Deutschland 1936 - Ein Jahr im braunen Dunst. Adolf, Dr. Küster

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Deutschland 1936 - Ein Jahr im braunen Dunst - Adolf, Dr. Küster

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schleppt mich der Mensch auch noch durch die Kellerräume, die wegen der vorhandenen Freitreppe relativ hoch gelegen sind. Souterrain, nennt man so was, ein vollwertiges Kellergeschoß.

      Aber was ist das? An der Ecke zum Park wird eine Kellertür zugemauert. Die Mauer ist schon einen Meter hoch. Verblüfft rutscht mir die Frage heraus, was wird denn das?

      C. W. Weiß schaltet das elektrische Licht an, der Keller ist stockdunkel. Ich erkenne, dass das Fenster zum Park bereits feinsäuberlich zugemauert ist. In diesem Keller, aha, hier also, mir geht ein Licht auf. Hier wird gestapelt, was ich oben vermisst habe: die großformatigen Ölbilder und mehr. An der Wand ein kunstvoll gestickter Vorhang für einen Thoraschrein, eine Sabbatlampe aus Messing und andere Leuchter. Eine Menge übergroßer Holzkisten übereinandergestapelt, voll von Büchern und sicherlich von vielen persönlichen Dingen.

      Wir schauen uns in die Augen. Ich fühle in diesem Moment mit ihm, wir sind auf gleicher Schwingungsebene. Ich gebe mir das heilige Versprechen, dass ich alles daransetzen werde, ihm diesen Rest seiner materiellen - und ganz bestimmt auch seelischen Existenz zu erhalten.

      “Aber, wer mauert denn hier?”

      “Ich alleine.”

      “Darf ich helfen?”

      “Danke, sehr freundlich, ich habe es bald geschafft. Ich werde alles so gut verputzen, dass es nicht auffällt.”

      “Aber eines Tages, beim Niederreißen dieser Mauer, da darf ich doch dann dabei sein und helfen?“

      “Herzlich gern! Aber können sie in die Zukunft schauen?

      Wenn es ihnen recht ist, dann möchte ich morgen mit Ihnen zum Grundbuchamt gehen. Ich will, dass dieses Grundstück auf ihren Namen überschrieben wird. Ihnen will ich mal was verraten.

      Lange wird es wohl nicht mehr dauern, dann tritt ein Gesetz in Kraft, dass uns Juden endgültig zu Staatsfeinden erklärt, deren ganzes Vermögen vom Staat eingezogen wird.”

      Man kann es sich nicht vorstellen, wäre ungeheuerlich, aber so wie sich unsere neue Regierung in letzter Zeit verhält, durchaus denkbar.

       März 1936

      Den Witz, den Kurt gestern vom Stapel gelassen hat, finde ich gut. Wie war der doch gleich?

      Kurt´s stotternder, jüdischer Mitschüler hat sich beim Deutschlandfunk als Nachrichtensprecher beworben und ist abgelehnt. Auf die Frage warum, hat er stotternd geantwortet: “alles Antisemiten!”

      Endlich mal ein Witz ohne Schweinereien.

      In den Köpfen unserer Familie, machen sich neuerdings Juden breit, seit Vati, gegen unseren Willen, unbedingt in diese stinkfeine Ulmenallee ziehen will. Ich frage mich oft, was wir da zu suchen haben?

      Wir Kinder wohnen gern in der Feldstraße, gegenüber der Gärtnerei Wieser. Die steht leer, einen tolleren Spielplatz gibt es nicht. Kurt hat da einen neuen Freund gefunden. Und nun das.

      Etwas hat mich gestern erschüttert. Kurti kam nach Hause und war derartig verzweifelt, ich vermochte ihn nicht zu trösten. Verstehe aber auch wer kann.

      Kurts bester Freund ist nur Halbjude, trotzdem wurde ihm, von heute auf morgen, der Schulbesuch des PvH-Gymnasiums untersagt. Er geht jetzt in eine Behelfsschule in der Braunschweiger Straße. Es ist zum Heulen. Kurt hatte Tränen in den Augen, als er uns das berichtete.

      Spontan hat er seinem Freund die Chance eingeräumt, dass sie sich täglich zusammensetzen wollen, um den Unterricht zu wiederholen.

      Eine gute Idee, finde ich. Unser Kurt, auf den kannst du dich verlassen, ein weites Herz hat er. Erst gestern dieser Schlag, und nun sitzen wir heute am 1. März in der Ulmenallee im Umzugs-Schlamassel. Wenigstens gut, dass es nicht mehr schneit. Es ist milde. Gestern noch Schneetreiben. Über Nacht ist der letzte Schnee weggetaut und die Sonne lugt hervor.

      „Eines muss man Mutter lassen“, denkt Marie-Luise, die Älteste der 4 Rübnitzschen Kinder. Mutter ist eine perfekte Organisatorin. Jedem Zimmer im neuen Haus hat sie eine Nummer zugeteilt. Die entsprechenden Zimmernummern in der ersten Etage beginnen mit einer Eins und in der zweiten Etage mit einer Zwei. Das Parterre hat die 0 davor, der Keller ein -1.

      Jedes Möbelstück bzw. Karton hat sie mit der Zimmernummer versehen, in die die Packer sie transportieren sollen. Alles klappt vorzüglich.

      Den Möbelpackern scheint es Spaß zu machen. Selbst Franziska, unsere neue „Perle“, soll möglichst nicht dazwischenfunken.

      Jetzt, wo wir das neue Haus beziehen, geht es nicht mehr ohne ein ständiges Hausmädchen, höre ich Mutter sagen. Vati willigt gleich ein. Überhaupt zieht er jedes Mal den Schwanz ein, sobald Mutti nur ‘grundsätzlich’ wird.

      Ich habe schon manchmal vermutet, Vati hat ein permanent schlechtes Gewissen. Die neue Perle ist keine alte Frau, 33, aber schon Witwe. Ich mag sie, sie hat was Dynamisches, Zupackendes. Und sie ist die meiste Zeit gut gelaunt. Ganze 12 Jahre war sie verheiratet. Wenn ich daran denke, ich müsste in 3 Jahren heiraten, mir würde speiübel.

      Die 100 qm Wohnfläche für 6 Personen in der Feldstraße waren schon sehr eng. Aber muss es dann gleich so ein Palast sein. Das Wohn- und Esszimmer ist hier größer als unsere ganze alte Wohnung zusammen. Ich finde das spinnert. Übertrieben.

      Da braucht man jede Menge Hilfspersonal. Möchte nicht wissen, was Vati hier an Miete hinblättern muss. Jetzt sieht man erst, wie popelig in dieser Umgebung unsere alten Möbel wirken, die die Packer durch die mächtige Diele schleppen.

      Die alten Möbel dieser prächtigen Villa machen mich schwach, obwohl das gegen meinen Strich ist. Mich soll so ein Luxus nicht in seinen Bann schlagen. Die Küche allein, echte Delfter Kacheln, und ein herrliches Blumen-Tableau aus Delfter Fayance.

      Die Küchenwände sind allerdings erschreckend kahl, alle Bilder abgehängt. Auch all die persönlichen Dinge der Weißens wurden abtransportiert.

      Oben in der zweiten Etage, im größten Raum, hatte der Landgerichts-Direktor i.R. eine sog. “Judengalerie” errichtet. Er wollte anscheinend die kulturellen Leistungen der Juden seiner Mitwelt präsentieren.

      Vati hat er all seine Schätze vorgeführt. Sogar einige kleinformatige „Liebermänner“ waren darunter. Was stehen geblieben ist muss ich mir unbedingt ansehen.

      Nachdem Herr Weiß ja nun nicht mehr da ist, macht sich Vati Gedanken, was er mit den noch vorhandenen Kunstgegenständen anstellen soll. Ich schlage vor, nichts zu verändern, sondern alles an seinem Platz lassen.

      Unsere Sabine ist ein Aas. Sie könnte sich freuen, aber zurzeit ist sie maulig. Dabei hat sie jetzt im Hause eine fantastische Rollbahn für ihren Rollstuhl. Durch die Riesendiele und das Treppenhaus, ich schätze 18 Meter? Alles ohne Schwelle und nirgendwo ein Absatz.

      Dieses ‛Marakel’ fegt da unten hin und her, wie ein aufgeregtes Huhn. Was sie da trällert, möchte wissen, wo sie das herhat!

       “Oh Schreck, oh Schreck, der olle Jud’ ist weg.

       Der olle Jud’ muss wieder her, roch wie ein ganzes …

       …Knoblauchmeer.

      *****

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