Boccaccio reloaded. Centino Scrittori

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Boccaccio reloaded - Centino Scrittori

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sich einen Unterschlupf, um sich etwas ausruhen zu können. Als sie mittags aufbrachen, um aus dem Land zu fliehen, wurden sie von zahllosen leeren Dörfern und leblosen Körpern immer wieder in Trauer versetzt. Nachdem sie nach mehreren Tagen mit wenig Essen und Trinken endlich die nächste Stadt erreichten, konnten sie sich zum ersten Mal etwas ausruhen. Da die Kinder wegen dem Schock nicht richtig schlafen konnten, brachen sie schon sehr früh am Morgen auf, um endlich die Grenze zu erreichen.

      Als sie nun nach vielen Tagen die Grenze erreichten, standen sie vor der nächsten großen Herausforderung, da sie nicht über die Grenze gelassen wurden. Erst nach vielen Überzeugungsversuchen konnten sie endlich das Land verlassen und denken, dass sie gerettet waren. Doch als sie versuchten nach Europa zu fliehen, wurde ihnen von Schmugglern versprochen, dass sie sicher mit einem Boot nach Griechenland gebracht würden, also bezahlten sie den Fahrer mit all ihrem Geld. Als sie am vereinbarten Treffpunkt ankamen, war niemand da, um sie abzuholen. Also hatten sie kein Geld mehr, um auf anderem Wege zu fliehen. Als sie darüber nachdachten, wie ihnen die Flucht gelingen könnte, sahen sie keinen anderen Weg, als mit einem kaum seetauglichen Boot mit über 300 Menschen über das Mittelmeer nach Griechenland zu gelangen. Auf diesem Boot sahen sie die ganze Zeit aufs Meer und sahen darin immer nur den Tod. Sie hatten noch nie im Leben mehr Angst verspürt.

      Nach drei Tagen auf See glaubte die Mutter nicht mehr an eine sichere Ankunft und sagte: „Wir werden alle ertrinken.“ Am vierten Tag kam ein anderes Boot auf sie zu. Die Passagiere weigerten sich, in dieses Boot zu wechseln, woraufhin die wütenden Schmuggler sie rammten und lachten. Innerhalb von Minuten kenterte und sank das Boot. Die Menschen, die unter Deck gefangen waren, hatten keine Chance zu überleben.

      „Ich hörte, wie Menschen schrien, und sah, wie ein Kind von der Bootsschraube in Stücke gerissen wurde“, erinnerte sich die Tochter. Um sie herum schwammen unzählige Leichen. Die Überlebenden kamen in Gruppen zusammen und beteten. Die Mutter fand Rettungsringe für ihre Kinder. In der folgenden Nacht verloren viele Überlebenden die Kräfte und den Mut. Die Mutter musste zugucken, wie Männer ihre Rettungswesten abnahmen und ertranken. Auch ihren Sohn verließen kurz darauf die Kräfte und die Mutter musste mit ansehen, wie er starb. Die Mutter war nun allein für ihr letztes völlig erschöpftes Kind verantwortlich, sie weinte, hatte Hunger und Durst. Sie sang für das Mädchen und erzählte ihr Geschichten. Ein langer Tag verging, dann ein weiterer. Am vierten Tag im Meer sah die Mutter ein Handelsschiff. Zwei Stunden schrie sie um Hilfe, bis die Suchscheinwerfer des Schiffes sie fanden. Sie starb noch an Bord des Schiffes. Doch die kleine Tochter hatte überlebt. Als sie endlich in Griechenland ankam, wurde sie in ein Flüchtlingslager gesteckt. Eine nette Familie kümmerte sich um sie und nahm sie auf. Doch das Mädchen wollte mehr, sie wollte nach Deutschland und dort zur Schule gehen, um später einen richtigen Job zu finden. Als sich ihr eine Möglichkeit bot, nach Deutschland zu gehen, ergriff sie diese sofort. Eine deutsche Familie adoptierte sie und sie lernte alles über die deutsche Kultur und Sprache.

      Sie hatte trotz der schweren Umstände eine schöne Kindheit, berichtete sie, außerdem lernte sie neue Freunde kennen und lebte sich schon nach nur einigen Wochen in der neuen Familie ein. Natürlich vergaß sie nie, wer ihre richtige Familie war, und musste häufig weinen, wenn sie an ihre Geschwister, ihre Eltern und an ihre Heimat dachte.

      Jetzt geht sie in die 7. Klasse und in ihrer Freizeit spielt sie gerne Fußball, hilft in Flüchtlingslagern und bringt ihre Adoptiveltern immer wieder dazu, Geld an Organisationen, die armen und hilfsbedürftigen Kindern helfen, zu spenden.

      (Karim Ashoor)

       Achte Geschichte

       Wir alle sind ziemlich geschockt von dieser Geschichte. Doch die Unterbrechung ist nicht lang. Diesmal macht eine Frau Mitte 40 den Anfang. „Ich möchte euch eine Geschichte erzählen, auch wenn sie ausgedacht ist.“ Wir sind einverstanden und sie legt los. Sie nennt sie „Der seltsame Krieg“.

      Auf einem fremden Planeten oder in einer anderen Zeit gab es einmal zwei Länder, die hießen Hüben und Drüben. Es gab noch andere Länder, wie Nebenan und Weitfort, aber diese Geschichte handelt von Hüben und Drüben. Eines Tages hielt der Oberstgewaltige von Hüben eine Ansprache an seine Bürger. Er sagte, dass das Land Hüben von dem Land Drüben bedrängt würde und dass die Hübener nicht mehr länger zusehen können, wie das Land Drüben mit seiner Grenze das Land Hüben drücke und einenge. „Sie liegen so dicht an uns, dass uns nicht einmal mehr Platz zum Schnaufen bleibt!“, schrie er. „Nicht das kleinste Bisschen können wir uns rühren. Sie sind nicht bereit, ein bisschen zu rücken, ein bisschen Platz zu machen, uns ein wenig Bewegungsfreiheit zu gönnen. Aber wenn sie dazu nicht bereit sind, dann werden wir sie eben zwingen müssen.

      Wir wollen keinen Krieg. Wenn es nach uns geht, gibt es den ewigen Frieden. Aber es geht leider nicht nach uns. Wenn sie nicht bereit sind, mit ihrem Land ein wenig von uns wegzurücken, dann zwingen sie uns zum Krieg. Aber wir lassen uns den Krieg nicht aufzwingen. Wir nicht! Wir werden nicht zulassen, dass sie uns zwingen, unsere besten Söhne sinnlos zu opfern, damit unsere Frauen zu Witwen und unsere Kinder zu Waisen werden! Darum müssen wir die Macht von Drüben brechen, bevor sie uns zwingen, einen Krieg anzufangen. Und darum, Mitbürger, um uns unserer Haut zu wehren, um den Frieden zu schützen, um unsere Kinder zu retten, erkläre ich hiermit, in aller Form, dem Staat Drüben den Krieg!“

      Die verwirrten Hübener sahen erst einander an. Dann sahen sie ihren Oberstgewaltigen an. Und dann sahen sie die Sonderpolizeitruppen mit den Panzerhelmen und Vernichtungsstrahlern an, die den Platz umstanden, klatschten und begeistert Beifall schrien: „Hoch der Oberstgewaltige! Nieder mit denen von Drüben!“

      Und der Krieg begann.

      Noch am selben Tag überschritt die Armee von Hüben die Grenze. Es war ein gewaltiger Anblick. Die Panzerfahrzeuge sahen aus wie riesige eiserne Drachenfische. Sie wälzten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Aus ihren Kanonenrohren konnten sie Granaten schießen, die alles zerfetzten, und giftige Gase blasen, die alles umbrachten. Jedes ließ hinter sich einen hundert Meter breiten Streifen der Verwüstung. Vor ihnen lag ein blühender Wald und hinter ihnen lag nichts mehr. Wo die Flugzeuge flogen, wurde der Himmel dunkel, und wer darunter stand, fiel angstgeschüttelt auf sein Gesicht. Und wo ihr Schatten hinfiel, da fielen auch ihre Bomben. Zwischen den Riesenflugzeugen am Himmel und den Panzerfahrzeugen am Boden surrten Schwärme von Hubschraubern wie kleine, bösartige Mücken. Die Soldaten aber sahen aus wie stählerne Kampfroboter, in ihren Schutzanzügen, die sie unempfindlich gegen Kugeln, Gas, Gift und Bazillen machten. In ihren Händen trugen sie schwere Kampfapparate, die tödliche Geschosse versprühten, oder Laserstrahlen, die alles zerschmelzen konnten.

      So marschierte die unaufhaltsame Armee von Hüben nach Drüben, um jeden Feind erbarmungslos zu töten. Doch seltsam, sie fanden keinen Feind. Am ersten Tag drang die Armee zehn Kilometer ins feindliche Gebiet ein, am zweiten Tag zwanzig. Am dritten Tag überquerte sie den großen Fluss. Überall fanden sie nur verlassene Dörfer, abgeerntete Felder, ausgeräumte Fabriken, leere Lagerhäuser. „Sie verstecken sich, und wenn wir an ihnen vorbei sind, überfallen sie uns von hinten!“, brüllte der Oberstgewaltige. „Durchsucht alle Heuschober und alle Misthaufen!“ Die Soldaten durchstöberten die Misthaufen, aber alles, was sie dabei fanden, waren haufenweise Ausweispapiere: Personalausweise, Geburtsurkunden, Heimatscheine, Reisepässe, Impfzeugnisse, Immatrikulationsbescheinigungen, Rundfunkgebühren-Ermäßigungs-Berechtigungsscheine, Hunde-steuerentrichtungsnachweise und hunderte andere Dokumente. Und aus allen Lichtbildausweisen waren die Fotos herausgerissen. Was das bedeuten sollte, konnte sich niemand erklären. Ein großes Problem waren die Wegweiser. Sie waren abmontiert oder verdreht oder übermalt, aber manche stimmten auch, so dass man sich nicht einmal darauf verlassen konnte, dass sie falsch waren. Immer wieder gingen Soldaten verloren, ganze Kompanien verliefen sich, Divisionen fuhren in die Irre und so mancher verlassene General schickte fluchend Motorradfahrer in alle Richtungen, um seine Soldaten zu suchen. Der Oberstgewaltige musste sofort alle Vermessungsbeamten und Geographielehrer

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