ATEMZUG. Eveline Keller
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Mit einem »Hmpf – sehr witzig?« hielt ihm Thaddäus van Hohenstett den Ausweis hin und forderte nun seinerseits, die Dienstmarke des Beamten zu sehen. »Aha! Herr Peter Kohn, ihren Namen werde ich mir merken.«
Beim anschließenden gemeinsamen Rundgang durch alle Räume des Ladens konnten sie nichts Ungewöhnliches feststellen. Der Polizist meldete daraufhin den Fehlalarm der Zentrale und alle waren sie wieder von dannen gezogen. Dass erneut ein Alarm ausgelöst worden war, konnte nur bedeuten, dass Herr Kohn das letzte Mal nicht korrekt quittiert hatte.
Doch da täuschte sich der Juwelier.
»Diesmal leider nicht. Die Einbrecher haben ein wüstes Durcheinander hinterlassen. Machen sie sich auf etwas gefasst.«
»Haben sie die Diebe wenigstens erwischt?«, wollte van Hohenstett wissen.
»Nein, sie waren schon weg.«
Zu dritt betraten sie den Laden. Die Vorankündigung war nicht übertrieben. Sie stiegen über umgeworfene Regale und zerschlagene Stühle. Der Inhaber schüttelte über die blinde Zerstörungswut der Einbrecher den Kopf. Am Eingang zu seinem Büro blieb er stehen und hielt den Atem an. Sichtlich erschüttert trat er ein.
Als später der Einsatzleiter und sein Kollege vorbeischauten, schob er verloren einige Papiere auf dem Pult zusammen und murmelte: »Das kann nicht sein. Wie ist das möglich?« Niedergeschlagen saß er am Tisch und konnte einem leidtun.
»Wer besitzt außer ihnen einen Schlüssel zum Laden? Und wer kennt den Code der Alarmanlage?«, wurde er gefragt.
Van Hohenstett hob eine Braue. »Außer mir hat nur die Nachtwächterfirma einen Schlüssel.«
Die Polizisten stellten an den Türen keine Einbruchspuren fest, also mussten die Diebe den Schlüssel und den Code gehabt haben. Das fand der Juwelier unfassbar. »Kann man denn nicht einmal mehr der Nachtwächterfirma trauen?« Und wetterte lauter: »Das sag ich ihnen: Denen hänge ich ein Verfahren an, von dem sie sich so schnell nicht wieder erholen werden. Das ist ein Skandal! Ich gehe damit an die Presse. Die stecken womöglich mit den Gaunern unter einer Decke.« Aufgebracht tippte er Herr Kohn vor die Brust. »Und Sie Herr Dings, Sie sollten hier nicht tatenlos herumstehen, sondern die Diebe fassen!«
Der Angesprochene antwortete gereizt, dass die Polizei in alle Richtungen ermitteln wird und fragte van Hohenstett, wo er heute Nacht zwischen 22: 30 Uhr und 23.30 Uhr war. Daraufhin fuhr der ihn an: »Unverschämtheit! Wollen sie damit sagen, ich hätte mich selbst bestohlen?«
Der Beamte zuckte nur die Schultern: »Glauben sie mir, wir haben schon fast alles erlebt.«
2.
Ein Tag davor, wartete im Hauptbahnhof Zürich eine Reisende in einem olivgrünen Regenmantel, das praktische Rollköfferchen neben ihren Füßen abgestellt. Amüsiert verfolgte sie das geschäftige Treiben um sie herum. Die einen Züge, abgefertigt wegfuhren oder die anderen, die mit quietschenden Eisenrädern bremsten. Kaum, dass sich die Türen geöffneten hatten, ergoss sich eine Woge von Menschen auf die Bahnsteige.
Die Passagiere schlenderten gemächlich, aber die Mehrheit eilte zur Bahnhofshalle, durchquerte sie und strömte ins Freie. Es wimmelte von Leuten, laufend und drängelnd oder gemütlich bummelnd. Die einen blickten hoch zur Anzeigetafel und suchten ihren Anschlusszug, die anderen steuerten den gewünschten Ausgang an.
Die Frau im Regenmantel war eben mit dem Nachtzug aus Hamburg angekommen und soll hier ihren Kontaktmann treffen, der sie abholen kam. Um ihren Mund lag ein verlorenes Lächeln, das jedoch nicht ihre eisig blickenden Augen erreichte. Ihre schwarzen Haare waren zu einem gescheitelten Bopp frisiert und verdeckten eine Hälfte ihres blassen Gesichtes. Sie schaute wie die Menschen vorbeihasteten und an der Vorderfrau vorbei preschten, wie eine Horde Lemminge, die auf einen Abgrund zustürzte.
Nur, dass Beste daran war, dass die Leute nicht wussten, worauf sie zu liefen. Nämlich einen Abgrund, in den alle diese Ungläubigen stürzen werden, bevor der Monat zu Ende war. Ihr Führer und Prophet hatte sie informiert.
Grinsend dachte sie an die Bombenattentate in London. Dies war ein klares Zeichen, dass das Ende der Menschheit nicht mehr lange auf sich warten ließ. Nur sie, die Auserwählten des Phalaenopsis-Ordens würden verschont bleiben.
Die Zeit würde stillstehen; die Luft trächtig vor Unheil; ein einziger Schmerz würde alle umfangen; die Opfer vom Schock wie gelähmt; Krankenwagen mit quietschenden Reifen eintreffen; Sirenen heulen; Massen würden in Panik flüchten. Doch unentrinnbar würde das Ende nahen.
Einzig die Brüder und Schwestern vom Phalaeonopsis-Orden in ihrem Bunker, zwei Stockwerke unter der Erde sollten den Weltuntergang überleben. Danach würden sie als Auserwählte von reinem Blut die Welt neu bevölkern. Sie und mit ihnen, zahlreiche andere Gruppen, die sich im Glauben zu Gemeinschaften zusammengeschlossen hatten und über den ganzen Erdball verstreut waren.
Süffisant spitzte sie ihren Mund. Sie schaute sich um. Ihr Blick blieb an einer jungen Frau hängen, die ihren Kaffee, das Handy und die Handtasche balancierend, auf einen der Ausgänge zuging. Sie sah sie und dann doch wieder nicht. Sie war ein Teil einer Masse, die durch den Bahnhof strömte.
Nicht mehr lange, dann werden sie erlöst sein, dachte die Reisende. Die Menschen waren zu einfältig, um die Zeichen zu deuten, darum hatten sie nichts anderes verdient. Sie freute sich auf ihren Auftrag. Er war die Chance für einen Neuanfang. »Oh du Fröhliche«, summte sie vor sich hin, während sie zum vereinbarten Treffpunkt bummelte.
Kurze Zeit später trat ein elegant gekleideter Mann zu ihr. »Guten Tag. Sie sind bestimmt eine Phalaenopsistin. Ich erkenne Sie an ihrer wunderschön gearbeiteten Anstecknadel.« Das besagte Schmuckstück war aus Emaille und mit winzigen Brillanten verziert.
Thaddäus van Hohenstett verbeugte sich andeutungsweise: »Sind Sie mit dem Zug aus Hamburg angereist?«
Ihr Blick taxierte den Juwelier. Er war mittelgroß, trug einen dünnen Oberlippenbart und machte eine gute Figur.
»Von Hamburg. Ja.«, antwortete sie leise. Sie nickte dabei mit dem Kopf, worauf ihre Haare zurückfielen und den Blick auf eine gezackte Narbe frei gaben, die vom Auge bis zum Kiefer reichte. Überrascht sog van Hohenstett die Luft ein. Sich räuspernd, streckte er ihr seine Hand zur Begrüßung hin: »Willkommen in Zürich.«
Doch sie übersah die Geste und legte stattdessen ihre Hand auf ihr Herz: »Sehr erfreut.«
Leicht irritiert, hob er eine Braue und ließ seine Hand fallen. »Die Freude ist ganz auf unserer Seite. Nun denn, darf ich Sie zu ihrem Hotel nach Winterthur bringen. Dort können Sie sich frisch machen. Am frühen Abend begleite ich Sie dann zu unserem Tempel. Zu Ehren ihres Besuches findet ein Empfang statt. Wir erwarten, dass alle unsere Brüder und Schwestern kommen.«
Hilfsbereit fasste er nach ihrem Rollkoffer. Doch sie legte besitzergreifend ihre Hand beziehungsweise ihre Handprothese auf den Bügel. Er zuckte zurück und wandte sich mit einem mulmigen Gefühl dem Ausgang zu. Offensichtlich gezeichnet von einer Explosion, erschien ihm die gelobte Spezialistin für Bomben, Soeur Detonation nicht mehr sehr vertrauenerweckend. Ohne weitere Worte ging er voraus in Richtung der Parkplätze und sie folgte.
Am Abend wurde zur Begrüßung der Soeur Detonation eine große Zeremonie im Glaubenstempel der Phalaeonopsisten abgehalten.
Dazu trat man durch