschungelbuch, oder Der Tiger von Eschnapur? Bis in die Nacht reisten unsere Finger über Landkarten, planten unsere Köpfe Reisehighlights und zeichneten mit Farbmarkern den Tourenverlauf. Ungefähr 6.000 Fahrkilometer bis zur indischen Grenze lagen vor uns. INDIEN, ich konnte es kaum glauben! Arnulf und Ilse planten danach auch noch Afrika zu bereisen.
Im Laufe des Abends beichtete ich den beiden meine Autostopp-Erfahrungen mit Egon und Mesut. Das veranlasste Ilse mir ein Rückfahrticket mit der Bahn zu spendieren. Reisen per Autostopp verging mir endgültig, schade eigentlich, es war verdammt preiswert.
An der U5 belegte ich auch das Lehrfach Fotografie. Die Dunkelkammertechnik beherrschte ich bereits perfekt, aber fotografisch war ich bisher nur mit der Studiofotografie vertraut. Kenntnisse über kreatives Fotografieren musste ich mir erst aneignen. Das begann in der Analogfotografie mit dem manuellen Modus M, die Vollautomatik war tabu. Nun lernte ich meine Bilder zu manipulieren und so zu belichten, wie ich es wollte. Im Modus M konnte ich meinen Aufnahmen eine Individualnote verpassen. Nach und nach begriff ich, wie und warum gute Bilder entstehen. Bisher knipste ich auf niedrighohem Niveau, jetzt experimentierte ich mit Perspektiven, Zeit und Blende. Das sind die wichtigsten Zutaten der Bildgestaltung und das beste Rezept für gute Aufnahmen. Aber vor allem machte ich mir zur Gewohnheit nur dann auf den Auslöser zu drücken, wenn ein Motiv mich dazu aufforderte - das ersparte mir zudem Filmmaterial. Ich lernte nicht nur viel über die Fotografie, ich las auch eine Menge darüber. Endlich begriff ich die Zusammenhänge von Technik und Kreativität.
Indienreise – los geht`s
Der Sommer ging zu ende und die große Abenteuerreise begann. In mir jubilierte ein unbeschreibliches Glücksgefühl, ich erfüllte mir meinen Traum. Arnulf wurde von unseren Eltern die Verantwortung für mich aufgebürdet, aber was sollte uns denn schon passieren? Seit Kindesbeinen an war Arnulf mein großer Beschützer!
Nach Istanbul bewegte ich meine ersten Schritte out of Europe – ich war in Asien! Die Gastfreundlichkeit der Türken überraschte uns, gab es doch viele Gründe die Deutschen nicht zu mögen. Ehemalige Gastarbeiter sprachen Arnulf auf seinen VW-Bus an und oft wurden wir eingeladen.
“Volkswagen gut, isch vier Jahre Wolfsburg, Deutschland schön, gut.” Aber wir hören auch oft “Hitler gut, Deutschland gut!”
Überall auf dem Land brachte man uns aufrichtige Herzlichkeit entgegen. Doch dann, im Südosten Anatoliens schlug die Stimmung plötzlich in aggressive Feindseligkeit um.
Wir wurden mit Steinen beworfen und angeschrien. Dyabakir und der See Van Göli gehörten zu den Gegenden, die derzeit wenige mit dem Auto bereisten, mit einem Campingbus schon gar nicht. So etwas hatten die meisten noch nie gesehen. Uns Frauen riet man bereits in Istanbul, sich im östlichen Anatolien die Arme zu bedecken und auf keinen Fall in kurzen Hosen herum zu laufen. Arnulf hatte schon in Deutschland vom Zorn der Anatolier gehört und ließ sich vorausschauend ein Frontscheibengitter schmieden. Das machte es den Steinwerfern