Katholisch...oder?. Oliver Grudke
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„In Ewigkeit, amen!“, antwortete das Büroteam im Chor. Dr. Kanst sagte nichts, wurde aber auch demonstrativ von der Frau als störender Faktor ignoriert.
„Also, ich will nur kurz dem Herrn Pfarrer den Prospekt geben. Bald ist Weihnachten und diese Woche gibt es billige Christbaumbeleuchtung bei einem Discounter. Mir ist es ja auch egal, man kann ja auch noch die alte nehmen.“ Die Frau legte den Prospekt auf den Tresen und verließ grußlos das Büro.
Die Pummelige griff sich den Prospekt und legte diesen in ein Fach.
„Tja, also noch einmal zu meinem Anliegen, es ginge da um etwas, das ich unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit dem Herrn Kindler besprechen möchte!“ Alex Kanst setzte sein besonders gutes Lächeln auf und ließ sein Augenbrauen dabei tanzen.
Jetzt bekam die Pummelige rote Bäckchen. Ein Zeichen für seinen Erfolg.
„Gott sei Dank, dann ist er nicht krank! Aber heute geht das nicht. Montags hat der Pfarrer immer frei. Also wenn Sie morgen wiederkommen wollen.“ Sie lächelte leicht schüchtern.
„Aber Myriam, heute ist doch der 23.!“
„Ah ja, der 23. Ja dann!“ Freudig lächelte die Pummelige nun wieder Dr. Kanst an. Dieser kullerte mit den Augen und sagte leise: „Ja, es ist der 23. November!“
„Ja, und an jedem 23. wird doch die Messe von der Arsi-Familie gelesen. Und das macht er immer, auch wenn er frei hat. Da können Sie natürlich zur Beichte gehen. Da beichten alle! Warten Sie, ich gebe ihnen den Flyer!“ Die Pummelige drückte Dr. Kanst einen Flyer in die Hand und schob ihn leicht zur Tür hinaus.
„Der Gottesdienst beginnt um 19.00 Uhr in der Spittel Kirche. Aber schon vorher kann man beichten und sich eine Inspiration abholen!“
Nun stand er wieder auf dem Kirchplatz, und seine Mission war immer noch nicht erledigt. Doch er hatte nun einen Flyer von der „Arsi-Familie“? Alex Kanst war es ganz schummerig und die Stiftskirche schlug 12 Uhr mittags.
„Zeit zum Essen!“, dachte Dr. Kanst. Vor 14 Uhr gab es keine weiteren Termine. Tina fuhr in der Zeit immer zuerst in die Grundschule und dann nach Hause, um mit dem zehnjährigen Sohn zu essen. Anschließend fuhr sie diesen zu seiner Oma, um dann pünktlich um 13.45 Uhr die Praxis wieder zu eröffnen.
Dr. Kanst beschloss, es sich heute wenigstens zum Essen gut gehen zu lassen. Langsam ging er in Richtung des Obertorplatzes, wo er eine sehr gute Gaststätte kannte und dort schon fast als Stammgast bezeichnet werden konnte.
Nachdem sich die automatische Tür geöffnet und gleich hinter ihm wieder geschlossen hatte, wurde er von überall her freudig begrüßt. Ein „Hallo“ hier, ein „Grüß Gott“ dort. Noch gab es etwas Platz und er setzte sich in den hinteren Raum, welcher durch die große Glasfront nicht so einsehbar war. Beim Essen will man ja nicht beobachtet werden. Jetzt fiel ihm wieder die junge und gutaussehende Bedienung auf. Offensichtlich war er länger nicht mehr hier. Denn die Haare der jungen Frau hatten für seinen Geschmack nun wieder eine passable Länge angenommen. Wie hieß sie gleich noch? Dr. Kanst fiel es nicht ein.
„Irgendwas mit der Raumfahrt!“, dachte er, doch ein Ergebnis wurde daraus nicht.
„Darf ich etwas zum Trinken bringen?“ Die junge Frau hatte ein kleines Tablet und einen Stift gezückt.
Routiniert und noch in Gedanken sagte er:
„Klar, ein Hefe!“
„Klasse, kommt sofort!“ Noch ein Lächeln und die Speisekarte wurde Alex Kanst in die Hände gedrückt. Jetzt bemerkte er seinen Fehler: Ein Bier am helllichten Tag und dabei hatte er ja noch zu arbeiten. Geschweige denn von dem Problem mit der Kirche. Also dies ging nun wirklich nicht. Was war heute mit ihm los? Alles war aus den Fugen geraten, wie konnte er nur jetzt ein Bier bestellen? Er musste es rückgängig machen!
Sehr smart winkte er der Bedienung, als sie gerade Flädlesuppe am Nachbartisch verteilte.
„Das Hefe kommt gleich!“ Sie lächelte und verschwand in Richtung Theke. Und schon stand ein frisch gezapftes Hefeweizenbier 13 Minuten nach 12 Uhr vor Dr. Kanst. Wegschütten konnte er es ja auch nicht, also …
Dazu bestellte er sich vier Maultaschen geschnitten und mit Ei überbacken. Eine echte Monsterversion, aber seinen Nerven tat dies gut.
So langsam füllte sich auch die Gasstätte. Viele Büros und vor allem das Gericht machten erst um 12.30 Uhr Mittagspause. Gerade als er darüber nachdachte, was die Gasstätte hier wohl für eine Goldgrube wäre, huschte ein Schatten an ihm vorbei und setzte sich plumpsend neben ihn an seinen Tisch.
„Entschuldigung!“, drang es etwas entrüstet aus ihm heraus, als er bemerkte, dass es Frau Rieger, seine Rechtsanwältin war. Frau Rieger war etwas klein und schon sehr pummelig, aber eine Powerfrau, wenn es um Dinge ging, die man erstreiten sollte.
„Oho, Alkohol schon zu Mittag, also Alex, wo sind die Prinzi pien?“
„Heute kurz ausgesetzt!“, sagte der Psychologe etwas barsch.
„Und die gute Laune auch?“, wollte nun Frau Rieger wissen.
Alex Kanst atmete tief ein.
„Nein eigentlich nicht, es ist nur so, dass ich da gerade einen komplizierten Fall habe, bei dem ich, naja, nicht so richtig weiterkomme!“
„Also, wenn ich da behilflich sein kann, jederzeit!“ Frau Rieger bestellte ein Wasser medium.
Frau Rieger ließ nicht eine Möglichkeit vorbeiziehen, um Werbung für die Kanzlei zu machen. Diese war erst kürzlich in das neue alte Haus, welches sein Steuerberater Sepp Birkner erworben und renoviert hatte, eingezogen. Alles neu und offensichtlich teuer, also benötigte man viele oder wenige, aber dafür ertragreiche Aufträge. Alex Kanst überlegte kurz und beschloss dann doch dankend abzulehnen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als heute im Penthaus zu schlafen und in die Unterstadt zu laufen, um an einem Gottesdienst teilzunehmen. Mit einem Bier im Blut würde er nicht mehr Auto fahren.
Ein weiteres Prinzip, das er nicht auch noch zu brechen gedachte. Und dann benötigte er noch unbedingt Sex. Sein Blick blieb am Po der Bedienung haften.
„Ein anderes Mal vielleicht!“, dachte er und winkte diese zu sich, um zu bezahlen.
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Der Nachmittag verlief schleppend und trotz des Bieres fühlte sich Alex nicht so richtig auf der Höhe. Er hatte den starken Verdacht, dass eine Grippe oder seine jährliche und wirklich verhasste Bronchitis im Anmarsch waren.
Egal, beides wäre nicht gut. Dazu kam, dass er heute wieder keinen Sex haben würde, da er ja noch in eine Kirche musste und sich deshalb nicht verabreden konnte. Zu allem Überfluss hatte Tina heute, gerade heute, eine Stunde früher Feierabend gemacht.
Natürlich hatte sie mehr als genug Überstunden, aber er fühlte sich komisch allein. Die Anliegen der zwei Nachmittagspatienten hatte er gar nicht wahrgenommen und seine Standardsprüche aufgelegt.
Endlich, der Letzte war weg und nun war es sehr ruhig. Zu ruhig für ihn, zumindest heute. Auch war es an einem so trüben Tag bereits nach 15 Uhr dunkel geworden. Er als Psychiater wusste, was dies für die Psyche bedeuten konnte. Trübsal!
Doch