Die neuen Reiter der Apokalypse. Michael Ghanem
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Die Einführung eines Aktivitätseinkommens ("revenu universel d’activité" im Unterschied zum "Revenu d'inactivité" – französisch für Arbeitslosengeld – oder dem Revenu de solidarité active) soll mehr Bürgerschaftliches Engagement ermöglichen, den sozialen Zusammenhalt stärken und die Ideale von Gleichheit und Brüderlichkeit – (Liberté), égalité, fraternité – einlösen. In der Zivilgesellschaft wird auch ein Basiseinkommen für alle Bürger diskutiert, nachdem im September 2018 unter der Präsidentschaft von Emmanuel Macron ein umfangreicherer Plan zur Überwindung der Armut mit Bündelung der bisherigen Sozialleistungen in Frankreich vorgestellt worden war. Stark kritisiert werden jedoch Sanktionen für Arbeitslose, die Verpflichtung zur Arbeitssuche und wenn durch die Geldzahlung "miese Arbeit" akzeptiert werden muss. In Frankreich leben rund 8,8 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Das in Frankreich geplante "Aktivitätseinkommen" steht zwar allen Bürgern zu, ist jedoch kein bedingungslos an alle ausgezahltes Grundeinkommen (BGE). Der Sozialist Benoît Hamon hatte bei seiner Kandidatur ein Grundeinkommen für Geringverdiener geplant.
• Armutsbekämpfung durch kompensatorische Maßnahmen
Zu solchen umfassenden Strategien gehören unter anderem „kompensatorische“ Maßnahmen. Sie gehen von der Erkenntnis aus, dass Kinder in armen Familien wenige Bildungsanregungen erhalten. In armen Familien ist „die tägliche Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Problemen entwürdigend und Kräfte raubend“, und deshalb versäumen es Mütter und Väter, ihren Kindern eine Zukunftsperspektive zu erschließen. Durch Familienschulungen, Beratungen und so weiter wird versucht, die Defizite auszugleichen. Hauptziel der kompensatorischen Erziehung ist es, kognitive Fähigkeiten und schulische Leistungen der in Armut aufwachsenden Kinder zu fördern. So will man erreichen, dass die nächste Generation nicht arm bleibt. Kritiker der kompensatorischen Erziehung erheben den Vorwurf, dass das Kind der Mittelschicht hier als Vorbild genommen werde. Es werde versucht arme Kinder zu Mittelschichtskindern umzuerziehen. Das Arbeiterkind werde seiner Lebenswelt entfremdet.0 Weitere kompensatorische Maßnahmen sind etwa Elternkurse, Elternschulungen, Mentorenprogramme und ähnliches.
Oft wird kritisiert, dass die Schule zu kurz wäre. Arme Kinder kämen mit Defiziten in die Schule und die Halbtagsschule wäre nicht in der Lage diese auszugleichen. Gefordert wird eine Schule mit einem ganztägigen Programm, das „unterrichtliche, erzieherische sowie sozialpädagogische Aktivitäten und Maßnahmen“ (Palentien 2005, S. 164) einschließt. In Deutschland sind solche Programme selten. In anderen Ländern existieren jedoch zahlreiche. Das bekannteste Programm sind hier die 21st Century Community Learning Centers. Doch hat dieses Programm auch dazu geführt, dass Nachmittagsbetreuung in den Schulen heute teilweise im kritischen Licht gesehen wird, weil sie insgesamt zu keiner Verbesserung der schulischen Leistungen führte, jedoch zu verstärkten Verhaltensproblemen. Lediglich für die Gruppe der Grundschüler, die anfangs jedoch sehr schlechte Leistungen zeigten, konnte eine kleine Verbesserung in den Kompetenzen im Fach Englisch gezeigt werden.
• Armutsbekämpfung durch Zwangsmaßnahmen
Mit dem Übergang von vormodernen zu neuzeitlichen Gesellschaften änderte sich die Einstellung zur Armut. „Arme Gottes“ galten durchaus als natürlich und deren Unterstützung, Almosengabe gilt in vielen Religionen als religiöse Pflicht. Im Bereich des Islams wird die Zakāt bis heute als ein wichtiges Mittel zur Linderung von Armut betrachtet, weil durch sie angehäufter Reichtum eingesammelt und umverteilt wird. In Europa wird Armut seit der Renaissance zunehmend als Last aufgefasst, schon früher vorhandene Einrichtungen der Armenfürsorge blieben zwar erhalten, zunehmend wurden aber Zwangsmaßnahmen zur Armutsbekämpfung eingesetzt.
In Preußen erließ Friedrich der Große am 24. März 1756 eine Circular-Ordre, die den Kartoffelanbau anordnete, um der Verarmung durch den Getreidewucher nach Missernten gegenzusteuern (vgl. Kulturgeschichte der Kartoffel).
Doch stand im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts das Arbeitshaus im Zentrum der Armutsbekämpfung. Vor allem in calvinistisch geprägten Gesellschaften herrschte die Auffassung vor, dass Armut selbstverschuldet sei und durch Faulheit komme. Arbeitshäuser dienten der Abschreckung und Umerziehung von Bettlern und Landstreichern. In Deutschland wurden Arbeitshäuser 1969 abgeschafft.
In Europa setzte sich im Zuge der Industrialisierung und der Auseinandersetzung um die Soziale Frage die Auffassung durch, dass Armut durch genossenschaftliche oder wohlfahrtspolitische Maßnahmen verringert werden könne. Armutsbekämpfung stand etwa im Vereinigten Königreich am Ausgangspunkt der modernen Sozialpolitik. :Siehe auch: Sozialgesetzgebung
Inzwischen wird die Wirksamkeit sozialpolitischer Armutsbekämpfung aber in vielen Industrieländern durch neue Erscheinungsformen von Armut in Frage gestellt. In der Wirtschaftswissenschaft wird nicht selten die These vertreten, dass auch eine zu hohe Staatsquote zu einem Ansteigen der Arbeitslosenquote führen kann (insbesondere in Westeuropa).
• Armutsbekämpfung durch politische Organisation
Die politische Geschichtsschreibung hat zahlreiche Belege für Selbstorganisation durch „Betroffene“ nachgewiesen, die ihrer prekären Situation nicht schutzlos ausgesetzt sein wollten und Formen kollektiver Organisation herbeiführten. Der italienische politische Theoretiker Antonio Gramsci spricht in diesem Kontext von „Subalternen“, also der Herrschaft Unterworfenen, die sich durch Zusammenschluss gegen eine vorherrschende Meinung (vgl. Hegemonie) wenden und den Eigenwert ihrer kulturellen Identität gegen eine als repressiv erfahrene Unterordnung behaupten sollen (vgl. kulturelle Hegemonie). Solche Organisationen können lokale Selbsthilfegruppen und Tauschringe sein (s. o.); mit der Industrialisierung geht nicht allein eine grundsätzliche Umformung bisheriger Identitäten einher und werden Bauern zu Landlosen, Tagelöhner zu Arbeitern, sondern auch der Wunsch, die eigene Existenz durch Schutzmaßnahmen vor Vernutzung und Vernichtung zu bewahren. Genossenschaften sorgen für den preiswerten Kauf lebenswichtiger Güter (Ernährung, Kleidung, aber auch Roh- und Hilfsstoffe für kleine Produzenten) (vgl. Genossenschaft). Gewerkschaften tragen gegenüber den industriellen Unternehmern die Forderung nach materieller Teilhabe und sozialen Schutzrechten vor. Schließlich folgen auch politische Parteien, die zu Beginn des bürgerlichen Parlamentarismus im 19. Jahrhundert die politische Partizipation von Arbeitern durch Arbeiter einfordern und die willkürliche Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsteile anprangern. Hierzu wird auch ein als diskriminierend erfahrenes staatliches Recht kritisiert, das auf parlamentarischem Wege reformiert werden soll. Der hieraus erwachsene Streit zwischen reformorientierter Sozialdemokratie und revolutionärem, also auf Abschaffung des ungerechten Systems insgesamt zielenden Marxismus ist Auftakt für die Aufspaltung der politischen Arbeiterbewegung bis heute (vgl. Revisionismus). Politische Streiks und andere symbolische Aktionen sollen auf das Elend der Arbeiterklasse aufmerksam machen.
Armut im geschichtlichen Wandel
Die Maslowsche Bedürfnispyramide
1943 veröffentlichte der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow ein Modell, um die menschlichen Motivationen zu beschreiben. Dieses wird als die Maslow’sche Bedürfnispyramide bezeichnet. Die menschlichen