Gottes Feuer. E.D.M. Völkel

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Gottes Feuer - E.D.M. Völkel

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durch den Sichtschutz die Rückseite des Gebäudes zu erspähen, um seine Größe einzuschätzen. Mit dem Absatz des Schuhs hackte er eine Kerbe in die Grasnarbe und schritt die Strecke ab.

      ›Acht Meter vom Stubenfenster, lautete die Angabe. Hier gab es keine Fenster, vermutlich waren sie bei der Instandsetzung zugemauert und mit der restlichen Wand verputzt worden.‹ Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, sicherlich erkannte man die Mauerunterschiede im Inneren, oder einer der Männer und Frauen wusste noch, wo damals die Fenster eingebaut waren. Gewissenhaft trug er die Zeit in sein mobiles Telefon, er würde jeden Tag wiederkommen und so die beste Gelegenheit auskundschaften, um unauffällig das Grundstück zu betreten. Notfalls, wenn er überhaupt keine Chance bekam, musste er zwangsläufig Clubmitglied werden, um das Gebäude von innen zu durchsuchen. Dann konnte er bestimmt den Goldschatz’ unbemerkt bergen. Er las die Homepage, fand die offenen Zeiten und begann regelmäßig die Freitagabende im Clubhaus zu verbringen.

      In der folgenden Woche war Peter nicht bei dem Seniorentreffen erschienen, ›Hinderte ihn sein Sohn daran oder war er möglicherweise erkrankt? Soll ich Anette anrufen? Vielleicht empfand sie das als aufdringlich.‹ Eva entschied, noch die zwei Tage bis zum nächsten Treffen abzuwarten.

      Erneut verstrich der Nachmittag, ohne das Peter aufgetauchte.

      Eva telefonierte mit Anette und erfuhr, dass ihr Vater bereits vor einer Woche unglücklich auf dem Treppenabsatz gestolpert war und die Kellertreppe hinunter stürzte. Der herbeigerufene Notarzt konnte lediglich seinen Tod feststellen, Vater hatte sich das Genick gebrochen. Eva erschauderte, ›Der Oldie war passenderweise zu einem Zeitpunkt verstorben, in dem er sich ihr gegenüber geöffnet aber, leider keinerlei unveröffentlichte Informationen ausgeplaudert hatte. War es zum Streit zwischen Vater und Sohn gekommen? Wovor fürchtete sich der Junior, was sollte unter dem Mantel des Schweigens verborgen werden?‹

      Anettes Stimme klang fragend aus dem Hörer, »Frau Völkel? Hallo? Sind Sie noch dran?«

      »Ja, verzeihen Sie, Ihre Nachricht hat mich getroffen. Meine aufrichtige Anteilnahme.«

      »Vater war schon alt, wir haben mit dem Gedanken seines plötzlichen Todes gelebt, es kam nicht überraschend«, tröstete Anette Eva, »Er war bislang fit im Kopf, doch sein Körper war gebrechlich, immer öfter hatte er Aussetzer. Was mich allerdings überrascht, er hat mir nur einen Tag vor seinem Tod einen Umschlag für Sie gegeben. Es war ihm unglaublich wichtig. Niemandem durfte ich davon erzählen nicht mal meinem Bruder. Diesen Schwur hat mir Vater noch abverlangt.«

      »Für mich?«, erstaunt rutschten Eva die Worte schneller aus dem Mund als beabsichtigt.

      »Ja für Sie, ein fester, brauner Umschlag, ich musste ihn extra mit Klebeband verschließen, damit er auf gar keinen Fall aufging.«

      »Kann ich ihn vielleicht heute abholen?«, fragte sie, neugierig darauf, was er beinhaltete.

      »Nein, lieber nicht, Andreas kommt gleich und er sollte auf keinen Fall davon erfahren. Morgen, kommen Sie morgen am besten neun Uhr, bevor ich zur Arbeit gehe, dann ist er schon weg.«

      »Ja, vielen Dank, ich werde da sein, also bis morgen«, verabschiedete sich Eva, enttäuscht, dass die Befriedigung ihrer Neugierde noch warten musste.

      In diese Nacht schreckte Eva aus einem Alptraum hoch. Fahrig strich sie über ihr Gesicht und setzte sich auf. Peter Schröder hatte ihr einen dicken braunen Umschlag entgegengehalten und gerade als sie ihre Hand danach ausstreckte, versperrte Andreas Schröder ihr den Weg. Böse und hämisch grinsend schnappte er das prall gefüllte Kuvert vor ihrer Nase weg.

      Pünktlich klingelte sie bei Anette Schröder, ›Was würde sich in dem Umschlag befinden? Peter hatte doch noch entschieden, mir weiterzuhelfen.‹

      »Sie?! Verschwinde Sie. Vater is tot«, schlugen ihr die hasserfüllten Worte von Andreas Schröder entgegen. Erschrocken seiner heftigen Reaktion war sie einige Schritte zurückgetreten und sah ihn verunsichert an, »Meine aufrichtige Anteilnahme«, entgegnete sie reflexartig. Im Hintergrund erschien Anette, mit furchtsamem Blick schüttelte sie deutlich ihren Kopf und legte den Zeigefinger auf den Mund.

      Eva verstand sofort ihre Bitte, »Verzeihung«, drehte sich rasch um und ging. ›Bin ich zu früh?‹, schnell kontrollierte sie die Uhrzeit. ›Nein, neun Uhr. Was war schiefgelaufen? Andreas sollte längst auf der Arbeit sein. Weswegen ist er zu Hause geblieben, oder hatte sich Anette verraten? Nein eher nicht, ihr angsterfülltes Augenpaar kann ich immer noch sehen. Rufe ich morgen nochmals an oder ist es besser auf Anettes Nachricht zu warten?‹ Es blieb ihr nichts anderes übrig, als vorerst den Heimweg anzutreten. ›Verdammt noch mal, was zum Teufel war geschehen?‹

      Genervt, erneut gestoppt zu werden, öffnete sie die Haustür und wurde schon von Moritz in der Diele erwartet. Um das Maß des heutigen Tages bereits am Vormittag vollzumachen übergoss er sie mit seinem Ärger darüber, dass Eva die Vertraulichkeit ihrer Unterlagen in Anspruch nahm, ihrerseits jedoch in seinen schnüffelte. Sie war völlig überrumpelt, versicherte, noch bevor sie die dünne Jacke auszog und ihre Tasche abstellte, nichts dergleichen unternommen zu haben. Was sie nicht wolle, fügte sie auch keinem anderen zu. Moritz glaubte ihr nicht, alle Versuche ihre Beziehung auf neue Beine zu stellen, waren zunichte. Er war durch ihren Vertrauensbruch zutiefst gekränkt und überlegte, ob er vielleicht besser nach Oberursel in seine Wohnung zog, um die begonnenen Notizen weiter auszuarbeiten.

      Am nächsten Morgen war Eva bereits vor der Dämmerung aufgestanden und zum Parkplatz Nepomuk Quelle gefahren. Die aufgehende Sonne warf ihre Strahlen durch das Blätterdach der Bäume und zeichnete phantastische Muster auf den Waldboden. Tief in Gedanken lief sie den sonst feuchten und jetzt staubtrockenen Pionierweg bergauf. Die ungewöhnliche sommerliche Hitze und der seit Wochen anhaltende Mangel an Regen hatten auch hier ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen. Das trockene Laub raschelte bei jedem Schritt unter ihren Füßen.

      Sie brauchte Abstand, Moritz hatte sich nach dem Unfall doch sehr viel stärker verändert als gedacht. Beide waren noch nicht so lange ein Paar und Eva musste sich entscheiden, wie weit er ihr Leben mitbestimmen sollte.

      ›Zu Beginn ist doch alles großartig gelaufen‹, dachte sie, ›Jeder hatte seinen Freiraum und akzeptierte den des Partners.‹ Niemals hatte sie den Eindruck, dass er ihr hinterherspionierte, oder sie gar kontrollierte. Ganz im Gegenteil, er war stolz darauf, eine unabhängige Freundin zu haben, die ihr Leben selbstbestimmt führte, so wie er es auch für sich in Anspruch nahm. Von diesem Moritz war momentan nichts, aber auch gar nichts mehr vorhanden. Immer öfter hatte sie das Gefühl, schon wieder beobachtet und dazu noch kontrolliert zu werden. Jemand las ihre Mails, durchstöberte ihre Unterlagen und öffnete die an sie adressierte Post. Ihre Beziehung entwickelte sich zum Alptraum. Sie musste zeitig die Reißleine ziehen, solange die Chance bestand, ohne Moritz zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Die Anschuldigung, dass sie seine Notizen las und er ihr nicht glaubte, hatten den Ausschlag gegeben. Sie musste eine Grenze fordern, die er nicht überschreiten durfte. Ansonsten sah sie keine Möglichkeit auf ein weiteres Zusammenleben mit ihm.

      Zu Hause rief sie nach ihm, brauchte sofort das Gespräch, um ihnen als Paar eine Chance zu geben. Moritz war allerdings nicht da, am Samstag, in der Reha hatte er keine Anwendung, vielleicht hatten Chris oder Tom ihn abgeholt. Es war vollkommen richtig, wenn Moritz wieder vor die Tür kam, viel zu lange hatte er zu Hause gesessen, was ihm ganz und gar nicht guttat.

      Auf ihrem Schreibtisch lag ein großer brauner Umschlag, ›Anette hat ihn eingeworfen‹, war ihr erster Gedanke, ›Zum Glück hatte sie Andreas nichts davon verraten.‹ Bei näherem Hinsehen fiel ihr auf, das Kuvert war geöffnet und wieder verschlossen worden. ›Hatte Anette doch hineingesehen, obwohl sie mir erzählte, diesen

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