Unsere Zukunft nach Corona. Thies Claussen
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Dieser Trend geht noch weiter: Das Statistische Bundesamt schätzt, dass – wenn keine Sonderentwicklungen und unvorhergesehene Ereignisse wie Kriege, Krisen oder Umweltkatastrophen eintreten – die Lebenserwartung von Jungen, die im Jahr 2060 geboren werden, auf bis zu 86,2 Jahre, die der Mädchen auf bis zu 89,6 Jahre ansteigen kann.29
Auch für ältere Menschen hat die Lebenserwartung weiter zugenommen. Nach den sogenannten „Sterbetafeln“ beläuft sich zum Beispiel die noch verbleibende Lebenserwartung von 65-jährigen Männern auf mittlerweile 17 Jahre und 8 Monate. Für 65-jährige Frauen ergeben sich statistisch gesehen 21 weitere Lebensjahre.30 In den letzten zehn Jahren ist in dieser Altersgruppe ein Anstieg bei den Männern um 1 Jahr und 5 Monate beziehungsweise 1 Jahr und 2 Monate bei den Frauen zu verzeichnen. Und dieser Trend setzt sich fort, auch wenn nicht jeder mit Johannes Heesters gleichzieht.
Trotz des langfristigen Anstiegs der Lebenserwartung nimmt Deutschland im internationalen Vergleich keine Spitzenstellung ein. So weisen in Europa etwa Italien, Norwegen, Schweden und Spanien sowie die Nachbarländer Belgien, Frankreich, Luxemburg, Schweiz und Österreich bei beiden Geschlechtern eine höhere Lebenserwartung bei Geburt auf. Besonders deutliche Beispiele: In der Schweiz haben Männer bei der Geburt eine um 3,3 Jahre höhere Lebenserwartung als in Deutschland, oder Frauen in Spanien eine um 3,1 Jahre höhere Lebenserwartung als Frauen in Deutschland.31
Nach einer vom Statistischen Bundesamt herangezogenen internationalen „Global Burden of Disease-Study“ zeigen sich für Deutschland insbesondere vier gesundheitsrelevante Indikatoren, bei denen andere Länder gegenwärtig deutlich bessere Werte aufweisen: Anteil der Rauchenden, Alkoholkonsum, Sterblichkeit durch Suizid und Übergewicht bei Kindern.32
Älterer Bevölkerungsanteil wächst weiter
Die Alterung der Bevölkerung in Deutschland wird sich trotz hoher Nettozuwanderung und gestiegener Geburtenzahlen weiter verstärken. In den nächsten 20 Jahren sind durch den aktuellen Altersaufbau ein Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter und ein Anstieg der Seniorenzahl vorgezeichnet. Dies ist das zentrale Ergebnis der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, die das Statistische Bundesamt (Destatis) im Juni 2019 in Berlin vorgestellt hat.33
Die aktuelle Vorausberechnung zeigt, dass sich diese Prozesse trotz einer relativ weit gefassten Spannweite der Annahmen zur künftigen Entwicklung der demografischen Einflussfaktoren wie Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Nettozuwanderung nicht aufhalten lassen. Im Einzelnen kommt die aktuelle Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts zu folgenden Ergebnissen:34
• Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung: Im Jahr 2018 waren in Deutschland 51,8 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 66 Jahren. Bis zum Jahr 2035 wird die erwerbsfähige Bevölkerung um rund 4 bis 6 Millionen auf 45,8 bis 47,4 Millionen schrumpfen. Anschließend wird sie sich zunächst stabilisieren und danach bis zum Jahr 2060 je nach der Höhe der Nettozuwanderung auf 40 bis 46 Millionen sinken. Ohne Nettozuwanderung würde sich die Bevölkerung im Erwerbsalter bereits bis 2035 um rund 9 Millionen Menschen verringern.
• Ältere Bevölkerungsgruppen werden weiterwachsen: Die Zahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren stieg bereits zwischen 1990 und 2018 um 54 % von 10,4 Millionen auf 15,9 Millionen. Sie wird bis 2039 um weitere 5 bis 6 Millionen auf mindestens 21 Millionen wachsen und anschließend bis 2060 relativ stabil bleiben.
Die Zahl der Menschen im Alter ab 80 Jahren wird von 5,4 Millionen im Jahr 2018 bereits bis 2022 auf 6,2 Millionen steigen und dann bis Anfang der 2030er Jahre auf diesem Niveau bleiben. In den sich anschließenden 20 Jahren wird sie aber kontinuierlich zunehmen und im Jahr 2050 je nach angenommener Entwicklung der Lebenserwartung auf 8,9 bis 10,5 Millionen wachsen.
• Bevölkerungswachstum bis mindestens 2024, Rückgang spätestens ab 2040: Die Bevölkerungszahl insgesamt weist im Unterschied zur Bevölkerung im Erwerbs- und Seniorenalter eine größere Spannbreite möglicher Entwicklungen auf. Je nach angenommener Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Nettozuwanderung wird die Bevölkerungszahl von 83 Millionen im Jahr 2018 mindestens bis 2024 zunehmen und spätestens ab 2040 zurückgehen. Im Jahr 2060 wird sie voraussichtlich zwischen 74 und 83 Millionen liegen.
• Regionale Unterschiede werden sich bis 2060 weiter verstärken: Bei einer moderaten Entwicklung von Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Nettozuwanderung wird die Bevölkerungszahl bis 2060 in den westdeutschen Flächenländern um 4 % und in den ostdeutschen Flächenländern um 18 % abnehmen. In den Stadtstaaten wird sie dagegen um 10 % wachsen. Die Bevölkerung im Erwerbsalter zwischen 20 und 66 wird – anders als die Bevölkerungszahl insgesamt – in allen Bundesländern abnehmen. Zwischen 2018 und 2060 wird unter den gleichen Voraussetzungen die Zahl der erwerbsfähigen Personen in den westdeutschen Flächenländern um 16 %, in den ostdeutschen Flächenländern um 30 % und in den Stadtstaaten um 4 % sinken.
Bei der demografischen Entwicklung verdient insbesondere die zunehmende Alterung der Bevölkerung in Deutschland besondere Beachtung. Die Anzahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren wird weiter steigen, besonders in den nächsten 20 Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer sukzessive in dieses Alter aufrücken. Während derzeit jede fünfte Person dieser Altersgruppe angehört, wird es 2060 bereits jede dritte Person sein.
Dies führt zu einer ganzen Reihe heute zum Teil noch ungeklärter Fragen: Müssen wir künftig bis 68, 69, 70 Jahre oder gar noch länger arbeiten, um unsere Sozialsysteme in Balance zu halten und um den Jüngeren keine unzumutbaren Belastungen aufzubürden? Oder schaffen es deutliche gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritte, die bisherigen Renteneintrittszeiten zu halten? Wie viele Senioren- und Pflegeheime und wie viele Pflegekräfte brauchen wir künftig? Welche Beiträge können die älteren Menschen künftig für die Gesellschaft einbringen? Können die jungen Menschen mit ihrer Arbeit das Wirtschaftssystem bei den sich abzeichnenden demografischen Entwicklungen in Gang halten? Kann unser Land mit seiner hohen Altersstruktur dem internationalen Wettbewerb mit deutlich jüngeren Staaten standhalten?
Regionale Auswirkungen der Demografie
Auch auf regionaler Ebene treten die demografischen Verwerfungen immer deutlicher hervor. Was im Osten Deutschlands schon vor 25 Jahren deutlich wurde, ist mittlerweile zu einem bundesweiten Phänomen geworden: Vor allem junge Menschen zieht es verstärkt in die urbanen Zentren, während die peripher gelegenen ländlichen Gebiete – dort, wo nicht entschlossen gegengesteuert wird - kontinuierlich an Bedeutung verlieren und die Dörfer immer mehr den Älteren überlassen werden. Nach Ansicht von Reiner Klingholz vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung haben die Landflucht und die Renaissance der Städte vor allem folgende fünf Gründe:35
• Erstens liegen die Kinderzahlen auf dem Land heute so niedrig wie in den Städten. Während früher die Dörfer ihren Überschuss an Menschen stets an die Städte abgaben und so das urbane Wachstum förderten, ohne selbst zu schrumpfen, verlieren sie heute junge Menschen auf der Suche nach einer Ausbildung oder einem Job, ohne die Lücken aus eigener Kraft füllen zu können.
• Zweitens entstehen neue Arbeitsplätze in modernen Wissensgesellschaften dort, wo sich eine kritische Masse an Unternehmen, Forschungseinrichtungen und klugen Köpfen findet – also in den Ballungsräumen und kaum auf dem Land.
• Drittens haben sich in den ländlichen Gebieten die infrastrukturellen Versorgungsbedingungen durch den Wegzug vieler Menschen