Seine schönsten Erzählungen und Biografien. Stefan Zweig

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Seine schönsten Erzählungen und Biografien - Stefan Zweig

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beginnen sich fruchtbar zu entfalten, die Plantagen an der Küste werden erträgnisreich, und neben dem ständig steigenden Export von Zucker und Tabak blüht ein anderes, dunkleres Geschäft, der Import von »schwarzem Elfenbein«. Von Monat zu Monat werden immer größere Frachten afrikanischer Sklaven von Guinea und aus dem Senegal herübergebracht, und soweit sie auf der Reise in den vollgestopften, stinkenden Schiffen nicht verendet sind, auf dem großen Markte in Bahia verhandelt. Eine Zeitlang droht durch diese Fülle der Neger und die erstaunliche Anzahl der von den Portugiesen produzierten mamelucos, dieser Mischlinge aller Schattierungen, der europäische, der zivilisatorische Einfluß ins Schwinden zu geraten; einer Handvoll Unternehmer, die sich maßlos bereichern, steht in den Küstenstädten eine unermeßliche Anzahl farbiger Sklaven gegenüber; ohne die ausgleichende Arbeit der Jesuiten, die im Innern des Landes überall Fazenden anlegen und die Bevölkerung zur Seßhaftigkeit erziehen, die die Ausrottung der Eingeborenen verhinderten und durch Vorurteilslosigkeit die Mischung beförderten, wäre Brasilien vielleicht ein afrikanisches Land geworden, weil Europa sich völlig gleichgültig zeigt. Jedoch Europa, in hundert Kriege verstrickt, hat keine neuen Kolonisten abzugeben, und nur wenige Einsichtige finden sich, denen allmählich die Erkenntnis von dem Werte dieses Landes klargeworden ist; schon 1587 wird Gabriel Soares de Sousa in seinem »Roteiro« die prophetischen Worte finden: Estará bem empregado todo cuidado que Sua Majestade mandar ter deste novo reino, pois está capaz para se edificar nelle hum grande imperio o qual com pouca despeza deste reino se fará tão soberano que seja hum dos estados do mundo.

      Die Stunde aber ist längst vorüber, wo das die halbe Welt beherrschende Portugal noch irgend jemandem helfen konnte, denn sein großartiger romantischer Traum, die ganzen drei Erdteile für sich und den christlichen Glauben zu erobern, ist ausgeträumt. Es hatte dem kleinen, tapferen Lande nicht genügt, beide Küsten Afrikas, die östliche und die westliche, zu besitzen und Indien bis hoch hinauf nach China seinem Handelsmonopol unterworfen zu haben. König Sebastian, der letzte und kühnste Träumer dieses heroischen Geschlechts, träumt von einem Kreuzzuge, der ein für allemal die muselmanische Macht vernichten soll. Statt seine besten Kräfte, seine Ritter, seine Soldaten in den Kolonien zu verteilen und das Reich der »Lusiaden« durch realistische Organisation zu erhalten, sammelt er wie ein Gralsritter in silberner Rüstung seine ganze Macht zu einem einzigen Heer und setzt nach Afrika über, um den maurischen Erbfeind mit einem Schlage zu vernichten. Aber nicht die Mauren trifft der vernichtende Schlag, sondern ihn selbst, und in der Schlacht von Alcacer-Quibir, diesem letzten, verspäteten Kreuzzug des Abendlands gegen das Morgenland, wird 1578 das portugiesische Heer völlig vernichtet und König Sebastian erschlagen. Die ungeheure Überspannung des Willens hat sich grausam gerächt: Portugal, das kleine Land, das ein Weltall sich untertan machen wollte, verliert seine eigene Unabhängigkeit, und Spanien rafft den freigewordenen Thron an sich. Das von tausend Kämpfen ausgeblutete Land vermag keinen Widerstand zu leisten; für zweiundsechzig Jahre, von 1578 bis 1640, verschwindet Portugal als selbständiges Reich aus der Geschichte. Alle seine Kolonien und somit auch Brasilien werden spanischer Kronbesitz.

      Damit beherrscht für eine Weltstunde Philipp II. ein Weltreich, das jenes Alexanders und das römische des Augustus weit übertrifft. Außer der iberischen Halbinsel gehören dem Habsburger noch Flandern und das ganze erforschte Amerika, drei Viertel von Afrika und das von den Portugiesen eroberte indische Reich. Und dieses Gefühl der Kraft und der Größe spiegelt sich in der Kunst Iberiens. Cervantes, Lope de Vega, Calderon schaffen ihre unvergleichlichen Werke; aller Reichtum der Erde strömt in dies eine triumphierende Land.

      An diesem Triumph hat Brasilien geringen Teil und keinerlei Vorteil; statt zu gewinnen an Macht, durch die unerbetene Zugehörigkeit zu dem iberischen Imperium, bekommt die bisher unbehelligte Kolonie alle Feinde Spaniens ins Haus; englische Piraten plündern Santos, verbrennen São Vincente, die Franzosen setzen sich zeitweise am Maranhão fest, die Holländer brechen in Bahia ein und räubern dort die Schiffe. Schmerzhaft muß es Brasilien fühlen, wieviel neue Mächte seit der Vernichtung der Armada Spanien die Herrschaft über das Meer streitig machen. Keine dieser piratischen Einzelaktionen kommt freilich tief unter die Haut, es sind bloß kleine Schädigungen und Beunruhigungen, die der raschen Entwicklung nichts anhaben können. Gefährlich wird die Situation für Brasilien erst, da in Holland ein geregelter und wohldurchdachter Plan einsetzt, nicht bloß Häfen zu plündern, sondern het Zuikerland, wie diese guten Kommerzleute Brasilien nach seinem besten Handelsartikel benennen, als Ganzes zu erobern.

      Holland, wirtschaftlich vorbildlich organisiert, weiß genau um den Wert Brasiliens, und kaum dürfte das Wort in den »Diálogos das grandezas do Brasil« (1618) seinen wachsamen Kaufleuten entgangen sein, daß als Ganzes Brasilien mehr Reichtümer besitze als Indien. So ist es wohl kein Zufall, daß 1621 nach dem Vorbild der indischen Compagnie in Amsterdam eine Compagnie »das Índias Ocidentais« mit großem Kapital begründet wird – angeblich bloß um Handel mit Brasilien und Südamerika zu treiben, in Wirklichkeit mit dem Hintergedanken, dieses gewaltige Reich für Holland und sein Handelsmonopol in Besitz zu nehmen. In dieser Compagnie sitzen gute Rechner, die einsehen, daß man für ein so großes Ziel auch große Investitionen einsetzen muß; um Brasilien zu besetzen und noch wichtiger, um es dann festzuhalten, darf man nicht, wie es die Franzosen getan, zwei oder drei Schiffe mit europamüden Kolonisten und rasch angemieteten Matrosen ausschicken, sondern muß eine wirkliche Flotte ausrüsten und in dieser Flotte eine geschulte Armee. Nichts zeigt die Entwicklung und die Wichtigkeit, die Brasilien in dem letzten halben Jahrhundert für die Welt bekommen hat, sinnfälliger als die veränderten Dimensionen. Während Villegaignon mit drei oder vier Schiffen landet, um die »France Antarctique« zu erobern, und sich dann die entscheidenden Kämpfe zwischen siebzig und hundert Mann improvisierter Kriegerschaft abspielen, rüstet die holländische Compagnie von Anfang an sechsundzwanzig Schiffe aus mit siebzehnhundert geschulten Soldaten und sechzehnhundert Matrosen.

      Der erste Schlag gilt der Hauptstadt. Am 9. Mai 1624 wird Bahia fast ohne Widerstand genommen und unermeßliche Beute weggeschleppt. Nun erst wacht Spanien auf; über fünfzig Schiffe mit elftausend Mann werden entsandt, die Bahia vereint mit den einheimischen Hilfstruppen aus Pernambuco zurückerobern, ehe die zweite Flotte der Holländer mit vierunddreißig Schiffen eintrifft: bereits haben sich in Erkenntnis des Werts der bisher mißachteten Kolonie die Anstrengungen verhundertfacht, das »Zuckerland« zu behaupten. Genötigt, in Bahia zurückzuweichen, rüstet die holländische Compagnie zu einem neuen Angriff mit neuen Verstärkungen und hat damit Erfolg. 1635 wird Recife und in den folgenden Jahren außer Bahia die ganze Nordküste besetzt. Von dieser Stunde an besteht durch dreiundzwanzig Jahre im Norden Brasiliens eine selbständige holländische Verwaltung.

      Die kolonisatorische Leistung dieser dreiundzwanzig holländischen Jahre ist allerdings eine großartige. Sie übertrifft bei weitem alles, was die Portugiesen vordem in hundert Jahren getan. Die Holländer haben klare und erprobte Organisationsideen. Sie überlassen die Einwanderung und Verwaltung nicht zufälligen anarchischen Elementen, sie senden nicht den Abhub ihres Landes, sondern ihre besten und vorsorglich ausgewählten Männer. Moritz von Nassau, der als Gouverneur der Krone das neue Land verwaltet, stammt nicht nur aus königlichem Blut, sondern ist auch im geistigen Sinn ein Edelmann, weitsichtig, großzügig und tolerant. Er bringt einen ganzen Generalstab von Fachleuten, Ingenieuren, Botanikern, Astronomen, Gelehrten, um das Land zu erforschen, zu kolonisieren, zu europäisieren. Und nichts ist typischer für die Minderwertigkeit des kulturellen Materials, das die Portugiesen im Vergleich zu den Franzosen und Holländern nach Brasilien entsandten, als daß wir über die erste Jugendzeit Brasiliens keine einzige wirklich literarisch gültige Beschreibung von irgendeinem Portugiesen außer den Briefen der Jesuiten besitzen, während die Franzosen nach wenigen Jahren schon das Werk über die »France Antarctique« der Welt geben und Moritz von Nassau durch Barleus jenes vorbildliche Prachtwerk mit Kupfern und Plänen anfertigen läßt, das seinen Ruhm und seine Leistung verewigt.

      Moritz von Nassau macht gute Figur in der brasilianischen Geschichte. Er hat als Humanist die Idee der Toleranz mitgebracht, allen Religionen freie Wirkung verstattet, allen Künsten fruchtbare Entwicklung ermöglicht, und selbst die alten Ansiedler können über keine Gewalttätigkeit klagen. In Recife, ihm zu Ehren Mauritsstaad benannt, werden Paläste, steinerne

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