DIE ZÜRCHER ACHSE. Eveline Keller
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу DIE ZÜRCHER ACHSE - Eveline Keller страница 4
David hatte damit den Sprung nach oben geschafft. Er wurde daraufhin vom Konsortium, das das Wellnesscenter Sunny Beach erstellte, mit der Bauführung beauftragt. Stolz herrschte er über das Sechzig-Millionen-Projekt und ließ bis zu vier Kräne gleichzeitig nach seiner Regie tanzen. Er zog in eine luxuriöse Terrassenwohnung und erfüllte sich seinen Bubentraum: Einen Ferrari zu fahren.
Er war eine Persönlichkeit, der man sich nicht leicht entziehen konnte. Er band Menschen aller Couleur in seine Pläne ein, brachte Investoren dazu, sein Projekt zu finanzieren und überzeugte Gemeindevertreter im Interesse der Wirtschaft, ihnen mit den Vorschriften und Gesetzen entgegenzukommen. David verlor nie den Blick fürs große Ganze und war sehr genau in den Details, ja hartnäckig. Er war jedoch nicht abgeneigt, Unterführungen für laichende Frösche zu bauen oder Fischtreppen, um ein Nebeneinander von Menschen und Natur zu ermöglichen. Seine Konkurrenten nannten ihn einen billigen Schaumschläger, ein Plappermaul, das immer den neuesten Klatsch wusste, und verübelten ihm seine Standhaftigkeit und das pickelharte Einfordern von Abmachungen.
Sein Präsenz zog die Blicke auf sich, wenn er einen Raum betrat und ließ alle Anwesenden zu seinem Publikum werden. Er sah immer noch gut aus, mit griechischen Gesichtszügen und blonden Locken. Er wusste sein charmantes Lächeln skrupellos für seine Interessen einzusetzen. Stets trug er ein helles Hemd, die goldene Uhr am gebräunten Handgelenk und Designer-Jeans. Seine muntere Begrüßung war sein Markenzeichen. „Grüezi. Was kann ich an diesem schönen Tag für Sie tun?“
Doch seit dem Tod seiner Frau war seine gute Laune verschwunden und morgens kam er nur mit Mühe aus dem Bett.
Sich in die Arbeit zu stürzen, war sein Mittel, um damit fertig zu werden.
Bei ihm liefen alle Fäden zusammen, er führte jedoch nicht vom Schreibtisch aus, sondern war oft vor Ort anzutreffen. So hielt er seinen Leuten den Rücken frei, wenn etwas nicht nach Plan lief, und irgendetwas ging immer schief. Da waren schnelle Entscheidungen gefragt, wie letzte Woche, als der Betonmischer vor dem Tor stand und die Gitter für den Eisenleger noch nicht geliefert worden waren. Diese Herausforderungen waren die Würze im täglichen Einerlei, und wenn Not am Mann war, packte er auch mal mit an.
Aber eine Leiche, da konnte er nicht mitreden und sie auch nicht wegorganisieren; das war nicht sein Metier. Es war das Feld der sperrigen Kommissarin mit ihrem Tross von Beamten, die seine Arbeiter mit Fragen belästigten: Gelinde gesagt, ein Ärgernis.
Davids Kiefer bewegte heftig als er einige Verwünschungen ausstieß. Er war kein Freund der Polizei. Und auch seine Leute verunsicherte ihre Anwesenheit, hinterher musste er doppelt Druck machen, damit die Arbeiten fristgerecht fertiggestellt werden würden.
„Ähem, Chef!“ Vor ihm stand der Sanitärinstallateur, ein kleiner drahtiger Mann, und hielt ihm seinen Plan unter die Nase. „Wie sollen wir die Leitungen vom Verwaltungsgebäude zum Außenbecken verlegen, wenn die Idioten den Kanal zugemauert haben? Das müssen wir alles wieder ausfräsen, was uns wertvolle Zeit kosten wird. So kann ich nicht garantieren, dass wir den Termin einhalten, und das ist nicht unsere Schuld.“
David rief den Polier zu sich und besprach mit ihm, wer den Sanitärinstallateur unterstützen könnte. Und der fragte ihn, was sie alle beschäftigte: „Wann können wir weiterarbeiten, Chef?“
„Kann ich im Moment nicht sagen. Sobald die Kripo grünes Licht gibt.“
„Ich habe gehört, die Kommissarin sei ein heißer Feger?“, feixte der Installateur.
„Ungefähr so sexy wie Zwerg Brummbär aus Schneewittchen“, grinste David und nickte ihm abschließend zu. Ein paar Schritte weiter blieb er stehen und rief nach dem Gerüstbauer, die Decke im zukünftigen Aerobic-Raum musste besser abgestützt werden.
„Hossa! Hossa! Hossa!“ Was wie ein Niesen tönte, stellte sich als sein neuer Handy-Klingelton heraus. Er musste unbedingt ein Wörtchen mit der Tochter seiner Assistentin reden. Sein Handy war tabu für solche Spielchen.
„Fiesta, Fiesta Mexicana…“ Hastig drückte er Rex Gildos Trällern weg. „Maler?“, bellte er in den Hörer.
„Hallo, David, Dumont am Apparat. Wie läuft‘s?“
Martin Dumont war ein gewichtiger Investor des Konsortiums und ließ keine Gelegenheit aus, ihm reinzureden. David hatte bisher einen Konflikt vermieden, sich agil durch dessen „wohlgemeinte“ Ratschläge geschlängelt. Doch in letzter Zeit setzte er ihm zu.
„Hallo, Martin. Was für ein schöner Tag heute. Wir sind gut im Terminplan. Wenn das Wetter weiter so bleibt, sind wir früher fertig als geplant“, gab er etwas gezwungen zur Antwort
„Schön, schön. Hör mal: Ich stellte auf meiner letzten Reise nach Dubai Kontakt mit der Alexis-Gruppe her. Die haben letztes Jahr in der Nähe von Athen ein Wellnesscenter eröffnet, doppelt so groß wie unseres. Der Manager ist ein Schwede namens Ben Carlson, und der ist gestern zufällig angereist. Von dem kannst du sicher was lernen. Deshalb möchte ich, dass du ihm unser Projekt zeigst, mit dem üblichen Drum und Dran, Einladung zum Dinner, Massage aufs Zimmer, na, du weißt schon.“
David verzog das Gesicht. Zurzeit hatte er wirklich andere Sorgen. „Das passt jetzt gerade schlecht.“
„Wo liegt das Problem? Eben hast du erklärt, es laufe alles wie geschmiert. Lass mich raten: Du stehst mannshoch in Beton und Backsteinen, weil der Maurer Vaterschaftsurlaub hat, stimmt‘s?“
„Nein. Das nicht, aber…“ Besser, wenn Dumont nichts von dem Toten auf dem Bau erfuhr. Doch bis zu Carlsons Besuch würden deren Spuren wohl nicht verschwunden sein.
„Dann ist es abgemacht!“, beschloss Dumont. „Am besten, du holst Carlson um neun Uhr dreißig im Hotel Ramada ab. Wir treffen uns dann zum Lunch mit Kunz, so um dreizehn Uhr. Und Maler, sei pünktlich, ja, und bind dir eine Krawatte um, ich will mich nicht blamieren.“
Das ihm! Es gab vieles, was man ihm nachsagen konnte, aber sicher nicht taktloses Verhalten. Das traf besser auf die Geldgeber für solche Projekte zu, die wurden leider nicht nach Sympathiepunkten ausgewählt. „Ist noch was? Ich muss weiter.“
Er war im Begriff einzuhängen, als Dumont fragte: „Mir ist da was von einer Leiche auf dem Bau zu Ohren gekommen. Warum sagst du mir nichts davon?“
„Uh, oh, daaas! Hat sich nahezu erledigt, drum. Ein Unfall! Die Kripo packt gerade zusammen, die Kommissarin ist eine alte Freundin von mir. Reine Routine.“
„Wie kann so was passieren? Ich muss dir hoffentlich nicht sagen, dass das nicht gut fürs Geschäft ist. Schau zu, dass nichts an die Presse durchsickert. Hörst du! Ein Toter kann dem Wellnesscenter einen bleibenden Imageschaden bereiten - der klebt wie Hundekacke, und den Gestank wird man nicht los.“ Ohne ein weiteres Wort hängte er ein.
Einer der Vorteile auf dem Bau war, dass man sich ungeniert Luft verschaffen konnte, wenn einem danach zumute war. Keiner fühlte sich deswegen bedroht.