Lichtfisch. Arthur Witten

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Lichtfisch - Arthur Witten

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schon. Aber dann gibt es die notorischen Nörgler, die sich aufregen, weil ›Ironic‹ kein Weihnachtslied ist, und die anderen, die demonstrativ die Augen verdrehen, wenn man mal tatsächlich ein Weihnachtslied spielt.«

      »Dann bau’ einen Automaten mit Trichter. Interaktiv. Schüttet jemand einen Glühwein rein, kommt ein Weihnachtslied, und bei Bier dann was Weltliches«, schlägt Hari vor.

      »Und bei Honigmet?«

      »Mittelalterrock. Oder New-Age-Gregorianik!«

      »Kinderpunsch?«

      »Rudolph the red-nosed reindeer!«

      »Okay, klingt machbar.«

      Wir sind an der Pizzeria angekommen. Ich bleibe vor dem Eingang stehen.

      »Und bei einem heißen Hugo?«

      Hari überlegt kurz.

      »Last christmas?«

      Ich nicke grinsend und halte meine Hand hoch. Hari schlägt ein.

      Das Essen wird serviert. Während ich die Pizza anschneide, frage ich: 15: 17: 23 »Und dein Projekt, Zweistein? Hat das Universum nun einen Sinn?«

      Harikaut schon. Zwischen zwei Bissen antwortet er: »Schwer zu sagen. Ich habe noch ein bisschen weiter daran gearbeitet und bin mir gar nicht mal sicher, ob die Frage an sich überhaupt sinnvoll ist.«

      »So, die Frage nach dem Sinn ergibt also keinen Sinn?« Ich zwinkere.

      »Wenn du so willst, ja. Ob ein Stück Eisen nach außen hin magnetisch ist oder nicht, erkennt man ja tatsächlich von außen, nicht von innen.«

      »Außer, du wanderst als winziger Beobachter durch das ganze Eisenstück durch und merkst dir jeweils die Richtung, in die dein lokaler Kompass zeigt.«

      »Richtig, aber das geht nur theoretisch – und beim Universum schon mal gar nicht. Wir können weder das ganze Universum durchscannen, noch die Sache von außerhalb betrachten, sofern es überhaupt ein Außen gibt. Momentan behaupten die meisten Forscher, das Universum sei endlich, aber unbegrenzt. Und die Multiversum-Theorien verbieten ebenfalls, dass man ›sein‹ Universum verlassen kann.

      »Hm.«

      Mehr fällt mir dazu erst mal nicht ein, daher essen wir schweigend weiter.

      Mit solchen Themen ist Hari in seinem Element. Die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält und dafür sorgt, dass es überhaupt etwas gibt. Grundlagenforschung, wenn man so will. Das ist schon immer nach Haris Geschmack gewesen.

      Nach dem Abschluss war er eine Zeitlang an einem Lehrstuhl für theoretische Physik, der dann aber nach einem Jahr aufgelöst wurde. Weil sich dann nichts Passendes aufgetan hat, hat er sich in der freien Wirtschaft beworben. Halbleiter sind damals das große Ding gewesen.

      Eineinhalb Jahre später haben die Firmenchefs gemerkt, dass die Konkurrenz im Ausland nicht geschlafen hat, und kurzerhand die Hälfte der Mitarbeiter entlassen – darunter auch Hari. Nach ein paar kurzen Zwischenstationen ist er nun als Programmierer und Kundenbetreuer bei SportVV gelandet, einem Softwareanbieter, der sich auf Sportvereine spezialisiert hat: Mitgliederverwaltung, Trainingseinheiten, Kurse – alles in einem. Hari programmiert neue Features, sucht Bugs, telefoniert mit Kunden. Das meiste geht tatsächlich von daheim aus, so dass Hari dann auch mal schnell bei einem Mieter nach dem Rechten sehen kann, wenn mal wieder irgendwas nicht läuft. Eigentlich ein sehr entspannter Job, der aber mit Haris eigentlichen Zielen gar nichts mehr zu tun hat. Daher nutzt er seine Freizeit, um sich über die neuesten Theorien auf dem Laufenden zu halten und selber an seinem Weltbild weiterzuschrauben.

      Nachdem die Teller abgeräumt sind und jeder vor einem frischen Glas Wein sitzt, diskutieren wir weiter.

      »Wenn das Universum nun aber tatsächlich ein Außen hätte, einen Beobachter, wäre der dann eigentlich sowas wie Gott, oder nicht?«, setze ich das Gespräch fort. »Er könnte den Sinn erkennen, oder im Prinzip sogar festlegen – fast so wie jemand, der mit einem Magneten an einem Schraubenzieher entlang streicht und den dann selbst magnetisch macht.«

      Hari zögert.

      »Gott als außenstehender Beobachter, als Sinn-Stifter? Ich glaube ja nicht, dass jemand aktiv das Universum veranlasst hat. Vielmehr bin ich der Überzeugung, dass das Universum etwas ist, was aufgrund der physikalischen Gesetze irgendwann einfach passieren muss.«

      »Und wer hat sich die Gesetze ausgedacht?«, merke ich an.

      Ich halte von dem Schöpfungsgedanken der Bibel auch nichts, aber in Haris Gegenwart bin ich gern der ewige Widersacher und suche Gegenargumente, obwohl ich eigentlich auf seiner Seite bin.

      »Manche behaupten, dass es unendlich viele Universen gibt, mit allen möglichen Parameterkonstellationen. Bei einigen sind die Parameter so kombiniert, dass das Universum gleich wieder kollabiert oder zu schnell auseinanderfliegt, bevor sich überhaupt komplexere Strukturen bilden können. Wir sind halt in einem, in dem die Parameter so sind, dass Zeit genug war für Sterne und Planeten. Nachprüfen lässt sich das aber nicht«, fügt er schnell hinzu, als ich schon zu einer Gegenfrage ansetzen will.

      »Okay, klingt plausibel, das löst das Schöpferproblem. Zumindest vorerst. Aber …«

      Ich mache eine dramatische Pause.

      »Was, aber?«

      »Aber wo kommt dieser übergeordnete ›Raum‹ her, in dem deine ganzen Universen aufploppen?«

      Ich deute die Anführungszeichen mit den Fingern an, weil ich weiß, dass mir Hari sonst sofort widerspricht. Raum und Zeit entstehen erst beim Urknall. Das ist jedenfalls die momentan amtliche Lesart.

      »Irgendjemand oder irgendwas muss doch festgelegt haben, welche Parameter überhaupt zur Verfügung stehen. Und selbst wenn du in verschiedenen Bereichen komplett andere physikalische Gesetze hättest: irgendeine gemeinsame Basis brauchst du, und die muss von außen kommen, wird dem Gesamtsystem quasi übergestülpt.«

      Hari nimmt einen tiefen Schluck aus seinem Glas, bevor er antwortet.

      »Ich habe mich schon gefragt, ob das alles hier« – er deutet um sich herum – »einfach Mathematik ist. Mathematik entsteht meiner Meinung nach fast aus sich selbst. Wenn du die Null und die Eins hast und weiterzählst, hat du die natürlichen Zahlen. Plus und minus, mal und geteilt und die höheren Rechenarten bauen alle aufeinander auf, da gibt es eigentlich keine logische Alternative. Behaupte ich.«

      »Ja gut, aber wie entsteht daraus ein Universum?«

      »So genau weiß ich das auch nicht, ist ja keine Theorie, nur eine Überlegung. Aber nimm die Zahlen, 1, 2, 3, und so weiter. Obwohl sie alle gleich aufgebaut sind, nach eins kommt zwei, nach zwei kommt drei, gibt es zum Beispiel Primzahlen, die nur an ganz bestimmten Stellen auftreten. Also im Grunde eine emergente Eigenschaft.«

      »Und du meinst, ganz vereinfacht ausgedrückt, dass so etwas wie ein Universum – oder sogar alle möglichen Universen – deshalb existieren, weil man zählen kann?«

      »Sehr, sehr vereinfacht ausgedrückt: ja.«

      »Aber brauchst du dann nicht trotzdem jemanden

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