Die Kreuzfahrer - milites diaboli. Jens - Uwe Nebauer

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Die Kreuzfahrer - milites diaboli - Jens - Uwe Nebauer

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begnügen, dem Frechling ein paar deftige Beschimpfungen nachzurufen.

      *

      Nach dem gescheiterten Angriff gab Kaiser Heinrich die Hoffnung, die Burg im Sturm nehmen zu können, auf und verlegte sich wieder auf die Belagerung.

      Die Stimmung seiner Krieger verschlechterte sich mit jedem Tag, der in der tristen Herbstwitterung versank, was zu einer spürbaren Zunahme von Zuchtlosigkeiten und Gehorsamsverweigerungen, führte. Auch die Fälle von Fahnenflucht, begannen besorgniserregende Ausmaße anzunehmen. Unter dem Eindruck der abfallenden Moral und in der Gewissheit, dass sich der Widersacher Ekbert weit im Norden befand, entließ der Salier zur Adventszeit einen Teil seines Heeres in einen auf drei Wochen bemessenen Urlaub. Sollten die Männer das Weihnachtsfest ruhig daheim auf ihren Burgen und in ihren Höfen feiern und neue Kräfte sammeln.

      Um die Dagebliebenen - zu denen auch die Falkenburger und die Spatenburger gehörten - bei Laune zu halten, wurden auf Befehl des Kaisers aus den letzten noch vorhandenen Vorräten größere Mengen an Fleisch, Brot und Wein an das ausharrende Kriegsvolk ausgeteilt.

      Am Nachmittag vor der Heiligen Nacht versammelte sich das Heer auf dem freien Feld bei Wandersleben, und die Bischöfe hielten die Vorabendmesse ab, die diesmal kürzer ausfiel als üblich. Danach verkrochen sich die Kaiserlichen wieder in ihren Zelten und trösteten sich mit warmem Gewürzwein.

      Der Wein und das am Bratspieß brutzelnde Fleisch bereiteten Gottfried von Falkenburg weit weniger Freude als seinem jüngeren Bruder und den noch treu und ohne zu murren bei ihnen ausharrenden Gefolgsleuten. Die Knechte ließen sich nach dem Festmahl in atemberaubender Schnelligkeit volllaufen und schliefen nun, unter ihren Decken und Fellen versteckt, den Schlaf der Gerechten.

      Dabei war auch der Erstgeborene der drei Söhne des vor zwei Jahren an den Folgen einer Jagdverletzung dahingeschiedenen Gernots von Falkenburg kein Kostverächter, wenngleich er zumeist deutlich weniger trank als sein Bruder Gunthard, der selten maßhalten konnte. Doch heute wollte dem Älteren weder der Trunk noch das Mahl schmecken.

      Während Gunthard geräuschvoll schnarchte, saß Gottfried noch kurz vor Mitternacht auf seinem Klappstuhl und wälzte schwere Gedanken. Schon längst war ihm die Lust an dem mit so viel Vorfreude begonnenen Kriegszug vergangen. Unter dem Eindruck der allgemeinen Stimmung wäre der älteste Spross der Falkenburger am liebsten schon am kommenden Morgen den bereits Abgezogenen Richtung Heimat gefolgt, denn er war sich mittlerweile sicher, dass aus diesem Unternehmen nichts Gutes mehr für sie erwachsen konnte.

      Mit gefurchter Stirn stand er auf und begann im Zelt hin und her zu wandern, wobei er sich mit der rechten Hand seinen Schildarm massierte, der nach dem fürchterlichen Axthieb des hünenhaften Burgverteidigers immer noch schmerzte.

      Von Zeit zu Zeit drangen die Geräusche der Außenwelt bruchstückhaft durch die feuchten Wände des Zeltes. Ein Kauz schrie, ein Hund kläffte, bis er von seinem Herrn zur Ruhe gebracht wurde, eine weibliche Stimme verlangte keifend nach ihrem Lohn.

      Plötzlich hob Gottfried den Kopf und lauschte. Ein leises, unbestimmtes Grummeln war an seine Ohren gedrungen, das schnell lauter und lauter wurde und sich mit dem Näherkommen zu einem hundertfachen Stampfen und Trommeln wandelte.

      Wie von einer Ratte gebissen schnellte Gottfried in die Höhe. „Gunthard“, schrie er mit sich überschlagender Stimme, „hoch mit dir! Ein Nachtangriff der Meißner!“

      Der erste schrille Alarmschrei eines der kaiserlichen Wachposten gellte durch die Nacht, unmittelbar gefolgt von einem aus Hunderten Kehlen geschmetterten Schlachtruf der nächtlichen Angreifer: „Hie Meißen!“

      Die Brüder warfen sich in aller Eile die Schuppenpanzer über und setzten die Helme auf, dann rissen sie die Schwerter aus den Scheiden und liefen aus dem Zelt.

      Die Lagergassen waren vom Licht dutzender Fackeln erfüllt, die von dunklen, an Kentauren erinnernden Wesen geschwungen wurden. Stahl von Schwertern und Speerspitzen blinkte.

      Von einem Augenblick zum anderen erwachte in den Zelten und Hütten der Kaiserlichen das Leben. Ungerüstet, oft nur im Hemd und der Bruch, stürzten die Überraschten ins Freie, wo sie bereits von gnadenlos dreinschlagenden Reitern erwartet wurden.

      Ein wüstes Gemetzel hob an.

      Schreie ertönten, Pferdehufe trommelten, Trompetenrufe und Hörnergeschmetter vermischen sich mit den Flüchen und dem Wutgeheul der Überfallenen.

      In wilder Hast rannte, eilte, sprang alles durcheinander; Schatten ballten sich zu dunklen Klumpen, fuhren wieder auseinander.

      „Schlagt drein“, erscholl eine dröhnende Stimme, „tötet die Hunde!“

      „Reißt die Zelte nieder, steckt sie in Brand!“, schrie es an anderer Stelle.

      Zeltstangen krachten und brachen, Leinwand zerriss und fing, wenn auch nur mühsam, Feuer, ätzender Brandgeruch breitete sich aus.

      „Die machen uns nieder“, schrie Gottfried und wich mit Mühe dem Speerstoß eines vorbei sprengenden Meißners aus. „Wir müssen hier weg!“

      „Und alles hier lassen?“, versetzte sein Bruder zweifelnd.

      „Wir haben keine Zeit zum Packen“, zischte der Ältere heftig. „Jetzt geht’s ums nackte Leben!“

      „Ihr Herren, was sollen wir tun?“

      Ruodlieb, der älteste der Falkenburger Knechte, ungerüstet und mit den gleichen Anzeichen des Entsetzens im Gesicht, wie Hunderte andere Kaiserliche zu dieser Stunde auch, drängte sich zu den Brüdern.

      „Abhauen! Jeder für sich“, befahl Gottfried. „Wer’s kann, der schlägt sich nach Hause durch.“

      Die Brüder liefen zur Rückseite ihres Zeltes, wo die Pferde, die unter einem aus Stangen und Zweigen behelfsmäßig errichteten Dach standen, unruhig mit den Hufen stampften und die Köpfe warfen. Ohne sie zu satteln oder zu zäumen schwangen sich die beiden auf die Rücken der Tiere, durchtrennten die Halteseile mit ihren Schwertern und schlugen ihnen die Fersen in die Weichen.

      „Gebe Gott, dass wir irgendwie durchschlüpfen“, rief Gottfried, während er sich mit der Linken an der Mähne seines braunen Hengstes festkrallte, „die Hunde wollen uns nicht ungeschoren davonkommen lassen.“

      Wie zur unwillkommenen Bestätigung seiner Worte fiel, kaum dass sie die Lagergasse erreicht hatten, eine Schar von fünf Reitern über sie her. Die Falkenburger konnten von Glück reden, dass sie ihre Panzer und Helme angelegt hatten, sonst wären sie dem Hagel der auf sie niederprasselnden Schläge innerhalb weniger Augenblicke zum Opfer gefallen. So blieben die meisten der Hiebe ihrer Gegner wirkungslos und die beiden konnten sich der heftigen Angriffe der Meißner nicht nur erfolgreich erwehren, sondern Gottfried gelang es sogar, einen der Angreifer aus dem Sattel zu hauen.

      Als er die dadurch entstandene, winzige Atempause nutzte, um sich nach einem Fluchtweg umzusehen, bemerkte er, dass die Spatenburger nur wenige Klafter von ihnen entfernt auf ihren Gäulen saßen und sich von ihren Knechten ihre prall gefüllten Mantelsäcke hinaufreichen ließen.

      „Helft uns“, brüllte Gottfried, zwischen zwei parierten Schlägen, doch die Spatenburger und ihre Vettern wandten sich kaltblütig ab und gaben Fersengeld. Schnell waren sie in der Dunkelheit verschwunden.

      „Diese Schweine“, röchelte Gunthard mit zugeschnürter Kehle, „diese dreckigen, feigen Schweine!“

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