Einmal mit der Katze um die halbe Welt. Martin Klauka
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Auf einer kleinen Holperstraße schlängelten wir uns den Berg nach Split hinunter. Tonči war noch nicht zu Hause, sodass ich mich entschied, schon einmal die Einkäufe zu erledigen, denn ich hatte mir vorgenommen, für meinen Gastgeber zu kochen. Weil es aber sicher auch hier nicht erlaubt war, Mogli einfach mit in den Supermarkt zu nehmen, musste ich mir etwas einfallen lassen. Ich legte meinen Rückenpanzer in einen Einkaufswagen, platzierte meinen Helm daneben und meine Jacke obenauf. So entstand eine kleine Höhle, in der ich Mogli verstecken konnte. Es klappte erstaunlich gut, nur an der Kasse schaute sie neugierig heraus. Doch die Kassiererin bemerkte sie nicht. Glück gehabt!
Tonči entpuppte sich als supernetter Kerl und seine Hündin Kira ließ Mogli, die sich einen erhöhten Aussichtspunkt gesucht hatte und sie mit riesengroßen Augen anstarrte, erst mal in Ruhe. Im Laufe des Abends wurde sie aber doch neugierig und rückte meiner Prinzessin Zentimeter für Zentimeter dichter auf die Pelle – bis sie in die Reichweite ihrer scharfen Krallen kam und jaulend aufsprang. Die Fronten waren geklärt.
Als Tonči uns gerade erzählte, dass er jede Menge Anfragen von Couchsurfern bekam, sich aber für Mogli und mich entschieden hatte, weil er unsere Reise so spannend fand, begann er auf einmal zu niesen. Seine Augen liefen rot an. Er war so fasziniert von Mogli gewesen, dass er glatt seine Katzenhaarallergie vergessen hatte. Er versicherte mir, dass alles kein Problem wäre, warf sich ein paar Antiallergika ein und wir mussten beide lachen.
Tonči führte Mariam, eine französische Couchsurferin, die ebenfalls gerade bei ihm übernachtete, und mich durch die Stadt. Wir besichtigten den 1700 Jahre alten Palast des römischen Kaisers Diokletian, aßen an seinem liebsten Dönerstand und stiegen zu einem Aussichtspunkt, von dem aus wir einen herrlichen Blick über Split hatten. Wir fühlten uns überhaupt nicht wie Touristen und ich freute mich darüber, dass meine erste Erfahrung mit Couchsurfing gleich eine so gute war. Am Ende hatte ich nicht nur kostenlos in dieser herrlichen Stadt übernachtet, sondern auch noch neue Freunde gewonnen.
DIE ERSTE PANNE
Nach zwei Nächten ging es sauber und erholt weiter. Ich wollte, obwohl es nicht auf direktem Wege lag, einen Abstecher ins benachbarte Bosnien-Herzegowina machen. Ich hatte diese Namen schon so oft gehört, wusste, abgesehen davon, dass es dort wohl noch immer viele Landminen gab – Überreste der Jugoslawienkriege –,fast nichts über dieses kleine Land. Zumindest hatte mir irgendjemand geraten, immer auf befestigten Wegen zu bleiben und keine Strecken jenseits der Straße zu erkunden.
Doch zuerst einmal kamen wir überhaupt nicht in das Land hinein. Bisher hatten wir an den Grenzen nur eine einzige kleine Kontrollstelle passieren müssen. Doch nun schien es ein Problem mit Mogli zu geben. Es war nur ein kleiner Grenzübergang und wir waren eigentlich schon fast durch, als Mogli sehr zum Erstaunen des Grenzbeamten neugierig ihren Kopf aus dem Tankrucksack streckte. Der Mann traute seinen Augen nicht, und weil er weder zu wissen schien, welche Gesetze galten, noch ein Lesegerät für Moglis Chip hatte, schickte er uns sichtlich verwirrt zum nächstgrößeren Grenzübergang. Der war zum Glück nicht weit entfernt und dieses Mal sollte es klappen. Niemand wollte Moglis Pass sehen und in meinen eigenen gab es interessanterweise auch keinen Stempel. Egal! Wir hatten die Grenze hinter uns gelassen und waren in Bosnien-Herzegowina, dem vierten Land unserer Reise.
Ich hatte keine Ahnung, wohin wir überhaupt fahren sollten, und so plante ich einfach mal eine Route Richtung Osten, ins Landesinnere. Irgendetwas würde sich schon ergeben. Wie immer mied ich Autobahnen und große Straßen und daher fanden wir uns schon bald tief inmitten endloser Wälder im Bosnischen Erzgebirge wieder. Asphalt hatte ich schon seit ein paar Stunden nicht mehr gesehen. Stattdessen kämpften wir uns auf ausgewaschenen, holprigen und rutschigen Waldwegen dahin.
Mogli war zu meinem Erstaunen extrem gelassen. Einmal versuchte sie sogar, sich während der Fahrt zu putzen. Ich musste mir das Lachen verkneifen, als ich sah, wie sie wiederholt mit der Zunge ihre Pfoten verfehlte, weil die Königin unter uns so »herumhüpfte«. Kleiner Sturkopf! Sie hätte doch auch einfach warten können, bis wir wieder auf einer besseren Straße waren.
Nach 200 Kilometern erreichten wir im Dunkeln endlich die kleine Stadt Fojnica. Sosehr ich es genossen hatte, stundenlang durch die Wälder zu fahren, war ich doch froh, wieder in der Zivilisation angekommen zu sein. Wir verbrachten fast eine Stunde mit der Suche nach einem Platz für unser Zelt, bis ich mich am Ende mit einem Fleckchen zwischen ein paar leer stehenden Lagerhallen in einem verlassenen Industriegebiet zufriedengab. Es war nicht perfekt, erfüllte jedoch die wichtigsten Kriterien: Wir waren versteckt und es gab genügend sichere Plätze für Mogli. Jetzt hieß es nur noch schnell den Proviant aufstocken und dann … Und dann sprang der Motor nicht mehr an. Auch das noch!
Ich hatte nicht realisiert, dass durch die langsamen und mühsamen Waldwege der Kühlerventilator ständig gelaufen war und zusätzlich Strom verbraucht hatte. Zudem hatte ich auch noch alle Lichter eingeschaltet und nebenbei Telefon und Powerbank geladen. Das war dann wohl zu viel des Guten gewesen. Doch wo sollte ich jetzt meine Batterie aufladen? Eine Ladegerät hatte ich nicht dabei und ich brauchte eine Steckdose.
Ich erinnerte mich, dass ich ein paar Hundert Meter entfernt ein Wirtshaus gesehen hatte. Dort könnte ich, wenn ich schon auf die Batterie warten musste, wenigstens ein Bier trinken. Und irgendwo musste ich schließlich anfangen zu suchen.
Ich legte den zweiten Gang ein, schaltete die Zündung ein und schob die dicke Königin auf der geraden Straße an. Zum Glück fiel sie nicht um und so fuhr ich zu dem Wirtshaus mit dem treffenden Namen »Pub Riverside«. Noch während ich mein Motorrad abstellte, wurde ich vom Inhaber begrüßt. Er hieß Daniel, sprach zu meiner Überraschung Deutsch und versprach mir, gleich ein Ladegerät zu organisieren. Nur von meinem Plan zu campen riet er mir ab. Es gebe hier Wölfe und Bären, aber wenn ich wollte, dürfte ich mein Zelt im Garten des Wirtshauses aufbauen. Bis dorthin würden die wilden Tiere sich normalerweise nicht trauen. Ich war perplex: Über gefährliche Wildtiere hatte ich mir bisher keinerlei Gedanken gemacht. Es war mir einfach nicht in den Sinn gekommen, dass ich mich in Europa vor etwas anderem in Acht nehmen müsste als vor Wildschweinen und Schlangen. Vor einer Kneipe zu schlafen und nicht von Bären gefressen zu werden waren eindeutige Pluspunkte – und meine Batterie lud auch schon. Dankend nahm ich Daniels Einladung also an und verbrachte einen schönen Abend mit ihm und ein paar seiner Freunde. Er bestellte Pizza und bestand darauf, sie zu bezahlen. Nur für das Bier musste ich selbst aufkommen. Ich war wieder einmal überrascht von der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, die Mogli und ich überall erfuhren. Seitdem denke ich nicht mehr zuerst an Krieg, wenn es um Bosnien-Herzegowina geht, sondern die Menschen, die ich dort kennenlernen durfte.
»Meine Maschine war schwer beladen. Doch die eindeutig wertvollste Fracht fuhr im Tankrucksack mit: Mogli.«
SIGHTSEEING? FEHLANZEIGE!
Am nächsten Tag war die Batterie geladen, sodass wir uns nach dem Frühstück weiter Richtung Süden aufmachen konnten. Die Straßen wurden nun noch kleiner und ich sorgte mich ernsthaft, dass noch einmal irgendetwas etwas schiefgehen könnte. Wir hatten am Vortag Glück gehabt, es war also besser, es jetzt nicht zu übertreiben. Ich verließ die geplante Route und folgte einem anderen Weg. Er war zwar auf keiner Karte eingezeichnet, sah aber besser aus und führte in Richtung einer größeren Straße. Inmitten dichter Rauchschwaden nahe gelegener Waldbrände bahnten wir uns unseren Weg durch die wunderbaren, aber manchmal unwirtlichen Wälder. Nach ein paar Stunden stießen wir tatsächlich auf die gut ausgebaute Hauptstraße. Mogli konnte es wohl nicht glauben,