Die Jüngerbriefe. Roman Nies
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Oder: „Ihr seht also, dass ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein.“ (Jak 2,24) So wie Jakobus dachten alle zwölf Apostel und all die anderen messianischen Juden in Jerusalem. Davon ist jedenfalls auszugehen. Das ist immer die jüdische Geisteshaltung gewesen: Vertraue Gott und beweise das durch das Befolgen Seines Willens, der sich in der Torah ausgedrückt hat. Ebenso klar ergibt sich aber aus der Bibel, dass Paulus das Verhältnis Mensch-Torah-Gott in Bezug auf die Nichtjuden anders sah, denn er sagte: „Ihr seid von Christus abgetrennt, die ihr im Gesetz gerechtfertigt werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen.“ (Gal 5,4) Oder: „Wenn ihr aber durch den Geist geleitet werdet, seid ihr nicht unter dem Gesetz.“ (Gal 5,18) Klar, dass Paulus der am meisten gehasste Mensch unter den Juden wurde und darin Jesus ablöste. Jesus hatte nie die Torah kritisiert und betont, dass Er nicht gekommen war, die Torah abzulösen (Mt 5,17). Aber Jesus beschämte die Juden ebenso durch sein Auftreten und durch seine Wahrheit wie später Stephanus oder Paulus.
Warum verkündigte aber Jesus etwas Anderes als Paulus? Weil Paulus einen ganz anderen Auftrag hatte als Jesus. Paulus hatte eine frohe Botschaft für die Nationen. Und darin spielte die Torah nicht die gleiche Rolle wie für das Bundesvolk Israel.
Auch die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, „entsetzten“ sich, weil auch auf die Nichtjuden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde (Ap 10,45). Man entsetzt sich nicht über Dinge, die schon längst bekannt sind! Petrus taufte die Heiden konsequenterweise, denn sie hatten ja schon den Geist. Die Taufe gehörte zur Symbolik der Reinigung von den Sünden und des Beginnes des Umkehrweges dazu.
Wie ist man bisher mit Heiden umgegangen? Sie durften an den Gott Israels gläubig werden, aber wenn sie eine Teilhabe an den Verheißungen Israels haben wollten, dann mussten sie sich beschneiden lassen und wie jeder andere Jude die Torah einhalten. Petrus und die anderen Jünger hätten hinzugefügt: und sich dem Messias Jesus Christus anvertrauen!
Zum Brauchtum gehörte auch das Bad in der Mikwe *4 als Symbol für den Umkehrweg. Aber den heiligen Geist hatte man deshalb noch lange nicht. Jesus hatte diesen heiligen Geist Seinen Jüngern zugesagt, wenn er in den Himmel aufgefahren sein würde und Petrus selber hatte die Geistwirkungen in Jerusalem am Schawuot bezeugt. Das Neue war also für Petrus und seine Gefährten, dass es nun Nichtjuden gab, die den heiligen Geist zuerst bekommen hatten, noch ehe sie Juden geworden waren, denn wenn der Hauptmann ein Jude gewesen wäre, hätte Petrus nicht darauf hinweisen müssen, dass es ihm verboten gewesen war, ins Haus des Kornelius hinein zu gehen. Das war Juden nach ihrem Brauchtum verboten (Ap 10,28).
Was Petrus und die anderen Apostel aus dieser Episode mit Kornelius nicht folgerten, ist, dass man keine Beschneidung benötigte oder dass die Torah nicht mehr galt. Dass dies stimmt, kann man an ihren Reaktionen sehen und daran, dass es zur Apostelkonferenz kommen sollte, wo man diese Thematik erst erörterte.
Doch vorher schon berichtet Petrus in Jerusalem der Gemeinde, was vorgefallen war. Er wird dafür getadelt, denn er hatte Kornelius nicht beschnitten (Ap 11). Aber die Konsequenz lautet für die Gemeinde in Jerusalem:
„So hat Gott auch den Nationen die Umkehr gegeben, die zum Leben führt!“ (Ap 11,18). Das ist eine erstaunliche Feststellung, die aber beweist, dass die Jünger Jesu die ganze Zeit vorher geglaubt hatten, dass nur ein Jude umkehren und das Leben – gemeint ist das Leben im messianischen Reich - haben könnte. Nein, jetzt sah es so aus, als ob auch die Nichtjuden umkehren könnten von ihren gottlosen Wegen, noch bevor das messianische Reich gekommen war.
Jetzt stellte sich nur die Frage, was dann mit der Torah geschehen sollte. Die meisten vertraten zunächst die Auffassung, dass sie von Nichtjuden ebenso zu halten war wie von Juden. Was diese Aussage, dass Gott „auch den Nationen die Umkehr gegeben hat“, nicht bedeutet, ist, dass man nicht mehr gemeint hätte, Nichtjuden noch beschneiden und in die Torah, dem Bund mit Gott, einweisen zu müssen, denn vor der Apostelkonferenz von Ap 15 war dies die gültige Lehre: Umkehr, Beschneidung, Taufe, Torahbund mit Gott und das Bekenntnis zu Jesus, dem Messias.
Man kommt daher zu dem eher niederschmetternden Ergebnis, dass die Jünger Jesu einen Glauben gehabt hatten, dass nur Juden erlöst werden und eine Auferstehung ins messianische Reich erleben könnten und dass sie jetzt vorerst nur insoweit ihren Glauben korrigierten und erweiterten, als sie auch anerkannten, dass auch Nichtjuden bereits vor dem Kommen des messianischen Reichs erlöst werden konnten. Sogenannte Gottesfürchtige, also Nichtjuden, die solange in die Synagoge gingen, bis sie sich zu Juden transformieren ließen, hatte es schon immer gegeben. Und auch Kornelius war ja so ein Gottesfürchtiger in Wartestellung gewesen. Aber er hatte den heiligen Geist bekommen, ohne vorher Jude geworden zu sein. Der heilige Geist wehte offenbar doch, wo er wollte! Dennoch war es für die jüdischen Apostel undenkbar, dass nun die Torah, deren Bestandteil ja auch das Gebot der Beschneidung war, nicht auf die Heiden anzuwenden gewesen wäre. Das kam ihnen nicht in den Sinn. Noch nicht! Das bedeutet außerdem, dass Jesus den Jüngern, als er mit ihnen zusammen war, nichts davon gesagt hatte. Warum kann er diesen wichtigen Umstand verschwiegen haben? Weil es heilsgeschichtlich noch nicht Offenbarungszeit war!
Fast wie zur Bestätigung, heißt es gleich im nächsten Vers in Ap 11,19, dass die Gemeinde, die sich bis nach Phönizien und Zypern und Antiochia in die Zerstreuung begeben hatte „das Wort niemand verkündeten als allein den Juden.“ (Ap 11,19) Es ist völlig abwegig, sagen zu wollen, dass man verkündet hätte, dass man die Torah nicht mehr halten müsste. Und zur Torah gehörte die Vorschrift der Beschneidung! Erst in Vers 20 heißt es dann, dass einige auch den Griechen predigten. Ob damit nur hellenische Juden gemeint waren, ist nicht sicher. Es heißt nicht, dass sich einer der Griechen bekehrte. Denkbar ist, dass Nichtjuden, die zum Judentum übergetreten waren und nun Christen wurden, ihre Kenntnisse über das Evangelium ihren nichtjüdischen Mitbürgern weitergegeben haben. An Predigten in der Öffentlichkeit ist dabei nicht zu denken.
Die Ereignisse in Jerusalem gingen weiter. Dort streckte König Herodes seine Hand nach den Christen aus, weil er sah, dass das den Juden gefiel (Ap 12,1ff). Petrus wurde inhaftiert, ein Engel des Herrn befreite ihn. Aus 12,17 ergibt sich auch, dass Jakobus bereits der Gemeindevorstand gewesen sein kann.
Die Apostelgeschichte fährt fort mit der ersten Missionsreise des Paulus nach Zypern. Er geht dort in die Synagogen und seine erste Predigt fängt an mit „Ihr Männer von Israel und ihr Gottesfürchtigen!“ (13,16) Und was ist der Inhalt seiner Predigt? „Und wir verkündigen euch die Verheißung, die an die Väter ergangen ist, dass Gott sie uns, ihren Kindern, erfüllt hat, indem er Jesus auferweckte; wie denn im zweiten Psalm geschrieben steht (Psalm 2,7): »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.«“ (13,32-33) Paulus predigt hier also ebenso, wie das andere Apostel taten, als ein Jude den Juden. Er bezieht außerdem die Zeugung Jesu auf das Ereignis der Zeugung zwischen