Unsere Zukunft nach Corona. Thies Claussen
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• Immer mehr Aufgaben können von Maschinen erledigt werden. An diesem technologischen Wandel geht kein Weg vorbei: Robotik, künstliche Intelligenz und Technologie-Konvergenz treiben die Entwicklung voran. Der zentrale (und als sicher betrachtete) Treiber des Wandels ist der rasche, anhaltende technologische Fortschritt unter dem Vorzeichen der Digitalisierung, der nahezu alle Berufsgruppen erfasst und dessen Tempo wahrscheinlich noch zunimmt.
• Auszugehen ist zunächst für die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte davon, dass sich der bisherige Wandel der Arbeit fortsetzt, indem immer mehr Berufsgruppen und Tätigkeiten durch Automation ersetzt werden. Dann steht der Übergang in ein gänzlich neues System des Arbeitens und Wirtschaftens an, in dem auch die Sozialsysteme entsprechend anders aussehen müssen, und in dem vielleicht das Prinzip der Lohnarbeit gänzlich überholt ist.
• Arbeit ist schon heute mobil und multilokal, morgen ist sie virtuell und findet in einem kollektiven virtuellen Raum („Metaversum“) statt. Arbeitgeber hinken der Entwicklung hinterher. Wahrscheinlich beschleunigt sich das Tempo der Veränderung weiter, aber schon bisher können Arbeitgeber und Arbeitsbestimmungen nicht mit dem Wandel mithalten.
• In den Sektoren Freizeit, Erholung und Gesundheit, in technologischen Feldern und mit neuen Berufsbildern entsteht neue Arbeit. Es bilden sich Arbeitsbereiche und Berufe heraus, die geprägt sind von ureigenen menschlichen Fähigkeiten wie Empathie oder Kreativität.
• Weiterbildung und Bildung halten nicht mit dem raschen technologischen Wandel Schritt, während Einzelne längst die neuen Formen des Lernens und Arbeitens vorleben. Das überforderte Bildungssystem muss sich künftig deutlich reformieren.
• Globale Megatrends lassen nationale Lösungen ins Leere laufen. Rein nationale oder regionale Ansätze und Perspektiven greifen zu kurz, weil zum Beispiel Wissensarbeit bald nahezu gänzlich ortsungebunden ausgeübt werden kann.
Vor dem Hintergrund dieser Untersuchung stellt sich für uns die Frage: Werden unsere Arbeitsplätze künftig wegrationalisiert, gehören wir zu den Gewinnern oder zu den Verlierern? Zwar gibt es dazu keine eindeutigen Aussagen, gleichwohl zeichnen sich bestimmte Trends ab.
Gewinner und Verlierer
Der international angesehene Physiker Michio Kaku, der als Sohn japanischer Einwanderer in Palo Alto aufwuchs, beschäftigt sich in seinem Buch „Die Physik der Zukunft, Unser Leben in 100 Jahren“48 damit, welche Berufe Mitte des Jahrhunderts Konjunktur haben werden.
Die Antwort dazu leitet Kaku aus einer einfachen Frage ab: Welche Grenzen haben Roboter?49 Die Künstliche Intelligenz steht vor mindestens zwei großen Problemen: Mustererkennung und gesunder Menschenverstand. Daher sind die Jobs, die in Zukunft überleben werden, hauptsächlich diejenigen, die Roboter nicht ausführen können – Jobs, die diese beiden Fähigkeiten verlangen.
Unter den Arbeitern werden die Verlierer diejenigen sein, die rein repetitive Aufgaben erledigen (beispielsweise Fließbandarbeiter), weil Roboter ihnen dabei überlegen sind. Darum gehörten bereits in der Vergangenheit Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie zu den ersten, die unter der Computerrevolution zu leiden hatten. Das heißt, dass sämtliche Fabrikarbeit, die sich auf eine Reihe festgelegter, sich wiederholender Bewegungen reduzieren lässt, auch mit der Zeit verschwinden wird.
Überraschenderweise – so Kaku – gibt es eine große Gruppe von Arbeitern und Angestellten, die die Computerrevolution überleben und sogar aufblühen werden. Die Gewinner werden diejenigen sein, die nichtrepetitive Aufgaben erfüllen, welche Mustererkennung erfordern. Polizisten, Bauarbeiter, Gärtner oder Installateure – sie alle werden auch künftig einen Job haben.
Bauarbeiter benötigen für jede Aufgabe andere Werkzeuge, Blaupausen und Anweisungen. Keine zwei Baustellen oder zwei Aufgaben sind identisch. Polizisten müssen eine Vielzahl von Verbrechen in unterschiedlichen Situationen analysieren. Darüber hinaus müssen sie die Motive und Methoden der Gesetzesbrecher verstehen, was weit über die Fähigkeit eines Computers hinausgeht. Ebenso sind jeder Garten und jeder Abfluss anders und erfordern unterschiedliche Werkzeuge und Fähigkeiten.
Unter den Angestellten werden diejenigen zu den Verlierern gehören, zu deren Aufgaben Inventuren und rein repetitive Tätigkeiten gehören. Auf niedriger Ebene tätige Agenten, Makler, Verkäufer, Kassierer, Buchhalter usw. werden zunehmend ihren Arbeitsplatz verlieren. Bereits heute umgehen viele den Verkäufer im Reisebüro, indem sie Flugtickets, Hotels und Leihautos über das Internet buchen.
Kaku gibt denjenigen Menschen im Mittelbau eine gute Zukunftsperspektive, die den Wert ihrer Arbeit erhöhen und die kreativ sind. Dazu rechnet er unter anderen Künstler, Schauspieler, Softwareschreiber, Führungspersönlichkeiten, Analytiker und Wissenschaftler, aber auch zum Beispiel Menschen, die sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigen.
Auch Führungsqualitäten werden in Zukunft eine wertvolle „Ware“ sein. Teilweise besteht Führung darin, sämtliche verfügbaren Informationen, Sichtweisen und Optionen zu bewerten und dann die zielführende zu wählen. Führung ist deswegen so komplex, weil es darum geht, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit all ihren persönlichen Stärken und Schwächen zu erkennen, zu motivieren und zu leiten. All dies verlangt ein ausgeprägtes Gespür für die menschliche Natur und für Marktkräfte, was weit über die Fähigkeiten eines Computers hinausgeht.
All diese Entwicklungen in unserer Arbeitswelt sind zwar von weltweiten Trends abhängig. Das heißt aber nicht, dass national und regional keine Aktivitäten notwendig sind, um die künftigen Entwicklungen positiv zu beeinflussen. Deutschland ist heute eine der führenden Wirtschafts- und Exportnationen und zählt zu den innovativsten Ländern weltweit. Diese Position gilt es zu behaupten und zu sichern.
Innovationen für die Arbeit von morgen
Die Bundesregierung hat im Januar 2016 das Programm „Zukunft der Arbeit. Innovationen für die Arbeit von morgen“ vorgelegt.50 Damit will sich die Bundesregierung den Veränderungsprozessen stellen, die sich aus den drei großen Trends Globalisierung, demografische Entwicklung und Digitalisierung für die künftigen Produktions- und Dienstleistungen ergeben. Die Konzeption und Umsetzung dieses Förderprogramms erfolgt in enger Abstimmung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Sozialpartnern.
Die Ergebnisse dieses Programms sollen Gestaltungsmöglichkeiten liefern, die für die Zukunft der Arbeit zum Standard werden können. Dabei kommt es darauf an, dass entsprechende Lösungen insbesondere auch mit und für den deutschen Mittelstand entwickelt und möglichst alle Chancen für Beschäftigte und Unternehmen in gleicher Weise genutzt werden. Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMU) beschäftigen in Deutschland rund 16 Millionen Menschen, 4 Millionen stehen im Handwerk in einem festen Arbeitsverhältnis. Damit sind KMU und Handwerk neben den international agierenden Konzernen tragende Säulen der deutschen Wirtschaft.51
Die Umsetzung des Programms „Zukunft der Arbeit“ soll neben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit in gleichem Maße die Bedürfnisse der Menschen im Arbeitsprozess berücksichtigen. Die Bundesregierung will Innovationen in Betrieben fördern, um technischen Fortschritt auch für soziale Innovationen zu nutzen und dadurch neue Arbeitsprozesse und ein Miteinander der Sozialpartner voranzubringen.
Qualifizierung und Kompetenzentwicklung werden dabei als Schlüssel angesehen, um die wirtschaftlichen Potenziale der Digitalisierung zu heben und faire Zugangschancen für den Arbeitsmarkt der Zukunft zu eröffnen. Dabei sucht die Bundesregierung