Europa - Tragödie eines Mondes. Uwe Roth
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Zeru war geschockt. Ein Vertreter der Regierung, dachte sie. Das hat ihr gerade noch gefehlt. Erst dieser Jirum, der das ganze Problem der Einzigartigkeit ihrer Welt wohl nicht so ernst nahm, aber immerhin, und nun noch dieser Regierungsbeauftragte.
Shatu war ein gutaussehender, junger Maborier. Seine grünen Augen schienen Zeru zu durchdringen. Zeru reichte auch ihm die Hand zur Begrüßung. Shatu erwiderte ihre Freundlichkeit mit einem Lächeln. Er wurde durch den Präsidenten über die junge Wissenschaftlerin ausgiebig unterrichtet. Demnach selektierten sie und die anderen Wissenschaftler des Forschungszentrums Signale von der oberen Hemisphäre, was er sehr besorgniserregend empfand. Auch wenn er davon überzeugt war, dass dort oben kein Leben existieren konnte, so würde er seinen vom Präsidenten auferlegten Auftrag ausführen. Aber er fand, dass diese Zeru in seinen Augen nicht sonderlich bedrohlich wirkte, eher naiv. Auch wenn ihre Erkenntnisse den Gremien, die er vertrat, nicht zusagten, wagte er doch zu behaupten, dass Zeru sehr überzeugt von ihren Forschungsergebnissen war.
„Ich begrüße Sie, werte Zeru.“ Sein charmantes Lächeln würde Zeru nicht darüber hinwegtäuschen, dass er von der Regierung geschickt wurde, um in ihre Forschungen einzugreifen, wenn es ihm beliebte. Aber das würde sie zu verhindern wissen. Sie würde erst mal mitspielen, ihren Forschungen nachgehen und reagieren, wenn er einzugreifen gedachte.
„Ich grüße Sie auch“, erwiderte sie seinen Gruß, ohne ihn anzusehen. Sie würde ihn einfach ignorieren, dachte sie. Nachdem sich Zeru von Shatu abgewandt hatte, stellte der Captain die Mannschaft weiter vor.
„Der, der schon weggeschwommen ist, war unser Mechaniker Kakom“, sagte der Captain, und wies mit dem Arm zur Luke, durch die der Mechaniker vor kurzem geschwommen war.
„So, nun kennen Sie alle Mitglieder unserer Mission. Erlauben Sie mir nun, Sie alle zu unserem Aufstiegsschiff zu begleiten.“
Die fast komplette Mannschaft schwamm nun durch mehrere Gänge, die unterirdisch in einen großen Hangar führten. In der Mitte befand sich ein etwa 30 Meter langes und 5 Meter hohes Aufstiegsschiff. Vorne lief es zu einer nach unten gebogenen Spitze zusammen. An den Seiten befanden sich kleine Aufwölbungen. Hinter diesen Aufwölbungen verbargen sich die Verschlusskappen der ausfahrbaren Greifarme. Vier Stück gab es davon. Zwei vorne, zwei hinten. Das gesamte Fahrzeug bedeckte eine blau schimmernde Legierung, durch die das gesamte Außenschiff beheizt werden konnte. So wollte man dem schnell voranschreitenden Einfrieren begegnen. Dies war eine besondere Entwicklung, an der auch Kakom mitgearbeitet hatte. Das Schiff befand sich etwa 5 Meter oberhalb des Bodens auf einer Rampe. Längsseits dieser Rampe befanden sich mehrere Überwachungscontainer, in denen sich das Überwachungspersonal aufhielt. Mehrere Meter oberhalb des Aufstiegsschiffes, an der Hangardecke, befand sich eine Luke, die etwas größer als der Apparat war. Durch die würde das Schiff in ein paar Stunden nach draußen gelangen, um seine Mission zu beginnen. In den oberen Ecken des Hangars befanden sich auf jeder Seite zwei gigantische Strahler, die ihr gelbes Licht direkt auf das Schiff schickten.
Als sich Zeru zu dieser Mission gemeldet hatte, hatte sie zwar Pläne des Schiffes gesehen. Dass es aber so groß sein würde, hatte sie nicht geahnt. Es übertraf alles was sie bis dahin gesehen hatte. Am Heck des Schiffes wurden gerade noch die letzten Kisten mit Verpflegung und wissenschaftlichen Materialien verladen. Die sechs Expeditionsteilnehmer bewegten sich nun auf die Rampe zu. Dort schwammen mehrere Mitarbeiter des Bodenpersonals hin und her. Zeru bewunderte die rege Betriebsamkeit des Personals. Jeder von ihnen hatte offensichtlich etwas Wichtiges zu tun. Und das alles nur, um ihr diese Reise zu ermöglichen.
„Ich begrüße Sie und Ihre Mannschaft, Captain Tarom.“ Ein grün schimmernder Schwimmer drehte sich den Ankömmlingen entgegen.
„Ich darf Sie auf Ihre Plätze begleiten.“ Der Mitarbeiter des Bodenpersonals gab ein Zeichen, ihm zu folgen. Zeru und die anderen Folgten ihm ins Schiff. Ein schmaler Gang führte sie ins Innere des Schiffes. An den Seiten befanden sich mehrere Luken, hinter denen sich zu einer Seite die Mannschaftsquartiere und auf der anderen Seite die einzelnen Labore befanden. Kommunikatoren sowie Alarmmelder schmückten die Seiten der Luken. Beleuchtet wurde der Gang von der Decke. An dieser Decke des Korridors zogen sich links und rechts in den Ecken mehrere Rohrleitungen mit den unterschiedlichsten Flüssigkeiten für den Druckausgleich und andere Versorgungselementen entlang. Die Luke zur Kommandozentrale befand sich am Ende des Ganges. Zeru schwamm als Dritte in den großen Raum. Vorn fielen gleich die großen Fenster auf. Wie zwei große Augen nahmen die zwei Fenster fast die gesamte Vorderfront der Kommandozentrale ein. Lediglich in der Mitte durchzog ein schmaler Streifen von oben nach unten mit verschiedensten Instrumenten und Anzeigen die Vorderfront. An der rechten, bzw. linken Seite des Kommandoraumes strahlte grün schimmerndes Licht durch jeweils ein Fenster. Unterhalb der vorderen Fenster befand sich die Steuerkonsole, vor der der Kapitän und der Steuermann sitzen würden. Hinter ihnen reihten sich die Sitze der anderen Mitglieder ein. An den Wänden des Raumes befanden sich diverse Computer, Analyseaggregate und andere Instrumente.
„So, dies ist also die Kommandozentrale“, begann der Chef des Bodenpersonals. Alle sechs Besatzungsmitglieder sahen sich in dem großen Raum um. Jeder von ihnen begab sich an die Konsole, die für seinen Arbeitsbereich zuständig war.
„Na, dann können wir ja starten.“ Voller Enthusiasmus sah der Captain in die Runde. Er wurde vorher ausgiebig mit den vielen Möglichkeiten des Aufstiegsschiffes vertraut gemacht. Daher fühlte er sich gleich wie zuhause in seiner kleinen Wohnung, die er noch nicht lange bewohnte. Nach dieser Reise würde er endlich auf die Suche nach einer Lebenspartnerin gehen. Es wurde für ihn endlich Zeit, eine Familie zu gründen. Aber jetzt würde er erstmal all sein Wissen und sein Können in die Führung dieses außergewöhnlichen Schiffes stecken. Trotz der großen Gefahr, in die sie sich begeben würden, waren alle von ihrem Vorhaben begeistert. So verwunderte es auch nicht, dass jeder dem Captain mit Begeisterung zustimmte.
Nachdem sich jeder vom Chef des Bodenpersonals verabschiedet hatte, schwamm dieser aus dem Schiff heraus.
„Ich wünsche Ihnen viel Glück und eine erfolgreiche Mission“, sagte er zu ihnen. Als er das Schiff verließ, sah er nochmal kurz zurück und erblickte in den Augen der Mannschaft Zuversicht und Begeisterung für diese Mission. Das beruhigte ihn und er konnte so mit Zuversicht das Schiff verlassen. Kakom verschloss die Eingangsluke mit einem Knopfdruck. Mit einem Zischen bewegte sich die Luke von oben nach unten und schloss die Mannschaft somit ein.
„So Freunde, nun sind wir auf uns allein gestellt. Ich hoffe, unsere Mission ist von Erfolg gekrönt. Begeben wir uns also auf unsere Plätze und warten den Startbefehl ab.“
Zeru konnte es immer noch nicht glauben, dass sie bei dieser Mission dabei war. Von dem Gedanken geprägt, bald das Oben selbst zu sehen, zu erfahren, wie das Oben geschaffen war, woher die Signale kamen, die sie auffingen und vor allem, zu erfahren, ob ihr Artefakt nun wirklich von dem Oben kam, ließ sie sich hinabgleiten in eine Stimmung des Glücks. Dass alles bewegte sie so sehr. Voll Enthusiasmus und Aufregung folgte sie den Anderen.
Alle sechs schwammen zurück in die Kommandozentrale. Vorn nahmen der Captain Tarom und der Mechaniker Kakom Platz. Kakom war gleichzeitig berechtigt, das Schiff in Vertretung des Captains zu steuern. Hinter ihnen saßen der Regierungsbeauftragte Shatu, sowie der Geograph Jerum und Zeru. Waru, der Biologe und Arzt, saß an einer Nebenkonsole, von der er die Instrumente für sämtliche Bioscans überblicken konnte.
„Wann werden wir starten, Captain?“ fragte Zeru. Ihre innere Unruhe ließ sie einfach nicht los. Sie hoffte, dass ihre Aufregung nicht zu offensichtlich bemerkt wurde. Dennoch musste sie nach dem Zeitpunkt der Abreise fragen. Der Captain drehte sich zu ihr um und wollte gerade antworten, als Shatu, der Regierungsbeauftragte ihm ins Wort fiel.
„Wir werden noch etwa eine Stunde warten müssen.