Europa - Tragödie eines Mondes. Uwe Roth

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Europa - Tragödie eines Mondes - Uwe Roth

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was ihr noch mehr Angst einjagte, waren Ataras quälende Schwimmbewegungen, deren Geräusche aus dem Cockpitlautsprecher drangen.

      „Schnell, beeile dich doch Atara!“ Immer wieder musste Maru ihren Kollegen antreiben. Die Abstände zwischen den rasselnden Schwimmbewegungen seiner schlanken Schwimmarme, die an dem Außenanzug rieben, nahmen merklich zu. Mit Schrecken lauschte sie diesen merklich leiser werdenden Geräuschen hinterher.

      „Es geht nicht schneller, es ist hier draußen so kalt. Meine Schwimmarme sind wie Blei. Sogar in meine Flossenbeine dringt die Kälte“, erklärte er Maru. Auch wenn es erst wenige Minuten zurücklag, dass er aus dem Flitzer geschwommen war, konnte er sich nicht daran erinnern, dass ihn die Kälte so dermaßen ergriffen hatte. Aber nun durchdrang sie seinen gesamten Körper.

      „Du darfst nicht an die Kälte denken“, versuchte ihn Atara dazu zu bewegen, seinen Weg fortzusetzen, „ignoriere die Schmerzen deiner Glieder.“ Mit letzter Kraft erreichte er dennoch die Einstiegsluke und schwamm zurück in seinen Flitzer. Er spürte sofort die angenehme Wärme, die noch im Innern des Flitzers herrschte.

      Während er zu Maru schwamm, nahm er den Helm vom Kopf. Aber seinen Außenanzug ließ er sicherheitshalber angezogen. Er sah zu Maru, die erleichtert darüber, dass sie nicht allein im Flitzer ausharren musste, ihn ebenso ratlos betrachtete, wie er sie. Atara sah konzentriert nach draußen, wo die Barriere immer näher zu kommen drohte.

      „Welche Alternativen haben wir?“

      „Raus können wir auf keinen Fall. Das musste ich ja am eigenen Leib spüren“, antwortete Atara resigniert. Er musste noch nie eine solche Kälte spüren. Bis in die tiefsten Regionen seines Körpers konnte sie vordringen. So etwas wollte er nicht noch einmal erleben.

      „Außerdem würde uns die Kälte sowieso zu langsam machen. Die Barriere würde uns so oder so einholen. Die Beste Chance haben wir, wenn wir hier drin bleiben und die Heizung auf volle Leistung stellen, so könnten wir einige Stunden in der Barriere überleben“, stellte er resigniert fest.

      Entsetzt wandte sich Maru von ihrem Kollegen ab und betrachtete erneut die Barriere, die unaufhaltsam auf sie zuwuchs.

      „Wir werden lebendig eingefroren sein. Auch wenn Hilfe eintrifft und wir noch am Leben sind, können sie uns nur noch zusehen, wie wir sterben. Es gibt keine Möglichkeit, uns dann zu befreien.“

      Voller Mutlosigkeit senkte sie ihren Kopf und ließ die Ereignisse auf sich zukommen. Atara wusste, dass sie Recht hatte. Er schwamm lautlos neben ihr in seine Sitznische und sah ebenso resigniert nach draußen, wie es Maru tat. Draußen bewegte sich die Eisbarriere immer weiter auf den schlanken Flitzer zu. Zwischen den Sperrspitzen und den Ausbuchtungen kristallisierte das Wasser ständig zu neuem, alles vereinnahmendem Eis. In dieser Weise formierten sich die Ausbuchtungen zu glatten Flächen und die Sperrspitzen wurden immer stumpfer und schrumpften dann schließlich zu halbrunden Auswüchsen und verschwanden letztendlich in der voranschreitenden Barriere. Währenddessen formierten sich an den noch glasklaren, glatten Stellen der Eisbarriere neue Ausbuchtungen und Sperrspitzen. Dies geschah in einem stetigen Wechsel. So schritt diese gigantische Wand aus Eis immer näher in die bewohnte Welt dieser Lebewesen.

      „Hörst du dieses Geräusch Atara?“, fragte Maru lustlos und voller Gleichgültigkeit ihren Kollegen. Sie hatte inzwischen jegliche Hoffnung auf Rettung verloren und lauschte deshalb resigniert in die Stille, die sich über dem Flitzer ausbreitete. Diese Stille durchbrach inzwischen ein immer lauter werdendes Knistern, dass sich in der Kabine ausbreitete. Atara hob seinen Kopf und sah durch das Cockpitfenster.

      „Es ist das zu Eis erstarrende Wasser Maru, sonst nichts.“

      „Es ist das Geräusch unseres Todes, Atara!“

      Atara drehte sein Gesicht vom Cockpitfenster weg. Er wusste, dass Maru damit recht hatte. Sie würden hier und heute sterben. Er würde bald wieder diese schreckliche Kälte spüren, wie sie in seinen Körper kroch und seine Glieder erstarren ließ. Er würde nichts dagegen tun können. Währenddessen erreichten die ersten bullaugenartigen Eiswülste und Sperrspitzen den Flitzer. Mit eisiger Hand griff das Eis nach dem Flitzer, um ihn in sein kaltes Grab zu ziehen. Das Knistern wurde immer lauter. Voller Entsetzen hielt sich Maru die Ohren zu. Aber das schützte sie nicht vor diesem Schrecken. Mit den knisternden Geräuschen kamen neue grauenvolle Geschehnisse auf sie zu. Sie sahen, wie sich einzelne kleine Kristalle in der Nähe der Barriere bildeten. Sie schwebten immer zahlreicher werdend im Wasser umher und verbanden sich schließlich zu größeren Eisklumpen, die wiederum immer größer wurden und sich mit den Auswüchsen der Barriere verbanden.

      „Ich kann das nicht mehr hören!“ Ihr Kreischen zerrte Atara an seinem Willen, die Fassung nicht zu verlieren.

      „Wir können nichts dagegen tun, Maru. Es tut mir leid, aber höre mit dem Schreien auf!“

      „Ich will nicht sterben. Nicht hier in dieser Einsamkeit, dieser Kälte, nicht so, eingefroren zu werden, starr wie diese Lebewesen dort hinter dieser verfluchten Barriere.“

      Das Schreien in ihrer Stimme wich immer mehr einem

      resignierten Weinen, dass Atara nicht in sein Bewusstsein eindringen lassen wollte.

      „Nein, ich will so nicht sterben“, wiederholte Maru ihren sehnlichsten Wunsch.

      Sie sank in ihrer Nische zusammen und brach in bitteres Weinen aus. Atara konnte nichts Anderes tun, als sie sanft in die Arme zu nehmen.

      Das Knacken und Knirschen wurde unterdessen immer lauter. Die Seitenruder wurden als erstes vom Eis umschlossen. Wie ein Totentuch schmiegte sich das Eis um diese. Mit seinen eisigen Krallen hatte die Barriere nun den Flitzer in seiner Gewalt und würde ihn nie wieder freigeben. Die beiden Insassen umklammerten sich immer fester, je lauter und näher das Krachen und Knistern kam. Nachdem das Seitenruder vollständig umschlungen war und der Rumpf des Flitzers erfasst worden war, krochen die Auswüchse der Ausbuchtungen und Sperrspitzen an den rechten Rand des Cockpitfensters. Maru mag gar nicht hinsehen wollen, aber dieses faszinierende Bild ließ sie einfach nicht wegsehen. Immer wieder versuchte sie, ihren Blick abzuwenden, aber es gelang ihr nicht. Da gab es einen gewaltigen Ruck.

      Das war das Seitenruder. Das Eis hatte es zerdrückt. Die Vakuumkammern der elektronischen Geräte konnten den Druck nicht mehr standhalten.

      Ataras rechte Flossenhand drehte einen Schalter, an dem das Wort Heizung stand. Er war jetzt bis zum Anschlag aufgedreht.

      „Mir ist kalt, Atara!“

      „Ja, ich weiß Maru. Es wird noch kälter werden.“

      Sie schmiegte sich in ihren Außenanzug. Sie hoffte, dadurch länger ihre Wärme halten zu können. An der Cockpitscheibe kroch das Eis immer weiter nach links. Es waren nicht nur diese, wie Bullaugen und Sperrspitzen aussehenden Auswüchse, die aus der Eisbarriere austraten. Zu unendlich vielen Formen kristallisierten sich Auswüchse aus der vorderen Front der Barriere. Jetzt wurde das Cockpitfenster vollkommen vom Eis eingeschlossen. Die Formen verschwanden. Dafür trat dieses vollkommen durchsichtige Eis hervor. Die beiden Besatzungsmitglieder konnten nun völlig ungehindert in die Barriere hineinsehen. Das Gebäude, das Maru noch vor kurzem verschwinden sah, wurde nun so deutlich sichtbar, wie unzählige Lebewesen, Gebäude der evakuierten Bewohner und riesige Farnengewächse, die besonders in dieser Gegend zu meterhohen Gebilden heranwuchsen. Alles Leben, das hier eins herrschte, war erstarrt.

      Immer weiter auf die andere Seite des Flitzers rückte das Kratzen und Knistern. Das Eis umschloss nun das gesamte Schiff. Maru und Atara schmiegten sich zitternd aneinander. Sie konnten kaum atmen. Ihr kleiner

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