Pistengeier: Berlin Turbo #9. Glenn Stirling

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Pistengeier: Berlin Turbo #9 - Glenn Stirling

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und schnarchte. Natürlich, das Schnarchen, das war das andere Geräusch gewesen. Und die Warnblinkanlage.

      Erschrocken schaute Klaus nach vorn. Sie standen auf der Standspur. Es war heller Tag, die Sonne schien.

      Mein Gott, was ist denn nun passiert!, dachte Klaus fieberhaft. Hat er was am Motor?

      „Hei, Penner“, rief Klaus, „wieso steht der Zug?“

      Paul brauchte eine ganze Weile, bis er wach wurde. Dann gähnte er und riss dabei den Mund weit auf, blickte schlaftrunken auf Klaus und fragte mürrisch: „Was schreist du herum? Was ist denn nun wieder los?“

      „Wieso steht der Zug? Warum fährst du nicht?“

      „Ich war müde, verdammt noch mal! Soll ich uns die Böschung runterjagen? Ich musste anhalten.“

      „Auf der Standspur? Bist du verrückt geworden? Konntest du nicht wenigstens bis zu einem Parkplatz fahren oder mich wecken?“

      „Ich wollte dich nicht wecken. Ich dachte, dann spielt er wieder verrückt, also lass ich ihn pennen. Wenn ich müde bin, muss ich schlafen. Ich kann nicht fahren, wenn ich müde bin.“

      „Du hast doch die ganze Zeit gepennt. Du hast gesägt, als wolltest du die Wälder von Kanada abholzen, verdammt noch mal! Und jetzt bist du schon wieder müde?“

      „Kann ich was dafür? Es ist eben so.“

      „Super! Weißt du was, wie wäre es, wenn ich dir von dem Geld, das ich habe, so viel gebe, dass du nach Hause fahren kannst? Mit dem Zug natürlich.“

      Paul grinste. „Das meinst du doch nicht wirklich.“

      „Genau das meine ich. Wir haben eine Terminfracht. Erst dieser Wahnsinnsumweg, dann legst du Schwachkopf dich hin und pennst!“

      „Ich habe nicht gelegen, verdammt noch mal, und ich bin müde gewesen. Ich frage dich noch mal, ob es dir lieber ist, die Böschung heruntergejagt zu werden.“

      „Ist das vielleicht ein Standpunkt“, entfuhr es Klaus. „Mensch, was bist du für ein Heini!“

      „Nun reiß bloß das Maul nicht so weit auf. Du bist hier nicht in Deutschland, wir sind in Frankreich.“

      „Und, was macht den Unterschied?“

      „Ganz einfach“, sagte Paul. „In Deutschland, da kann ich mir nichts zuschulden kommen lassen, verstehst du? Aber hier, hier könnte ich dir auch ein paar in die Fresse hauen, das, was du mir angedroht hast. Denk bloß nicht, dass ich vor dir Angst habe!“

      „Und das auf meinem Bock“, meinte Klaus kopfschüttelnd. „Weißt du, noch habe ich das Sagen hier. Wir fahren jetzt bis Besancon oder wo immer wir sind. Ich nehme an, du bist nicht mehr weit gefahren. Wie lange stehen wir hier schon?“

      „Weiß ich doch nicht.“

      „Und wo sind wir? Wir sind doch noch mitten in den Vogesen.“

      „Kann ich dafür? Ich hab’ sie nicht dahin gepflanzt“, meinte Paul aufsässig.

      „Gut. Ganz einfach, nächste Abfahrt ist unsere. Und irgendwo ist eine Stadt, da steigst du aus, Bruder! Und dann kannst du, ganz gleich wie, nach Hause fahren, zurück nach Berlin. Ich will dich jedenfalls nicht mehr auf dem Bock haben.“

      Paul grinste ihn an.

      „Meinst du wirklich, dass ich da mitspiele?“

      „Ich bin sogar fest überzeugt davon, dass du mitspielst“, versicherte ihm Klaus.

      „Vertu dich mal bloß nicht!“, erwiderte Paul. Dann schob er sich den Ärmel am rechten Unterarm hoch. Da war eine Tätowierung. „Weißt du, was das ist?“, fragte er. Klaus schaute noch nicht einmal hin. Und Paul fuhr fort: „Ich war in der Legion. Weißt du, was das ist? Fremdenlegion.“

      „Na wunderbar, dann sprichst du ja wenigstens französisch“, meinte Klaus. „Dann weißt du ja auch, wie du gut heim findest.“

      „Ich bin noch nicht zu Ende mit meiner Geschichte“, meinte Paul. „Bei der Legion lernt man eine Menge. Sie stellt große Anforderungen an einen. Ich war fünf Jahre da. Dann bin ich zurückgekommen. Da ist noch eine alte Geschichte gewesen. Ich habe das mit dem Gericht in Ordnung gebracht, habe aber Bewährung. Deswegen muss ich in Deutschland kleine Brötchen backen, verstehst du? Aber jetzt bin ich in Frankreich. Und für die Franzosen ist das schon was, wenn man fünf Jahre in der Legion abgerissen hat, verstehst du? Überleg dir das! Freiwillig kriegst du mich jedenfalls nicht von diesem Bock. Ich muss die Arbeit behalten. Ich gebe zu, ich bin ein bisschen aus der Übung. Bei der Legion habe ich Dreiachser GMC gefahren, auch schon mal einen Berliet, Militärfahrzeuge. Ich wollte dir das nicht auf die Nase binden. Aber wo es jetzt um so was geht, kannst du das ruhig wissen. Die haben mich vor fünfeinhalb Jahren drankriegen wollen, weil ich angeblich ein paar Pakete mit Zigarren geklaut hätte. Das waren Davidoff-Zigarren, das Stück für sechs Mark. Die ganze Geschichte hatte einen Wert von etwas über zehntausend Mark. Das wollten sie mir anhängen. Ich hatte mit den Zigarren nichts zu tun. Es gab aber ein paar Stinker, die behaupteten, sie hätten mich dabei gesehen, wie ich das Zeug vom Hänger geholt hätte. Damals war ich Beifahrer. Der Erste Fahrer war ein Schweinepriester. Er konnte mich auch nicht leiden. Jedenfalls wollten die mich verknacken. Da habe ich die Mücke gemacht, bin nach Frankreich, bin zur Legion. Aber schließlich hat man im Ausland irgendwann einmal die Schnauze voll. Und ich dachte, fünf Jahre sind eine lange Zeit, da könnte schon Gras drüber gewachsen sein. War aber nicht. Da habe ich mich gestellt. Vor sechs Wochen habe ich das Urteil bekommen.“

      „Und ich habe gedacht, du warst bei Schenker, das haben sie erzählt.“

      „War ich auch, aber nur vierzehn Tage, nicht zum Fahren, zum Auf- und Abladen. Luftfracht, verstehst du? Berlin Tegel, manchmal auch Tempelhof, auf alle Fälle Knochenschinderei. Und da habe ich mich beworben, bei Schalupke, na ja, und den Job will ich behalten. Du machst mir das nicht kaputt. Du hast gar keine Ahnung, was bei mir in der letzten Zeit los war. Die haben mir die Prozesskosten angehängt. Wenn ich die nicht bezahle, muss ich in den Knast. Ich will nicht in den Knast. Wenn sie mich schon verdonnern für etwas, was ich gar nicht getan habe, dann will ich wenigstens in Freiheit bleiben. Um das für die Prozesskosten bezahlen zu können, habe ich in zwei Schichten gearbeitet. Auf dem Flughafen für Schenker und nachts Musik gemacht in einer Disco. Ich bin fix und fertig, verstehst du? Und deshalb wurde ich müde. Das wird sich legen, das ist jetzt am Anfang noch. Ich bin das einfach noch nicht wieder so gewöhnt, am Steuer zu sitzen.“

      „In anderen Worten“, meinte Klaus, „du hast überhaupt keine Erfahrung auf dem Bock, jedenfalls nicht im Fernverkehr.“

      „Doch, habe ich schon. Damals, als sie mich reinlegen wollten und ja auch reingelegt haben, mit diesen Scheißzigarren, da bin ich Fernverkehr gefahren. Aber weißt du, hier hat sich viel geändert in fünf Jahren. Es ist ja sogar noch länger als fünf Jahre. Das muss erst mal einer begreifen. Dir ist das alles Gewohnheit geworden, für mich ist vieles neu.“

      „Warum, zum Teufel, hast du mir nicht die Wahrheit gesagt, du verdammter Arsch! Hättest du gesagt, das und das ist mit mir ...“

      Paul lachte wild auf.

      „Was wäre dann gewesen? Du hättest sofort mit deiner Chefin telefoniert und gesagt, diesen Knastologen willst du nicht.“

      Klaus

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