Deutschland 1936 - Ein Jahr im braunen Dunst. Adolf, Dr. Küster
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Читать онлайн книгу Deutschland 1936 - Ein Jahr im braunen Dunst - Adolf, Dr. Küster страница 16
Und hier: wie diese fremden Bengel auf dem Bild lauthals lachen, nachdem sie einen von ihnen ins Wasser geschleudert haben. Die reinste Lust schaut ihnen aus den Augen!
Ich weiß noch genau, über was ich an diesem Nachmittag nachgedacht habe.
Ich habe intensiver als sonst an Bienchen gedacht.
Wie sehr muss sie bei solcher Hitze ein kühles Bad vermissen. Wir kamen gerade aus dem Wasser.
Ach, und noch so ein lustiges Bild: Auch Kurtchen hatte sich einen Sandeimer zum Wasserholen ausgeliehen, sich von hinten ans Bienchen angeschlichen und ‛schwapp’!
Trotzdem. Besser, sie weiß es vorher. Ihr Schreck war riesengroß; die Aufnahme zeigt es.
Egal, egal, es war ein wunderschöner Nachmittag.
Ich mag es sehr, wenn wir 4 Geschwister zusammen sind, man fühlt sich gleich viel sicherer.
Die Gelegenheiten werden leider von Jahr zu Jahr seltener. Jeder hat seine Verpflichtungen, dauernd ist einer unterwegs.
Kurt wird übrigens im Wasser immer schneller. Er hat jetzt den richtigen Kraulstil raus. Mich, als ältere Schwester überrundet er schon.
Ich bevorzuge noch immer meinen altmodischen Bruststil. Der ist nicht so schnell. Ich bin deshalb aber nicht unglücklich.
Himmel, aber jetzt muss ich mich unbedingt wieder um den Umzug kümmern!
Mutter wird mich schon vermisst haben.
Obwohl alles klappt wie am Schnürchen.
Ich soll den Packern Kaffee oder Bier anbieten, wenn sie fleißig sind, und ein paar Schnittchen.
Ich werde mich drum kümmern.
April 1936
„Hallo, ich bin der Kurt Rübnitz.“
Hatte mir fest vorgenommen, die Vereidigung der Pimpfe in diesem Jahr sausen zu lassen!
Der ‘Atze’ hatte mich aufgefordert, aber der kann mich. Der will doch nur eine Welle angeben.
Aber nun latsche ich trotzdem zum Exerzierplatz, ich Weichmann.
Mensch Kurt, denk ich, du bist aber auch zu nachgiebig. Oder ist es Neugierde?
Da stehen sie nun alle, die Neuen. Blass, ängstlich.
Ja, unbedingt wollen sie aufgenommen werden in die HJ.
Ihre kurzen schwarzen Kordhosen noch ganz glatt, sauber und neu. Die braunen Hemden alle glatt gebügelt. Und, guck dir das an, Koppel und Schulterriemen glänzen wie eine Speckschwarte. Lange anhalten wird das nicht. Ein einziges Geländespiel und aller Glanz ist zum Teufel.
HJ-Führer zu spielen ist nicht so mein Ding.
Außerdem wollen die mich ja auch gar nicht.
Das Kindergeschrei geht mir sowieso auf die Nerven.
Der ‘Atze’ hat sich danach gedrängelt, er wollte partout HJ-Führer werden.
Das war dann das Ende unserer Freundschaft. Und ausgerechnet mich in sein Fähnlein holen zu wollen, das hätte mir gerade noch gefehlt.
Mich stört an der HJ und den ganzen anderen politischen Organisationen, dass da keiner mal nachdenkt. Nein, alle plappern hirnlos nach, was man ihnen vorsetzt. Und das Schlimme ist: sie sind noch stolz darauf, auf ihren unbedingten Gehorsam.
Das ist noch so wie beim “ Alten Fritz“.
Wir schreiben inzwischen aber doch das Jahr 1936.
“Wir marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not. Unsere Fahne ist mehr als der Tod.”
Ehrlich gesagt: ich mach mir nichts aus Not und Tod.
Wenn ich das sage, ist Atze empört und fasst sich an den Kopf: “Mensch, hast du denn keine Ehre im Leib?”
“Doch, aber eine andere, als deine!
Du besuchst deine HJ-Führerschulen und ich wandere lieber durch Wald und Flur. Das ist meine Art zu leben. Was kann ich dafür?”
“Was kann ich dafür? Was kann ich dafür?
Du musst dich am Riemen reißen! Verantwortung übernehmen für Deutschland. Die Jungen begeistern, ihnen helfen.”
“Und womit hilfst du ihnen?”
“Ich mache mir Gedanken darüber, wie ich die Abenteuerlust meiner Pimpfe ausleben lassen kann, ihren Bewegungsdrang stillen, ihren Wetteifer befriedigen und ihrem Wunsch nach Verantwortung entsprechen kann.”
“Atze, wo hast du denn diese hochtrabenden Sätze aufgeschnappt? Alles auf der HJ-Führerschule gelernt?”
“Ach, mit dir kann man ja nicht vernünftig reden, du Spießer. Wandere nur in deinen Wald!”
Ein Hauch von Frühling liegt in der Luft. Die Sonne wärmt schon ein wenig.
Der große Platz der SA, der frühere Kaiser-Wilhelm-Platz – KWP, wie die alten Rottlinger auch heute noch sagen – füllt sich mit Menschen.
Auf den umgebenen Straßen, der Lönsstraße und der Bahnhofsstraße fahren die neuen Büssing-Busse.
Die Kutschen können sich dahinter verstecken.
Aber auch Personenwagen sieht man immer häufiger.
Da drüben fährt er gerade, der neue 6-Zylinder von WANDERER. Das Coupé ist mein Lieblingswagen, den kaufe ich mir später.
Hier an meiner Ecke vorm Rathaus sammeln sich Atzes Pimpfe.
Ein blonder schlaksiger Jungzugführer mit grüner Affenschaukel ruft militärisch laut, dass es jeder hören muss.
“Jungzug 1 Achtung!!…. In Reih’ und Glied angetreten!!!”
Die angesprochenen Pimpfe sausen wie von der Tarantel gestochen dorthin und bilden im Nu einen der Größe nach geordnetem Block, der nun exakt ausgerichtet steht.
Es sind…, ich zähle 30, 33, 36 Pimpfe.
Das Ritual des Antretens ist mir geläufig. Sechs Jahre stecke ich nun schon in der braunen Uniform. Davon die letzten zwei Jahre im HJ-Streifendienst. Weshalb sie ausgerechnet mich zu diesem Haufen kommandiert haben, ist mir unerklärlich.
Ich trage Uniform nicht gerne, gewöhne mich auch nicht daran. Atze würde sie am liebsten auch nachts anbehalten.
Nun sind alle vier Züge angetreten. Der Oberjungzugführer vom Zug 1 tritt vor die Front: “Fähnlein 3 stillgestanden, die Augen links!”
Von links kommt mein gewesener Freund anstolziert. Atze dieser