Hitlers "Mein Kampf". Antoine Vitkine

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»banales«, sondern mit seinen selbst für die damalige Zeit extremen Gewalttätigkeit auch ein »schreckliches« Buch: ein abgrundtiefer Hass, ein kalter Hass, methodisch gewandet, klar und deutlich, absolut. Mein Kampf banalisiert den Schrecken und kündet doch auch von etwas anderem: vom Einsatz aller Ressourcen eines Staates im Kampf gegen die Juden, im Dienst einer globalen, definitiven Lösung der Judenfrage, die mit dem Verschwinden der »jüdischen Rasse« zum Abschluss kommen soll. Dieser Kampf kennt in Hitlers Geist keine Grenzen, weder politische noch moralische, noch geographische. In den langen Passagen voller Lobesworte an die Adresse Japans (übrigens eine Vorwegnahme der Allianz von 1936 zwischen den beiden Ländern) betont er, dass die »derzeitige Entwicklung dem arischen Einfluß zu verdanken ist«, und »sogar Japan«, fügt er gleich hinzu, »von den Juden bedroht ist«. »Nun weiß der Jude zu genau, daß er in seiner tausendjährigen Anpassung wohl europäische Völker zu unterhöhlen und zu geschlechtslosen Bastarden zu erziehen vermag, allein einem asiatischen Nationalstaat von der Art Japans dieses Schicksal kaum zuzufügen in der Lage wäre. […] So sucht er den japanischen Nationalstaat noch mit der Kraft ähnlicher Gebilde von heute zu brechen, um sich des gefährlichen Widersachers zu entledigen, ehe in seiner Faust die letzte staatliche Macht zu einer Despotie über wehrlose Wesen verwandelt wird.« (2/299) »Die Vernichtung Deutschlands war nicht englisches, sondern in erster Linie jüdisches Interesse, genau so wie auch heute eine Vernichtung Japans weniger britisch-staatlichen Interessen dient, als den weit ausgreifenden Wünschen der Leiter des erhofften jüdischen Weltreichs.« (2/298)

      Im Hinblick auf die Juden kündigt Hitler kein präzises Programm an. Beiläufig teilt er auf einer Seite mit: »Nur die gesammelte konzentrierte Stärke einer kraftvoll sich aufbäumenden nationalen Leidenschaft vermag der internationalen Völkerversklavung zu trotzen. Ein solcher Vorgang ist und bleibt aber ein blutiger.« (2/312) Hitler wendet das Wort »Ausrottung« an, er nutzt es jedoch, um die Ziele der Juden zu beschreiben: »Der Jude geht seinen Weg, den Weg des Einschleichens in die Völker und des inneren Aushöhlens derselben, und er kämpft mit seinen Waffen, mit Lüge und Verleumdung, Vergiftung und Zersetzung, den Kampf steigernd bis zur blutigen Ausrottung der ihm verhaßten Gegner.« (2/324) Um nicht selbst ausgerottet zu werden, sollte man also den anderen ausrotten: In den 1940er Jahren wird das Regime diese Logik bis an ihren Endpunkt treiben. Dieser radikale Antisemitismus läutet in der Tat eine Flucht nach vorn ein, in die sich der Nazi-Staat zur gegebenen Zeit stürzen wird, wenn er sich auf den Führer beruft und die »Endlösung« beschließt.

      Bezüglich der einzusetzenden Mittel weicht Hitler zunächst noch aus, doch er skizziert schließlich in groben Umrissen seine Politik von morgen: »der Jude«, schreibt Hitler, »geht […] seinen verhängnisvollen Weg weiter, so lange, bis ihm eine andere Kraft entgegentritt und in gewaltigem Ringen den Himmelsstürmer wieder zum Luzifer zurückwirft.« (2/325)

      III Wie Mein Kampf Hitler zum Führer macht

      Mein Kampf versus Das Kapital

      1925 ist Hitlers Buch erschienen, doch für ihn ist dessen potenzieller Erfolg an der Ladenkasse in diesem Jahr nicht das Wichtigste. Sein Werk bedeutet vor allem eine persönliche Propagandamaßnahme. Das riskante Spiel eines Politikers, der sich in einer besonders prekären Lage befindet. Während seiner Haft hat sich die höchst uneinheitliche völkische Bewegung weiter gespalten. Es gibt Dutzende Gruppierungen – und an ihrer Spitze ebenso viele kleine »Führer« –, völkische Blätter, rassistische Gurus, nationalistische Propheten. Schlimmer noch, selbst innerhalb der NSDAP kommt es zu Streit und Brüchen. So haben sich verschiedene Nazi-Größen der ersten Garde wie Gregor Strasser, Julius Streicher oder Erich Ludendorff an die Spitze von Grüppchen gesetzt, die sie überhaupt nur gegründet hatten, um ihr Prestige zu mehren. Die norddeutsche NSDAP rebelliert gegen die Münchner Führung. Kurz, die Autorität und die politische Linie des Führers werden allenthalben angefochten.

      Bevor er darangehen kann, Deutschland von seinen Ideen zu überzeugen, muss Hitler also erst einmal die eigenen Anhänger mobilisieren. Diese Absicht bringen die letzten Worte seines Buches in Form einer Mahnung deutlich zum Ausdruck: »Ein Staat, der im Zeitalter der Rassenvergiftung sich der Pflege seiner besten rassischen Elemente widmet, muß eines Tages zum Herrn der Erde werden. Das mögen die Anhänger unserer Bewegung nie vergessen, wenn je die Größe der Opfer zum bangen Vergleich mit dem möglichen Erfolg verleiten sollte.« (2/354) 1925 scheint »der mögliche Erfolg« gefährdet, die NSDAP macht eine schwere Zeit durch: Hitler erhofft sich von seinen Truppen erneute Zuversicht in das Unternehmen, das er in Gang gesetzt hat. Er erwartet von seinen Mitstreitern, dass sie sich genauso für die Partei und für das Land aufopfern wie für ihn.

      Erschwerend kommt dazu, dass nach dem gescheiterten Putsch seine Partei, die NSDAP, reichsweit bis Februar 1925 verboten worden ist. Und schließlich wird ihm nach seinem Auftritt im Bürgerbräukeller zur Neugründung der Partei ein zweijähriges Redeverbot auferlegt, auch wenn die Obrigkeit in München, seinem Revier, nicht allzu streng auf dessen Einhaltung pocht. Was ihm sein Umsturzversuch an Positivem eingebracht hatte – dass er bekannt geworden war, an Prestige gewonnen hatte –, hat zudem nicht lange vorgehalten. Unter diesen Umständen will er sich, um wieder ins Spiel zu kommen, auf sein Buch stützen.

      Mitte Februar 1925, als die NSDAP endlich aufs Neue vom bayerischen Staat zugelassen ist, ereignet sich das, was einen Wendepunkt in Hitlers Karriere darstellt. Auf einer Versammlung am 26. und 27. Februar im Bürgerbräukeller – in Abwesenheit zahlreicher abtrünniger oder sektiererischer Parteigrößen wie Alfred Rosenberg oder Ernst Röhm – fordert er die Anhänger der NSDAP zum Zusammenschluss unter seiner Führerschaft auf. Die Kontrolle über die Partei in Bayern wiederzuerlangen, das ist für ihn der erste Schritt zur Rückkehr nach oben. Es gelte, die alten Querelen zu vergessen, betont er. Ausnahmsweise geht er nicht auf das Thema Juden ein, sondern wählt eine ganz besondere Stoßrichtung: Er verspricht den Sieg gegen den Marxismus. Dies sei ein durchaus realistisches Ziel für die NSDAP, allerdings unter einer Bedingung: wenn nämlich der marxistischen Doktrin eine andere, nämlich die seine, entgegengesetzt werde.

      Hitlers Argumentation ist fadenscheinig, vermag aber sein Publikum zu überzeugen. Um gegen die Marx’schen Hausgötter anzukämpfen, braucht man einen braunen Marx, anders gesagt Adolf Hitler höchstpersönlich, den Verfasser von Mein Kampf. Indem er sich als Schriftsteller präsentiert, verändert Hitler sein Image und entsteigt dem Sumpf, in dem er sich bisher bewegt hat. Von jetzt an ist er nicht mehr ein bloßer Marktschreier, ein Prahlhans, ein gescheiterter Putschist: Er nimmt den Nimbus an, den einem das geschriebene Wort verleiht, und zeigt sich als ein neuer Theoretiker. Am Saalausgang verteilen seine Leute Reklamezettel, in denen die Veröffentlichung seines Buches angekündigt wird, inklusive Preisangabe.

      Die Hochrufe, die an diesem Abend im Bürgerbräukeller ertönen, markieren den Beginn seiner Eroberung der völkischen Bewegung. Mein Kampf verleiht dem früheren Landsberger Häftling einen neuen Status. Ihm zur Seite stehen die alten Getreuen, von denen ihn einige bis zum Untergang des Dritten Reiches begleiten werden: Himmler, Höß, Göring, Röhm, Frank, Goebbels, Rosenberg, die Partisanen der ersten Stunde, so bedeutsam für die späteren Erfolge. Nach dem missglückten Putsch hatten sie mehr oder weniger an ihrem Führer gezweifelt und sehen sich nun dank dieses Buches, das den neuen Geist einer politischen Bewegung begründet, in ihren Überzeugungen bestärkt.

      Höß erklärt, er sei sich in Landsberg, als er Hitler sein Werk schreiben sah, dessen wahrer Größe bewusst geworden. Joseph Goebbels allerdings ist nicht von vornherein für Hitler. Mitglied der NSDAP seit 1922, befürwortet Goebbels eine eher »sozialistische« Linie und hat sich während der Haft des Parteichefs auf die Seite von Gregor Strasser geschlagen, einem internen Gegner Hitlers. Goebbels, der promovierte Philosoph, ist einer der wenigen Intellektuellen in der NSDAP. Doch als er im Juli 1925 Mein Kampf liest, ist er regelrecht begeistert. Seinem Tagebuch vertraut er an: »Ich lese Hitlers Buch zu Ende. Mit reißender Spannung! Wer ist dieser Mann? Halb Plebejer, halb Gott! Tatsächlich der Christus, oder nur der Johannes?« Am 6. November

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