Katholisch...oder?. Oliver Grudke
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Читать онлайн книгу Katholisch...oder? - Oliver Grudke страница 4
Der neue VW Tiguan fuhr auf die Landstraße in Richtung Hechingen. Lange war er immer den Umweg gefahren, doch nun fuhr er schon einige Monate wieder durch sein Heimatdorf, vorbei an seinem alten Haus aus einem anderen Leben und irgendwie aus einer anderen Zeit.
Es machte Dr. Kanst nichts mehr aus, fast fühlte es sich surreal an, als hätte es diese früheren Leben nie gegeben. Er war anders, schon fast neugeboren worden.
Und doch fand sein Blick nie das alte Haus wieder. Immer suchte dieser etwas zur Ablenkung. Sei es das Radio, sei es der Blick auf ein anderes Haus oder, wie heute, suchte er den Hebel für die Scheibenwaschanlage.
Vor ihm fuhr ein kleines rotes Auto, Dr. Kanst vermutete einen Japaner, doch dies war ja auch nicht wichtig.
Es war nur lästig! Lästig war, wie langsam der oder vermutlich war es eine sie oder am ehesten jemand aus der Gruppe der Senioren fuhr.
Nun hatte er es wieder getan. Er schob Unbekannte in vorgefertigte Schubladen. Genau das war es, was er ablehnte. Eigentlich! Er war ein Verteidiger der Individualität und der Freiheit des Denkens und Tuns eines jeden. Eigentlich! Doch nicht an einem nebligen Montagmorgen. An dem er schon zu spät war und der kleine rote Wagen ihm immer die Frontscheibe vollspritzte.
Plötzlich klingelte sein Handy.
„Kanst!“, sagte er barsch über die Freisprechanlage und hatte schon lange gesehen, dass es die Praxis war, welche anrief, und somit Tina.
„Hi, Chef! Habe die Termine bereits um zwanzig Minuten nach hinten verschoben und Herr Müller mit einem Kaffee und einem Motorradmagazin ruhiggestellt“, sagte Tina.
„Danke, du bist ein Schatz!“, sagte Dr. Kanst.
„Ich weiß, und hoffentlich flüsterst du mir dies bald mal wieder ins Ohr!“, sagte Tina schon fast singend.
„Versprochen!“
„Tschüüüüss!“
Nach zwölf Kilometern öffnete sich das ansonsten so enge Tal und gab den Blick auf Hechingen und seine schöne mittelalterliche Altstadt frei. Aber auch auf die Burg, welche Hechingen und irgendwie die ganze Gegend überthronte.
„Mist!“, murmelte Dr. Kanst und seine Laune war noch etwas tiefer gesunken. Eigentlich wollte er an diesem Morgen nicht hochsehen, und doch hatte er im linken Augenwinkel die Fahne gesehen. Ein Zeichen, dass der Fürst im Hause war und SIE für ihn damit unerreichbar. Immer noch!
Erst jetzt bemerkte er, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit weit überschritten hatte. Dies passierte ihm eigentlich nur selten. Was auch dazu geführt hatte, dass er als Inhaber eines Führerscheines seit 29 Jahren noch nicht einen Bußgeldbescheid für das zu schnelle Fahren bekommen hatte.
Dr. Kanst bremste seinen Tiguan herunter, bis die Tachonadel die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 100 km anzeigte.
Er hatte seine innerliche Beherrschung verloren. Doch dazu hatte er nach seiner eigenen Überzeugung auch allen Grund. Fast ein Dreivierteljahr konnten sie sich nicht mehr treffen. Immer war dieser Fürst auf seinem Schloss.
Nicht einmal mehr an ihren Duft konnte er sich noch recht erinnern. So konnte es nicht weitergehen.
Montage waren einfach nicht seine Sache.
Vielleicht etwas zu schnell war er in die Fußgängerzone eingebogen. Natürlich musste sofort einer diese komplett in orange gekleideten Bauhofmitarbeiter ihm einen sehr energischen Blick zuwerfen und eine beschwichtigende Handbewegung hinterherschieben.
Der ganze Marktplatz wimmelte von Leuten in orange.
„Was machten die an einem so trüben Tag hier?“, fragte sich Alex Kanst und sogleich bekam er die Antwort, als einer dieser Typen in orange einen Fichtenbaum an seinem Tiguan vorbeizog.
Natürlich wurde bereits die Weihnachtsdekoration aufgestellt. Jedes Jahr früher. Sicher würden die es früher oder später gleich im September aufbauen, so konnte man die Stimmung länger halten oder aber sie völlig ruinieren.
Plötzlich fiel ihm das Schild Katholisches Pfarramt auf.
Oh ja, dass musste er auch noch erledigen. Irgendwie war es ja wichtig und er hatte es Rita versprochen. Also am besten gleich und jetzt.
„Mist!“ Natürlich gab es keinen freien Parkplatz und Alex Kanst fuhr komplett durch die Fußgängerzone, vorbei am Stadtschloss und zurück zur Einfahrt der Fußgängerzone. An guten Tagen konnte man so Stunden verbringen, ohne zu einem Parkplatz zu kommen.
Nicht er und nicht heute! Quietschend kam er direkt vor dem Eingang des Katholischen Pfarrbüros auf einem Behindertenparkplatz zum Stehen.
Sportlich schwang er sich aus seinem Sitz und bemerkte die eklige nasskalte Luft, welche ihm entgegenströmte.
Solche Tage hatte er auch schon in seiner beruflichen Tätigkeit als Forstingenieur nie leiden können. Doch seit diese Tage vorbei waren, kam es ihm so vor, als würde er diese Art von Wetter immer schlechter ertragen können.
Doch es gab eben nicht nur sonnige Tage.
Er würde nur ein paar Minuten brauchen, und dann schnell in die Praxis. Tina konnte seine Patienten ja nicht unbegrenzt umschichten.
„Aua, was für eine Sche…!“ Dr. Kanst unterdrückte das Fluchwort und rieb sich die Stirn. Das würde sicherlich eine dicke Beule geben und bestimmt der Auslöser für einen Migräneanfall sein.
Dr. Kanst war mit voller Wucht auf die geschlossene Tür des Katholischen Pfarramtes aufgeschlagen.
Geschlossen? Alex Kanst schaute auf seine Uhr. Es war viertel nach neun. Schon sehr spät für seine Patienten. Sicherlich müsste Tina einigen absagen. Dazu nahm er immer die, deren Termin in der Mitte des Tages lag, so gab es kein totales Durcheinander.
Vielleicht war es ja nur ein Irrtum. Sanft drückte er noch einmal gegen die Tür. Geschlossen!
Erst jetzt lachten ihn einige freundliche Gesichter an.
Das Büroteam der Seelsorgeeinheit Hechingen ist gerne für Sie da. Täglich von 11.05 Uhr bis 11.35 Uhr
Gerne? Täglich? Dr. Kanst merkte, wie in ihm die Empörung stieg! Was waren das für Bürozeiten?
Vermutlich so angelegt, dass erst gar niemand kommen wollte.
Aber er musste, heute, und er musste es persönlich erledigen. Eigentlich war er ja ein Fan der Mail, aber in diesem sehr sensiblen Falle musst er es persönlich erledigen und die Schweigepflicht oder wie es ja bei der Katholischen Kirche heißt das Beichtgeheimnis in Anspruch nehmen.
Mit noch schlechterer Laune trottete er zu seinem Behindertenparkplatz zurück und was er da sah, war das erste Erfreuliche an diesem trüben Montag. Lange, sehr lange blonde Haare, welche fast bis an den Poansatz reichten, entfernten sich gerade von seinem Auto.
„Schön!“, dachte Alex und merkte, wie er dem Drang, diese Frau anzusprechen, völlig erlag.
„Guten Morgen!“, rief er den blonden Haaren hinterher, so laut, dass