Shinobi - Der Weg der Schatten. Danny Seel
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Yujiro wandte den Kopf zur Seite und sah, wie der geflüchtete Komono wieder auf sie zulief, wobei er dieses Mal mit einigen Dōshin zurückkehrte. Rintaro begann davonzurennen, drehte sich jedoch nach einer Weile um, als er sah, dass Yujiro etwas hinter ihm blieb.
„Beeil dich!“
„Ich renn’ schon, so schnell ich kann“, antwortete Yujiro und biss die Zähne zusammen, als Schmerz sein verwundetes Bein hochschoss.
Sobald Rintaro die Ursache von Yujiros Langsamkeit bewusst wurde, lief er zurück und schlang einen Arm um die Schulter seines Waffenbruders. Humpelnd eilten sie von ihren Verfolgern davon, welche ihnen dicht auf der Spur waren. Unter großer Anstrengung liefen sie weiter, wobei sie hörten, wie die Dōshin aufholten.
Hastig rannten sie um eine Ecke. Rintaro schaute sich flüchtig über die Schulter und bemerkte, dass niemand sie momentan im Blickfeld hatte.
„Hier hinein!“, flüsterte er laut und öffnete die Schiebetür eines zufälligen Gebäudes.
Völlig von der Unhöflichkeit der zwei unerwarteten Besucher überrascht, ging der Bewohner des Hauses, der gerade an seinem Grüntee genippt hatte, wilden Schrittes auf die beiden Männer zu.
„Was fällt euch ein?!“, fauchte er wütend. „Ihr–“
Abrupt stockte er mitten in seiner Rede, als ihm Rintaro ein Tantō an den Hals drückte.
„Seid still!“, zischte er im Flüsterton.
Der Mann wagte es nicht, auch einen Laut von sich zu geben, und schluckte vor Nervosität. Draußen vernahmen sie die Rufe aufgeregter Polizisten.
„Sie können doch nicht vom Erdboden verschluckt worden sein!“, beschwerte sich einer von ihnen.
„Weit können sie nicht gekommen sein … nicht mit so einer Verletzung am Bein!“
Sie hörten, wie die Schritte der Dōshin sich entfernten und Yujiro seufzte vor Erleichterung auf. Sie hatten es doch geschafft!
5. Grenzkontrolle
Es war schon spät am Nachmittag. Zeichen des sich zu Ende neigenden Sommers waren überall erkennbar und die Ankunft des Herbstes wurde immer deutlicher.
Aus einer kleinen Gasse beobachte Yujiro, wie der Wind die herbstverfärbten Blätter aufwirbelte. Das Rascheln der vielen Blätter erinnerte ihn an seine Kindheit.
Tief ausatmend betrachtete er den großen Tempel, der als Treffpunkt für die drei Shinobi ausgemacht worden war. Sein Blick verharrte einen Moment lang auf dem prachtvollen Gebäude, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder seiner früheren Beschäftigung zuwandte. Sorgfältig wickelte er einen Verband um seinen Schenkel. Die Wunden waren weder lebensgefährlich, noch tief und behinderten ihn lediglich in seinen Bewegungen.
„Ich frage mich, wie ich damit an den Wachen vorbeikommen soll“, brach er die Stille. „Sie werden mich sicherlich darüber fragen.“
Der eher zurückhaltende Rintaro, der neben ihm stand, spähte aus der Gasse heraus, welche einen direkten Blick auf den Tempel hatte, um Ausschau nach Suzaku oder möglichen Gefahren zu halten.
„Mach dir keine Sorgen“, versicherte er seinem Freund, „es wird schon gut ausgehen.“
Sobald Yujiro endlich mit dem Verbinden seiner Wunde fertig war, seufzte er wegen der Schmerzen. Er wollte sich an die Wand hinter ihm zurücklehnen, als eine plötzliche Bewegung seines Gefährten ihn aufblicken ließ.
„Was ist?“
Um die Ecke blickend, schwieg Rintaro einen Augenblick lang und zog dann abrupt den Kopf so schnell zurück, als ob man ihn gesehen hätte. „Da kommt ein Komusō.“
Neugierig riskierte Yujiro einen Blick und sah einen Mann, der in einem ruhigen Gang unbewusst auf sie zuging. Er hatte eine eigenartige Kopfbedeckung, die darauf hinwies, dass er ein Mönch der Leere war. Diese Kopfbedeckung war ein Korb aus Stroh, der etwa fünfzig winzige Löcher hatte, die ihm die Sicht und vor allem die Atmung ermöglichten.
Er stand eine halbe Minute lang vor dem Tempel da und blickte sich mehrmals um. Dann, zum Entsetzen der beiden Männer, bog er direkt in die Gasse ab und blieb vor ihnen stehen, sobald er sie erblickte.
„Kann ich euch irgendwie behilflich sein?“, fragte er vorsichtig.
Yujiro fing sich als Erster. „Ich bezweifle es. Wir warten auf jemanden.“
Er wurde ein wenig nervös, als der Komusō zwei Sekunden lang nichts sagte, denn er konnte wegen des Korbs die Reaktion des Mönchs nicht erkennen.
„Wartet ihr nicht zufällig auf einen Bauern, der heute von Dōshin verfolgt worden war, die behauptet haben, er sei ein Shinobi?“
Rintaro war kurz davor nach einem Messer zu greifen, konnte sich jedoch noch in der letzten Sekunde zurückhalten. Bestürzt tauschten er und Yujiro alarmierte Blicke aus. Der Komusō musste Mut haben, wenn er tatsächlich annahm, dass sie die anderen zwei feindlichen Spione waren.
Yujiro betrachtete aus den Augenwinkeln das Schwert, das an der Hüfte des Mönchs hing. Viele Komusō waren ursprüngliche Samurai und obwohl Bushi immer ein Schwertpaar trugen, durften diese Mönche bloß ein einzelnes Schwert besitzen.
„Angenommen, das würde stimmen … was wäre dann?“, antwortete er subtil, als er versuchte durch die kleinen Ritze der Kopfbedeckung seines Gesprächspartners zu schauen.
„Na dann könnte ich euch helfen. Ich weiß nämlich, wo er sich aufhält“, erwiderte der Komusō.
Yujiro nickte seinem Gefährten zu und dieser zog begreifend einen kleinen Geldbeutel heraus.
„Wie viel?“, fragte er.
„Nein! Ich möchte euer Geld nicht haben!“, rief der Mönch empört.
Überrascht band Rintaro den Beutel wieder an seinen Obi, seinen Gürtel.
„Euer Gefährte befindet sich direkt vor Ihnen!“
Der Komusō nahm den Korb ab.
„Suzaku!“, schnappten die beiden nach Luft.
Yujiro schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Du bist ja einer! Wo hast du dich eigentlich herumgetrieben? Nur ein Neuling wie du könnte so viel Zeit benötigen!“
Suzaku widersprach: „Ich hatte mein Training bereits vor zwei Jahren abgeschlossen. Ich denke, ich bin schon lange kein Neuling mehr.“
„Ich glaube, du meinst, du hattest erst vor zwei Jahren dein Training abgeschlossen“, lächelte Yujiro. „Wobei meins bereits fünfzehn Jahre zurückliegt.“
„Wo hast du eigentlich diese Verkleidung her?“, erkundigte sich Rintaro und hob eine Augenbraue.
„Nun ja …“ Suzaku wirkte verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. Es war ihm anzusehen, dass er versuchte, der Frage auszuweichen, denn es war ihm unangenehm, zuzugeben, dass er die Kleidung gestohlen