Seine schönsten Erzählungen und Biografien. Stefan Zweig

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Seine schönsten Erzählungen und Biografien - Stefan Zweig

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als Katholik, den Katholiken als Hugenotte. Niemand weiß, welcher Sache er dient, und er weiß vielleicht selbst nichts anderes von sich, als daß er irgend etwas Großes und Besonderes tun möchte, etwas anders als die anderen, etwas Wilderes, Verwegeneres, Romantischeres und Eigenartigeres. In Spanien wäre er ein Pizarro geworden oder ein Cortez, aber sein König, vollauf im Lande beschäftigt, organisiert keine kolonialen Abenteuer; so muß der ungeduldige Villegaignon eines auf eigene Faust erfinden. Er rafft ein paar Schiffe zusammen, lädt sie voll mit ein paar hundert Mann, meistens Hugenotten, die sich im Frankreich der Guisen unbehaglich fühlen, aber auch Katholiken, die in die neue Welt wollen, und, ruhmsüchtig im höchsten Grade, nimmt er sich vorsichtsweise gleich einen Geschichtsschreiber, André Thévet, mit, denn er hat keinen geringeren Traum als eine »France Antarctique« zu gründen, deren Schöpfer, Gouverneur oder vielleicht sogar eigenwilliger Fürst er sein will. Wieweit der französische Hof diese Pläne gekannt, wieweit er sie gebilligt und sogar gefördert hat, ist kaum ersichtlich. Wahrscheinlich hätte im Falle eines Erfolgs König Heinrich sich seine Tat ebenso zu eigen gemacht wie Elisabeth von England die ihrer Piraten Raleigh und Drake; zunächst läßt man Villegaignon bloß als Privatperson sein Glück versuchen, um nicht gegenüber Portugal durch eine offizielle Mission und Annexion ins Unrecht zu kommen.

      Villegaignon, als bewährter Soldat zunächst auf Verteidigung bedacht, errichtet sofort nach seiner Ankunft auf der heute nach ihm benannten Insel ein Fort Coligny zu Ehren des hugenottischen Admirals, während er die gegenüberliegende künftige Stadt – vorläufig nichts als Sumpf und leere Hügel – aus Respekt für seinen König großspurig Henriville tauft. Unbedenklich in religiösen Dingen, holt er, da er für diese erträumte Kolonie in Frankreich keine anderen Katholiken mehr findet, sich 1556 eine weitere Ladung Calvinisten aus Genf herüber, was innerhalb der kleinen Niederlassung bald zu religiösen Zänkereien führt. Zweierlei Prediger, die sich gegenseitig Ketzer nennen, sind zuviel auf einer engen Insel. Aber immerhin, die France Antarctique ist begründet, und die Franzosen stehen, da sie keine Sklavenräuberei dulden, bald in bestem Einvernehmen mit den Eingeborenen, mit denen sie regen Handel treiben; von nun ab pendeln, als wäre es ihr rechtmäßiger Hafen, französische Schiffe regelmäßig zwischen dieser von Frankreich noch nicht offiziell anerkannten Siedlung und dem Heimatland hin und her.

      Dem portugiesischen Gouverneur in Bahia kann dieser Einbruch keineswegs gleichgültig bleiben. Nach dem damals gültigen Rechtsprinzip sind die brasilianischen Küsten ein mare clausum, an dessen Küsten fremde Schiffe weder landen noch Handel treiben dürfen; gar eine Festung mit fremdem Militär im besten Hafen der Kolonie anzulegen bedeutet die Trennung von Süden und Norden und damit die Vernichtung der Einheit Brasiliens. Die natürlichste Aufgabe des Gouverneurs de Sousa wäre, diese fremden Schiffe zu kapern und die Niederlassung zu schleifen, aber er besitzt keinerlei Macht zu einer kriegerischen Unternehmung solchen Umfangs. Die paar hundert Soldaten, die zugleich mit ihm nach Brasilien gekommen waren, sind unterdes längst Landwirte oder Plantagenbesitzer geworden und wenig geneigt, nach ihren bequemen Jahren den Harnisch wieder anzulegen; noch fehlt dem jungen Gebilde jedes Nationalgefühl, jeder Gemeinschaftsgedanke, in Portugal wiederum die richtige Erkenntnis der Gefahr und wie immer das notwendige Geld für eine rasche Expedition. Noch immer ist der Krone das Aschenbrödel Brasilien nicht wichtig genug, um eine kostspielige Flotte auszurüsten. So bleibt den Franzosen reichlich Zeit, sich ständig zu verstärken und zu verschanzen; erst wie ein neuer Gouverneur, Mem de Sá 1557 nach Bahia gesandt wird, beginnt die Vorbereitung einer Aktion gegen die Eindringlinge. Mem de Sá schenkt Nóbrega rückhaltlos Vertrauen und unterwirft sich völlig seiner geistigen Autorität. Und Nóbrega ist es wiederum, der mit seiner ganzen leidenschaftlichen Energie ein rechtzeitiges Vorgehen gegen die Franzosen fordert. Die Jesuiten kennen das Land besser und sind mehr um seine Zukunft besorgt als die Kaufleute in Lissabon, die Länder einzig nach dem momentanen Ertrag ihrer Spezereien bewerten; sie wissen, daß wenn diese französischen Hugenotten an den brasilianischen Küsten dauernd Fuß fassen können, nicht nur die Einheit des Landes, sondern auch die Einheit der Religion für immer zerstört ist. Brief auf Brief senden abwechselnd der Gouverneur und Nóbrega nach Portugal hinüber, um zu fordern, daß man faça socorrer a êsse pobre Brasil. Aber Portugal hat – ein anderer Atlas – eine ganze Welt auf seinen schwachen Schultern zu tragen, und es dauert noch abermals zwei Jahre, bis 1559 endlich ein paar Schiffe von Lissabon herüberkommen und Mem de Sá an eine kriegerische Aktion gegen die Eindringlinge denken kann.

      Der eigentliche Leiter der Expedition ist Nóbrega, der gemeinsam mit Anchieta von seinen Täuflingen möglichst viele herangeholt hat, um die schwache portugiesische Truppe zu verstärken. Zugleich mit dem Gouverneur erscheint er am 18. Februar 1560 vor Rio, und sobald am 15. März von São Vincente die rasch zusammengelesenen Hilfstruppen eintreffen, beginnt der Sturm auf die Festung Villegaignons. Vom heutigen Horizont aus gesehen, ist diese bedeutsame Aktion freilich nur eine Art Frosch- und Mäusekrieg. Hundertzwanzig Portugiesen und hundertvierzig Eingeborene stürmen das Fort Coligny, das von vierundsiebzig Franzosen und einigen Sklaven verteidigt wird. Die Franzosen können nicht standhalten und flüchten rechtzeitig auf das Festland hinüber zu den befreundeten Eingeborenen, um sich auf dem Morro do Castelo neu zu verschanzen. Für die Portugiesen ist es ein Sieg, weil das Fort Coligny, die Zwingburg, eingenommen ist; ohne die Franzosen zu verfolgen oder zu vernichten, kehren sie wieder nach Bahia und São Vincente zurück.

      Aber es ist nur ein halber Sieg, denn die Franzosen bleiben im Lande. Im ganzen sind sie etwa einen Kilometer zurückgeworfen, also eine Strecke, die man heute im Automobil in fünf Minuten durchfährt. Sie sitzen ungehindert im Hafen wie zuvor, treiben weiter ihren Handel, laden Schiffe ein und aus, bauen am Morro do Castelo eine neue Festung statt der alten, sie reizen sogar die Tamoios, die ihnen befreundeten Eingeborenen, zu Unternehmungen gegen die Portugiesen, und der erste Angriff auf São Paulo durch Angehörige dieses Stammes war wahrscheinlich von ihnen organisiert. Aber Mem de Sá hat keine Macht, die Eindringlinge zu vertreiben. Wie immer in Brasilien, von Anfang an bis heute, ist das Manko das gleiche: es sind zu wenig Menschen da. Mem de Sá vermag in Bahia keinen einzigen Arm zu entbehren, sonst geriete die Zuckerproduktion, der ökonomische Nährstoff des Landes, ins Stocken, außerdem hat eine verhängnisvolle Pest den Großteil der Bevölkerung hinweggerafft. Ohne Unterstützung von Portugal ist es darum unmöglich, die Franzosen aus ihrer neuen Position zu verdrängen, und diese Unterstützung läßt endlos auf sich warten; unbehelligt verbleiben die Kolonisten Villegaignons weitere fünf Jahre in Rio. Und wieder ist es Nóbrega, der unablässig drängt und abermals und abermals mahnt, daß, wenn statt Portugals die Franzosen weiterhin Sukkurs schicken, die Bucht von Rio und damit Brasilien endgültig der Krone verloren sei. Endlich hört die Königin auf seine dringliche Bitte und entsendet aus Lissabon Estácio de Sá gemeinsam mit den von den Jesuiten im Lande vorbereiteten Hilfstruppen gegen den Feind. Neuerlich beginnen in liliputanischen Maßen die kriegerischen Aktionen. Am 1. März 1565 segelt Estácio de Sá mit seiner Kriegsflotte in die Bucht von Rio und schlägt unter dem Pão de Açucar, an der Stelle des heutigen Urca, sein Lager auf. Aber, unfaßbar für unsere Vorstellungen von heute, ehe es zu dem Sturm auf den Morro do Castelo – genau zehn Minuten heutiger Autofahrt – kommt, vergehen ebensoviele Monate. Erst am 18. Januar 1566 führt Estácio de Sá seine Soldaten zum Sturm, und in einem Kampf von wenigen Stunden und mit einem Verlust von zwanzig oder dreißig Mann fällt die welthistorische Entscheidung, ob diese Stadt in Hinkunft Rio de Janeiro oder Henriville heißen wird, ob Brasilien der portugiesischen oder französischen Sprachwelt verbleibt – in solchen Dimensionen von zwei oder drei Dutzend Soldaten wurden damals ebenso in Indien wie in Amerika Kämpfe ausgefochten, die Form und Schicksal dieses Weltteils für Jahrhunderte bestimmen sollten. Estácio de Sá selbst bezahlt, von einem Pfeilschuß verletzt, den Sieg mit seinem Leben. Aber diesmal ist es ein entscheidender Sieg: die Franzosen fliehen auf ihren Schiffen aus dem Land und bringen nach Frankreich nichts anderes mit als die Kunde vom Tabak, den sie zu Ehren des Botschafters Jean Nicot benennen. Auf den Trümmern der französischen Festung, dem Morro do Castelo, weiht der Bischof die Kirche der zukünftigen Hauptstadt Brasiliens ein: die Stadt Rio de Janeiro ist mit dieser Stunde erstanden.

      Es war ein liliputanischer Kampf, aber er hat die Einheit Brasiliens gerettet: Brasilien gehört den Brasilianern. Nun aber gilt es die Kolonie auszubauen, und dafür bleiben ihr beinahe

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