DIE ZÜRCHER ACHSE. Eveline Keller

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DIE ZÜRCHER ACHSE - Eveline Keller

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      Amber verliebte sich auf Anhieb in die romantische Suite mit kleinem Entree, stilvoll eingerichtetem Wohn- und Schlafraum mit Himmelbett, großen Fenstern und einem kleinen Balkon. Ein Schrankzimmer und Badezimmer rundete das Ganze ab.

      Nachdem sie ihre Sachen eingeräumt hatte, duschte sie, cremte sich mit einer nach Orangen riechenden Lotion ein und flocht sich violette und weiße Bänder ins natürliche schwarze schulterlange Haar. Sie schlüpfte in ein hellbeiges Mieder, mit lila Spitzen am Dekolleté und Strumpfhaltern, dazu zog sie rosaseidene Strümpfe an. Prüfend drehte sie sich vor dem bodenlangen Spiegel. Ihre Brust wurde nach oben gepresst, die schlanke Taille lenkte den Blick auf die runden Hüften und die hübschen Beine, Sandalen mit hohen Absätzen dazu machten es komplett. Sie sah aus wie eine Rokoko-Puppe, verspielt und sehr sexy.

      Zufrieden legte sie sich aufs Bett, blätterte in einem Magazin, wählte ein Abendessen von der Menükarte aus und wartete. Minuten reihten sich zu Stunden und Ambers erwartungsvolle Hitze kühlte sich immer mehr ab. Sie versuchte Raul auf dem Handy anzurufen, erreichte jedoch nur seine Mailbox. Sie begann zu frösteln in der leichten Wäsche. Schließlich griff sie sich resigniert ein buntes Cocktailkleid aus dem Schrank, zog es an und gesellte sich zu den anderen Gästen, die sich zum Begrüßungs-Apéro in der Messe versammelt hatten.

      Inzwischen hatte die MS Salander unter begeistertem Beifall abgelegt. Der Kapitän hielt eine kurze Rede, hieß alle herzlich willkommen und machte die Gäste miteinander bekannt. Diese kamen aus allen Teilen Europas, von Russland und Norwegen bis Portugal und der Türkei. Die entstehenden Gespräche wurden, je nach Sprachkenntnissen, mit Gesten reich untermalt und liefen meist auf eine Aufzählung verschiedener Feriendestinationen hinaus.

      Amber war nur mit halbem Herzen bei der Sache und eben im Begriff, sich nochmals aus der Bowle zu bedienen, als sie ein bekanntes Gesicht erblickte. War das wirklich David Maler; und wer war die schwangere Frau an seinem Arm? „Möchtest du dich setzen? Wäre es nicht bequemer, wenn du die Füße hochlegen könntest? Magst du noch einen Gemüsedip? Nein, kein Salzgebäck, das schadet dir in deinem Zustand.“

      Der ehemalige Partylöwe trug seine Frau praktisch auf Händen. Alle waren entzückt von den beiden - bis auf Amber. Ihr Magen hob und senkte sich beim Gedanken, den beiden vorgestellt zu werden. Das war so ätzend! Bewusst umging sie die Turteltäubchen großräumig. Was hätte sie auch sagen sollen? „Gratuliere David, eine weitere Frau geschwängert?“ Sie wollte das junge Glück nicht zerstören.

      Irritiert wandte sie sich der nächsten netten Dame zu, die sich ihr vorstellte: „Mia Reber, und das ist Raul, mein Mann.“

      Er lächelte ihr zu, ohne mit der Wimper zu zucken.

      Amber biss beinahe in ihr Glas.

      „Raul ist in der Gesundheitsprothesen-Branche tätig. Wir kommen gerade von einer internationalen Konferenz in Kairo.“

      Da stand ihr Raul. Gestern noch hatte er ihr die wahre Liebe geschworen. Die Luft zwischen ihnen vibrierte, doch Mia fuhr unbeirrt fort. „Da sag ich: ‚Chrauli‘ - das ist sein Kosename – also, Chrauli, bald sind wir zwanzig Jahre verheiratet. Wie wäre es, wenn wir auf einer Kreuzfahrt feiern würden? Wie in dieser Serie von äh - Dings. Das ist doch mal eine Abwechslung zu Marbella oder Fiji.“

      Die Frau, die Raul abschätzig ‚Elefäntli‘ nannte, bebte vor sympathischer Lebendigkeit. Sie sah wie die jüngere Schwester von Miss Marple, der Hobby-Detektivin aus den Agatha-Christie-Krimis, aus. Okay, sie war nicht schön, und sicher stand Rauls sorgsam konserviertes Sunnyboy-Aussehen höher im Kurs, aber sie hatte Pfiff.

      „Was für ein bezauberndes Kollier“, bewunderte eine hinzutretende Brünette, die Amber als Managerin einer Kosmetik-Kette vorgestellt worden war.

      „Chrauli hat es mir zum Hochzeitstag geschenkt“, strahlte Mia, was reihum beeindrucktes Kopfnicken auslöste. „‚The Rose of India‘ heißt der Rubin. Nur die wertvollsten Steine erhalten Namen.“ Dann senkte sie geheimnisvoll ihre Stimme: „Er fördert die Liebe, behütet das Leben und soll für besseren Sex sorgen.“ Sie winkte ab. „Was für uns ja kein Problem ist. - Und er besitzt heilende Kräfte.“ Wieder lauter: „Der Juwelier in Kairo hat uns Geschichten erzählt, eine abenteuerlicher als die andere. Ursprünglich hat ihn der Scheich von Mosambik seiner ersten Frau zur Hochzeit geschenkt.“

      Mia reckte ihr umfangreiches Dekolleté zur näheren Betrachtung vor. „Ist er nicht wunderschön?“ Alle bestaunten den roten Edelstein, der, von Diamanten eingefasst, an einer goldenen Kette um ihren Hals hing. Er machte sich sehr hübsch in dem Tal zwischen den weichen Hügeln und funkelte wie eine Königin, die Hof hielt.

      Amber fehlten die Worte. Schließlich quetschte sie ein „Ja, sehr, sehr …“ hervor, blinzelte mit brennenden Augen. „Oh, entschuldigen Sie, mir ist da was ins Auge geraten“, und verschwand in Richtung Frauentoilette.

      „Ah, das tut mir leid“, rief ihr Mia hinterher und zu Raul gewandt: „Sympathisch und offensichtlich alleine. Chrauli, wir müssen was für das arme Ding tun, sie ist scheu. Du kennst mich, ich verkupple für mein Leben gerne Menschen. Mal sehen…“

      Nichts von den Absichten ihrer neu gewonnenen Freundin ahnend, marschierte Amber in ihre Kabine, riss den Koffer hervor und stopfte ihre Kleider hinein. Nichts wie weg hier! Dieser hinterhältige Lügner, dieser schleimige Heuchler! Er hatte sie als Mätresse eine Etage höher einquartiert, während er bei Mia den liebevollen Ehemann mimte.

      Ohne anzuklopfen trat Raul ein und breitete seine Arme aus. „Hier lässt es sich leben. Ist das nicht die schönste Kabine auf dem ganzen Schiff? Aber für mein Mausibällchen ist mir nichts zu teuer! Nun gib mir mal einen richtigen Begrüßungskuss, mit vollem Körpereinsatz.“

      Er hätte sich nicht mehr irren können.

      „Du Heuchler! Lügner! Was macht deine Frau hier? Die Kreuzfahrt war meine Idee, es sollte uns den Alltag vergessen lassen, ohne deine Frau und ohne meine Tochter.“

      „Ah, du hast eine Tochter? Ist sie hübsch?“

      Amber kochte.

      „Ach komm, mach mir jetzt keine Szene, ja. Eine Frau, die mich mit Vorwürfen eindeckt, reicht mir.“ Er warf in einer einnehmenden Geste die Arme hoch. „Ich weiß nicht, was du hast. Wir sind zusammen, können uns täglich treffen. Ich habe bereits Privatstunden in Yoga gebucht. Verstehst du?“, kicherte er und bewegte seine Hüften vor und zurück. „Jeden Morgen, zehn Uhr dreißig bin ich bei dir.“

      Bisher hatte sie sich nie an seinen blöden zweideutigen Sprüchen gestört, jetzt bekam sie Gänsehaut davon. War sie so blind gewesen? Amber stieß ihn angewidert von sich, als er sie umarmen wollte. „Bist du übergeschnappt! Das sollte unsere Traumreise werden, erinnerst du dich: Zusehen, wie der Wind die Wellen kräuselt und die Sonne sich im Wasser spiegelt“, zischte sie, seine Worte wiederholend, die er ihr schwärmerisch ins Ohr geflüstert hatte. „Nur wir zwei, den ganzen Tag, wie uns Gott schuf. Nicht nur ein Quickie zwischendurch!“ Jetzt nur nicht in Tränen ausbrechen. „Wie hast du dir das vorgestellt: Du machst mit deiner Frau eine Kreuzfahrt, und ich soll mich jederzeit bereithalten. Etwa so?“ Sie spreizte provozierend die Beine, und er bekam Stielaugen. „Vergiss es!“

      Er sah das anders: „Aber Mausi – komm, das wirst du kaum merken. Wir richten uns gemütlich ein, und ich komme zu dir, so oft es geht. Vergiss alles andere und genieße einfach die Reise.“

      Etwas zwischen den wild in den Koffer geworfenen Kleidern weckte plötzlich seine Neugierde. „Zeig mal her. Was hast du da Nettes. Ah, das ist mein Mädchen! Komm, lass uns das

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