Einmal mit der Katze um die halbe Welt. Martin Klauka
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Mazedonien war das bisher ärmste Land unserer Reise. Ich sah bedeutend weniger teure Autos und viele Häuser wirkten heruntergekommen. Die Straßen reichten von holprig bis hin zu gut ausgebaut, aber selbst dann waren sie oft schon so spiegelglatt, dass sie, besonders bei Nässe, keine Haftung boten.
Wir folgten dem »Schwarzen Drin«, vorbei am Debar- und Globočicasee und erreichten noch vor Sonnenuntergang unser Tagesziel: den Ohridsee. Auf der Suche nach einem geeigneten Campingplatz entdeckte ich neben einem der Zelte auf einmal eine alte BMW R1150 GS, das gleiche Motorrad, auf dem Ewan McGregor, Charley Boorman und Claudio von Planta 2004 von London Richtung Osten bis nach New York gefahren waren. Die komplette Reise wurde damals inklusive der Vorbereitungen dokumentiert, unter dem Namen »Long Way Round« als Serie veröffentlicht und war mittlerweile ein Klassiker. Und genau das war, wie sich später herausstellte, auch der Grund, warum sich Mike, der Besitzer, für dieses Modell entschieden hatte.
Genau hier wollte ich mein Zelt aufschlagen. Ich war gespannt auf den Menschen und die Geschichten hinter dem Motorrad, immerhin befanden wir uns auf einem kleinen Campingplatz in Mazedonien – in the middle of nowhere.
Noch bevor Mogli aus ihrem Rucksack kroch, hatte ich schon einen Kaffee und einen Rakija in der Hand, was hier die übliche Begrüßung zu sein schien, und genauso schnell kam ich auch mit Mike und seiner Frau Maureen ins Gespräch. Die beiden waren gemeinsam auf dem Motorrad unterwegs und erkundeten jedes Jahr eine andere Ecke der Welt, während daheim in Schottland zwei Stubentiger sehnlichst auf ihre Rückkehr warteten. Als Mike und Maureen Mogli entdeckten, trauten sie ihren Augen kaum.
Meine Prinzessin ihrerseits war froh über den kurzen Tag auf der Maschine und spulte bereits ihre Routine für neue Orte ab: Zuerst suchte sie ein sicheres Versteck – am besten eins in der Nähe, mit gutem Überblick und mit mindestens zwei Fluchtmöglichkeiten. Danach beobachtete sie die Umgebung und hielt nach potenziellen Gefahren Ausschau. Zu guter Letzt schaute sie sich nach einem zweiten strategischen Punkt um und suchte dabei alles nach Duftmarken anderer Tiere ab. Ich wusste mittlerweile, dass ihr diese Rückzugsorte während des gesamten Aufenthalts als Basis dienten und sie in der Regel immer in deren Nähe blieb. So hatte ich unterwegs oft eine Ahnung, wo Mogli gerade sein könnte, oder zumindest in welche Richtung sie gegangen war.
Beim gemeinsamen Abendessen entschlossen Maureen, Mike und ich uns dazu, am nächsten Morgen denselben Campingplatz in Albanien anzusteuern. Mike und Maureen wollten vor mir losfahren, sie waren in der Früh schneller als wir, dafür aber langsamer auf der Straße. Zudem wollten sie eine andere, einfachere Route einschlagen als ich. In guter alter BMW-Fahrer-Manier hatten sie nämlich neben den wichtigen Sachen wie Werkzeug, Ersatzteilen, Zelt oder Kocher auch Campingstühle samt Tisch eingepackt. Zudem war ihr Zelt größer und schwerer als meins. Zwei Leute benötigten natürlich auch mehr persönliche Sachen, ganz zu schweigen von dem Gewicht der zweiten Person und dem Platz, den sie benötigte.
Ich fragte mich ernsthaft, wie Mike und Maureen es überhaupt schafften, alles auf einem einzigen Motorrad unterzubringen. Aber irgendwie gelang es ihnen und so machten sie sich auf den Weg, während ich noch nach Mogli suchte. Die war nämlich nach dem Frühstück plötzlich weg.
Ich schnappte mir die Dose mit Leckerlis und machte mich rufend und Dosen schüttelnd auf die Suche – unterstützt von anderen Campern, die sich beinahe mehr Sorgen um Mogli machten als ich selbst. Ich fand meine Prinzessin schließlich in einer Nische auf dem überdachten Balkon des Restaurants und so konnten auch wir endlich starten. Es sollte wieder einmal ein langer Tag werden.
Zunächst waren die Straßen wunderschön, mal abgesehen von den Ölflecken, die vor allem in den Kurven auf dem spiegelglatten Teer lauerten. Wegen ihnen war ich in den Kurven immer ein wenig angespannt und tatsächlich rutschte mir das Hinterrad ein paarmal leicht weg. Es ging zum Glück trotzdem alles gut und selbst die albanische Grenze passierten wir zügig und unbürokratisch. Nun aber rächte sich meine Streckenwahl und wir fanden uns auf kleinen, stark beschädigten Straßen oder sogar ungeteerten Holperpisten wieder, mussten warten, bis Hirten ihre Ziegen- und Schafsherden über die Straße getrieben hatten, oder den Schäferhunden ausweichen, die bellend auf uns zu rannten. Viele Touristen kamen hier vermutlich nicht vorbei, denn die Leute, die uns sahen, ließen meist alles stehen und liegen und starrten uns verblüfft an. Dabei hatten sie Mogli noch nicht einmal entdeckt.
Nach ungefähr acht Stunden erreichten wir völlig durchgeschüttelt und -gerüttelt die Küste. Für einen Moment dachte ich, ich hätte mich verfahren und wäre irgendwie an der Côte d’Azur gelandet: Strandpromenaden, teure Villen und schicke Hotels, so weit das Auge reichte. Ich fragte mich, ob das wirklich noch das gleiche Land war, das wir gerade auf Holperstraßen durchquert hatten.
Die restlichen 80 Kilometer bis zu unserem Campingplatz waren einfach ein Traum. Ich fuhr im Sonnenuntergang durch den Llogara Nationalpark und beobachtete, wie sich die Wolken mühsam ihren Weg die Klippe hinauf und über die Straße bahnten.
Maureen und Mike waren schon lange da, als wir endlich ankamen, und nachdem unser Zelt aufgebaut war, stießen wir auf unser Wiedersehen an. Sie hatten aus Schottland Scotch in winzigen Reiseshampoofläschchen mitgebracht und nun brachten sie mir bei, wie man ihn richtig trank. Bis dahin mochte ich Whiskey eigentlich nur gemixt mit Cola, sonst brannte er mir immer viel zu sehr auf der Zunge. Mike erklärte mir aber, der Trick sei, ein paar, aber wirklich nur ein paar Tropfen Wasser hinzuzufügen – und tatsächlich wurde der Whiskey dadurch um einiges weicher. Viel Gelegenheit, mehr davon zu probieren, hatte ich aber leider nicht. Schon nach der zweiten Runde waren die winzigen Fläschchen leer. Ich fiel trotzdem glücklich ins Bett – und erledigt.
Den nächsten Tag ließen wir es ruhig angehen. Es war schon acht Tage her, dass Mogli und ich mehr als eine Nacht an einem Ort verbracht hatten. Wir hatten dringend eine Auszeit nötig. Außerdem wollte ich ein paar Dinge erledigen: die Boxen am Motorrad aufräumen, die Kette spannen und ölen, den Ölstand prüfen …
Nach dem Frühstück aber war Mogli weg. Ich machte mir Sorgen, dass sie in einem der abfahrenden Wohnmobile eingesperrt sein könnte, und bat alle Gäste nachzuschauen. Keiner hatte sie gesehen, aber jeder hielt nun Ausschau nach ihr. Doch obwohl der Suchtrupp immer größer wurde, fehlte jede Spur von Mogli. Langsam wurde ich nervös. Ich stellte mir vor, dass sie verängstigt in einem fremden Wohnmobil saß und für immer verloren war. Was für eine fürchterliche Vorstellung! Ich hatte Mogli in der kurzen Zeit näher an mein Herz gelassen als irgendjemand anderen und der Gedanke, sie zu verlieren, war schier unerträglich.
Nachdem ich über vier Stunden erfolglos nach ihr gesucht hatte, tauchte die Prinzessin wie aus dem Nichts und völlig unerwartet auf. Verschlafen taumelte sie auf mich zu. Mir fielen wieder einmal unzählige Steine vom Herzen und auch die anderen Gäste waren sichtlich erleichtert und froh über ihre Rückkehr. Nur wo sie die ganze Zeit über gesteckt hatte, sollte ich nie erfahren.
Dass der nächste Tag komplett verregnet war, störte mich nicht. Ich war sogar froh darüber und gönnte mir gemeinsam mit Mogli einen ausgedehnten Mittagsschlaf.
Die Erholung tat uns gut und die Zeit verging wie im Flug. Als wir nach der dritten Nacht wieder abfahrbereit waren, versammelten sich all unsere neu gewonnenen Freunde, winkten und wünschten uns eine gute Reise. Es war herzerwärmend!
Bevor wir uns jedoch auf den Weg machten, hatte ich noch mein erstes Radiointerview. Eine Tageszeitung aus Dubai hatte kurz zuvor über unsere außergewöhnliche Reise berichtet und ich hatte daraufhin mehrere Anfragen von Radiostationen, Tageszeitungen und Onlineportalen erhalten.
Ich war an diesem Morgen schon bei Sonnenaufgang