Katholisch...oder?. Oliver Grudke

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Katholisch...oder? - Oliver Grudke Killer Tal Krimi Reihe

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Herrn sei Dank! Sie sind zu Hause!“, schrie der Mann, den Alex auf Ende fünfzig, Anfang sechzig schätzte. Der Pfarrer drückte die Tür weiter auf und trabte direkt in das Wohnzimmer, wo Rita nackt unter einer Fließdecke lag, und setzte sich in den Sessel, welcher Rita gegenüberstand.

      Dr. Kanst war noch immer sprachlos und hetzte hinter dem Pfarrer her, welcher sich die ganze Zeit mit einem kleinen weißen Tuch über die Stirn wischte.

      Er schwitzte.

      Und kaum war er in den Sessel gefallen, war er schon wieder aufgesprungen und streckte seine rechte Hand zum Gruß aus. Er hatte Rita entdeckt.

      „Ja grüß Gott, Frau Ketterer! Schön, Sie zu treffen! Wie geht es Ihnen? Und Ihrem Mann?“

      „Gut! Bin mal kurz im Bad!“, sagte Rita und wackelte in die Fließdecke gehüllt ins Bad.

      „Können Sie mir mal erklären, wieso Sie mich heute Nachmittag belästigen?“, sagte ein fluchender Alex Kanst in seinem besten mürrischen Ton?

      „Ich brauche ihre Hilfe!“, stammelte der Pfarrer, der so gar nicht recht bei Sinnen zu sein schien.

      „Ciao, Alex! Den Rest nehme ich das nächste Mal mit!“ Rita winkte leicht mit dem Zeigefinger, zeigte auf den silberfarbenen Slip und war schon zur Tür raus.

      „Rita, warte!“, rief Dr. Kanst noch hinterher, doch es war ihm sofort bewusst, dass dies heute keinen Zweck mehr hatte. Umso mehr war er auf eine Erklärung gespannt und bereit, dem Pfarrer genau eine Minute zwanzig dafür zu gewähren, denn nach dieser Zeit würde der ungebetene Gast sehr unsanft aus dem neuen Haus fliegen.

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      Der Pfarrer wischte sich immer noch die Stirn ab. Gut, draußen hatte es, wenn es hochkam, drei Grad über null, aber hier drinnen mindestens dreißig! Es sollte ja warm und gemütlich sein. Erotisch! Und nun saß ein schwitzender katholischer Pfarrer auf dem Sofa von Alex Kanst, wo eigentlich gerade Rita ihren Höhepunkt bekommen sollte.

      Auch war sich Dr. Kanst sicher, dass dieser Pfarrer nicht wegen der Hitze des Kaminfeuers schwitzte.

      „Ich, ich … ja, wo soll ich bloß anfangen?“, stammelte der Pfarrer.

      „Mit ihrem Namen!“, brummte Alex und trank den Rest der Torro-Flasche auf einmal aus.

      „Ach ja, mein Gott, wie unhöflich! Was müssen Sie jetzt über mich denken? Sicher denken Sie jetzt das Falsche!“, stammelte der Priester weiter.

      Alex hielt es nicht für psychologisch gut, dies, was er jetzt dachte, dem Pfarrer zu offenbaren und ertappte sich beim Kopfschütteln.

      „Gott sei Dank! Es wäre mir nicht recht, wenn sie einen falschen Eindruck bekämen und wie ich noch einmal betonen möchte, möchte ich einen normalen Eindruck erwecken, wenngleich die Situation und der Grund meines Erscheinens nicht normal sind.“

      „Bitte kommen Sie zum Wesentlichen!“ Dr. Kanst versuchte professionell zu bleiben, wenngleich alles in ihm kurz vor einem Wutausbruch stand.

      Doch das wollte er nicht. Schon seit langem wollte er niemandem mehr sein Innerstes zeigen. Damit hatte er sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Professionelle Distanz und innere Beherrschtheit waren seine größte Stärke und oft seine Waffe im täglichen Kampf gegen die asoziale Dummheit oder die Obere-Klassen-Arroganz. Dies erinnerte ihn an seinen Pfarrer in seiner Zeit als Kommunionkind und den Kanon: … wer sich selbst bezwingt, ist ein König!

      Damit lag er immer vorn! So würde es auch heute sein und bleiben, selbst, wenn die von ihm gesetzte Frist von einer Minute zwanzig bereits weit überschritten wurde.

      Seine Gefühle offenbarte er nur ihr. So wie sie ihre ihm. Ein sehr gutes Arrangement, wie Alex Kanst fand. Und plötzlich wuchs in ihm das Gefühl nach Sehnsucht nach ihr. Zu lange wehte das Banner des Fürsten oben im Schloss. So lange wie noch nie! Selbst nach diesem sehr persönlichen Fall im Sommer hatte er sie nicht treffen können. Ja, er konnte sie nicht einmal anrufen.

      Und was tat er stattdessen? Hatte er Sex? Nein! Er saß hier und hörte an einem Sonntagmittag dem wirren Gesabber eines alternden Theologen zu.

      Wollte er das?

      Hatte er das nötig?

      Nein!

      Und es verstieß gegen den Grundsatz: keine Geschäfte im neuen Haus! Nie! Unter keinen Umständen.

      „Gut, ich verstehe Sie! Sicher haben Sie recht! Deshalb rate ich ihnen zu folgenden Kollegen!“ Dr. Kanst drücke dem Pfarrer mit der Linken einen Zettel in die Hand und mit der Rechten schob er ihn aus dem Haus.

      „Rumms!“ Die Tür war zu und einige Sekunden später auch die Klingel aus.

      Dann war es still! Zu still im neuen Haus! Auch die Klänge der bezaubernden bretonischen Sängerin waren verstummt.

      Hatte der Pfarrer noch etwas gesagt?

      Hatte er überhaupt noch etwas gesagt? Seinen Namen, den Grund der Störung an einem Sonntag?

      Dr. Kanst wusste es nicht genau, da er nicht hingehört hatte. Es hatte ihn nicht interessiert!

      Der Regen prasselte nun noch stärker an die Scheiben im Wohnbereich und Alex Kanst wusste nicht so recht, wie er dem Sonntag noch einen Sinn verleihen könnte. Sicherlich würde er heute allein bleiben müssen.

      Da piepste sein Handy!

      Er hatte eine SMS bekommen!

      Nichts! Keinen Ton brachte er heraus und alle starrten ihn an. Stumm, als müsste er als Einziger singen. Er wollte auch singen, doch es kam kein Ton aus seiner Kehle.

      Nichts!

      Zur Ablenkung und als Beruhigungsversuch blätterte er in seinem Gotteslob. So als würde er etwas suchen. So als wüsste er nicht, welches Lied gesungen würde. Oder so als würde er es suchen, denn die leuchtenden Ziffern an der Liedanzeige gaben den Weg vor. Jetzt holte er tief Luft, gleich würden die Töne erklingen und alle Augen würden nicht mehr auf ihn, sondern auf die Noten in den Gesangsbüchern geheftet sein. Nur einen Augenblick war er davon entfernt, nicht mehr im Rampenlicht der mahnenden Augen zu stehen.

      Nichts!

      Das konnte doch nicht sein, das durfte doch nicht sein! Wieso konnte er nicht mehr singen? Er kannte das Lied doch fast auswendig. Schon oft wurde es in den von ihm besuchten Gottesdiensten gesungen. Zu oft, sodass man es auswendig kennen musste. Doch dies war ja nicht das Problem. Nicht der Text, nicht die Melodie, nein, auch nicht die Noten waren das Problem. Es musste etwas mit seinen Stimmbändern zu tun haben. Die funktionierten schlichtweg nicht mehr. Gerade hatte er doch noch gesungen!

      Hatte er? Er war sich nicht sicher und bemerkte jetzt, dass er zu schwitzen begann. Kleine Rinnsale liefen seine Wange herunter.

      Warum stand er überhaupt hier? Wollte er singen? Musste er singen? In einer Kirche? Heute? War denn ein besonderer Tag? Weihnachten? Ostern? War jemand gestorben? Jemand, den er kannte, ja mochte?

      Nichts!

      Kein Gedanke konnte ihm die Antwort liefern, doch der Drang zu singen wurde immer größer und so empfand er, könnte er diese

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