Wach da sein. Klaus Fahrendorf
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Meine Bitte an uns alle ist, dem genau und genauer nachzugehen, es im Atemgeschehen zu ergründen: Mein Leben ist nichts als Leben. Nicht das Leben eines Menschen, einer Blüte usw., sondern Leben in dieser und in jener Form!
Und da es immer so weiter geht das Leben, selbst im Staub, selbst in der Asche, im Wasser, in der Erde, in der Luft, ist da eben immer und unendlich was? Leben! So transzendiert Leben Geburt und Tod und unsere Angst davor!
Das, was ich hier sage als Ausdruck dessen, was buddhistisch mit dem Begriff „Leere“ oder „Leerheit“ bezeichnet wird, d.h. nicht nichtexistent zu sein, sondern „leer von einem eigenständigen Selbst zu sein und daher voll von allem, erfüllt von Leben zu sein“45, soll bitte nicht als Gegensatz oder gar als Aufhebung zum Beispiel christlicher Glaubensvorstellungen zu Leben, Tod, Auferstehung, ewigem Leben verstanden werden, sondern als ein Hinweis dahin, durch ein Durchsichtigwerdenlassen unserer dualistisch geprägten Vorstellungen eines bloßen „Subjekt-Objekt-Bewusstseins“ zu einer (Ein-)Sicht zu gelangen, die – christlich gesprochen – dem entspricht, was die Jünger Jesu an Ostern erfahren haben: Dass es eine Überwindung des Todes und seiner Furcht vor ihm gibt, indem wir das Leben in uns, das göttliche Leben in uns vollständig, ohne jeden Vorbehalt und ohne jedes Unterscheiden- und Verstehenwollen bejahen, indem wir – anders geht es wahrlich nicht – alles „sausen“ lassen, was wir mit unserem „Subjekt-Objekt-Bewusstsein“ „auf Teufel komm raus“ (!) festhalten wollen. Die Aufgabe von allem vorher Vorgestellten und mit Eifer und Inbrunst Verfolgtem – das war das, was den Jüngern geschah an Ostern, so empfinde ich das.
Jeder von uns, egal, wo und wie er sich religiös oder nichtreligiös verortet, ist da aufgerufen, sich dieser Herausforderung, alles loszulassen, alles „etwas“ sterben zu lassen, zu stellen, weil wir doch alle teilhaben an diesem Leben in uns und allem anderen.
Welch ein Reichtum wartet da auf Entdeckung!
In diesem Sinne wünsche ich „Frohe Ostern“!
41 Thich Nhat Hanh, Mit dem Herzen verstehen, 6. Auflage, 1999.
42 A.a.O., S. 44.
43 A.a.O., S. 45.
44 A.a.O., S. 52.
45 A.a.O., S. 38.
07
Direkt sagen
Ich bin vor zwei bis drei Wochen auf ein Buch aufmerksam geworden, „Zen Spirit – Christian Spirit“ von Robert E. Kennedy, einem Jesuiten aus den USA und Zen-Lehrer in der Linie von Bernard Glass- man. Robert E. Kennedy war früher in Japan und hatte dort bei Yamada Kôun Roshi begonnen, Zen zu praktizieren.
Dieses Buch ist 1995 erschienen. Eine deutsche Übersetzung aus 1997 gibt es auch, allerdings nur noch in gebrauchten Exemplaren erhältlich46. Aber all das habe ich erst jetzt, im Jahre 2017 entdeckt. Für diejenigen unter euch, die als Christen Zen praktizieren (wollen), kann ich die Lektüre empfehlen. Ich stelle an den meisten Stellen bislang fest, dass ich dem Autor zustimme und ihm dankbar dafür bin, wie klar er viele problematische Punkte im Dialog zwischen Christentum und Buddhismus in der Ausformung des Zen anspricht – und was er dazu sagt.
Genug der Vorrede.
Im Kapitel „Theorien“ bringt Kennedy ein Koan47 mit gewissen Abwandlungen, um damit auch für Christen zu verdeutlichen, dass der Weg, dass ein Suchen nach dem Sinn, nach dem, was das alles bedeutet, hier als ein Mensch auf diesem Planeten zu leben, nicht im „Wissen um Antworten“48, nicht im Erlangen von Lösungen mittels Antworten etc. sein Ende und seine Vollendung findet. Kennedy erzählt dazu die Geschichte aus dem Koan Nr. 73 Hekiganroku (Baso und die hundert Verneinungen) neu:
Zen-Meister Baso wurde von einem Mönch gebeten, ihm – unter Außerachtlassen von jeglichen philosophischen und religiösen Gedanken und Konzepten – direkt zu sagen, was der Kern, das Wesen, die letzte Wahrheit des Buddhismus ist. Baso sagte: „Mir ist nicht danach, es dir heute zu erklären. Geh und frage den Hauptmönch.“ Der Mönch ging und fragte den Hauptmönch. Der Hauptmönch sagte: „Heute habe ich Kopfschmerzen. Geh und frag den Koch.“ Der Mönch fragte den Koch. Der Koch sagte: „Wenn es darum geht, habe ich es vergessen; ich weiß es nicht. Aber ich habe eine gute Suppe gekocht, willst du welche haben?“ „Nein“, antwortete der Mönch und kehrte zu Baso zurück. Er erzählte diesem, was sich zugetragen hatte. Baso sagte: „Der Kopf des Hauptmönchs ist weiß. Der Kopf des Kochs ist schwarz.“49
Kennedy vergleicht diese Geschichte mit dem, was ihm in seinem Sabbatjahr passiert ist, in dem er in Japan (Kyoto) von Tempel zu Tempel, von Meister zu Meister gegangen ist, um eine Antwort auf die nämliche Frage zu erhalten, die der Mönch im 8. Jahrhundert nach Christus dem großen Meister Baso gestellt hatte. Und dann wandelt er die Geschichte noch einmal ab und ergänzt sie wie folgt:
„Baso fragt den Besucher: ‚Nun, hast du den Sinn des Buddhismus herausgefunden?‘ ‚Nein‘, sagt der Gast. ‚Aber dein Hauptmönch ist ein kranker Mann, und dein Koch hat aufgehört zu denken. Was für ein Kloster!‘
An jenem Abend schlürfen die drei alten Freunde Reiswein nach dem Abendessen. ‚Nun‘, sagte der Hauptmönch, ‚hat dein Besucher den Sinn des Buddhismus herausgefunden?‘
‚Ich glaube nicht‘, sagte Baso. ‚Er schien enttäuscht von uns zu sein.‘
‚Und er hat die Suppe nicht probiert‘, sagte der Koch.
‚Wie schade‘, sagte der Hauptmönch. ‚Den ganzen Weg hierher in seinem freigestellten Jahr, und er hat nichts gelernt.‘
‚Vielleicht nächstes Jahr‘, sagte Baso. ‚Übrigens, morgen kommt noch ein freigestellter Lehrer hierher.‘
‚Um den Sinn des Buddhismus herauszufinden?‘ fragte der Hauptmönch.
‚Ja‘, sagte Baso. ‚Ich schicke ihn zu euch rüber.‘
‚Vielleicht probiert er meine Suppe‘, sagte der Koch.“
„Man stelle sich vor!“, fährt Kennedy fort. „Der Besucher befand sich in der lebendigen und leibhaftigen Gegenwart Meisters Baso persönlich, und er wendete sich ab, nach einer ‚Antwort‘ suchend. Der Hauptmönch enthüllte dem Gast den Zustand seines Geistes und Körpers, aber der Gast wendete sich ab, nach einer ‚Antwort‘ suchend. Der Koch bot dem Gast eine dampfende Schüssel köstlicher Suppe an, doch der Gast wendete sich ab, nach einer ‚Antwort‘ suchend. Ich würde lachen, hätte ich nicht dasselbe in Kyoto getan.
…
Das Koan über Meister Baso legt Christen50 nahe aufzuhören, ‚Gräser zu fegen‘ auf der Suche nach anderen, die uns Antworten geben. Das Koan deutet an, dass niemand jemals einem Zen-Lehrer mit einer Antwort kommen sollte. Jede Antwort, an der wir festhalten und die wir nach Hause nehmen, würde uns einschränken und einsperren und es uns unmöglich machen, frei und schöpferisch in Reaktionen auf neue Situationen zu handeln. Der Weg liegt nicht