Arztroman Sammelband: Drei Romane: Ihre Verzweiflung war groß und andere Romane. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу Arztroman Sammelband: Drei Romane: Ihre Verzweiflung war groß und andere Romane - A. F. Morland страница 13
Er trank und trank in selbstzerstörerischer Wut.
Und dann – endlich – packte der Schmerz zu. Mit glühenden Krallen wühlte er sich durch seinen Brustkorb. Der Startschuss war gefallen. Der Sensenmann stieß sich von den Klötzen ab und stürmte los, um sich Thomas Winter zu holen. Wer würde diesmal schneller sein? Wieder die Ärzte?
Thomas bäumte sich auf, schrie, ließ das Glas fallen und torkelte durch den Raum. Er stieß die Nachttischlampe um und stürzte aufs Bett. O Gott, warum war es so verdammt schwer, zu sterben? Warum musste es so höllisch weh tun? Vom Rücken her stach der Schmerz gnadenlos in die Brust.
Thomas Winter krümmte sich und röchelte. Sein Gesicht war schmerzlich verzerrt.
„Neeeiiin!“, schrie er verzweifelt. Etwas in ihm entfaltete plötzlich einen unbegreiflichen Lebenswillen. Er wollte auf einmal nicht mehr Sterben. Feigling! Feigling!, brüllte sein zerrissenes Ego. Und der Tod war auf der Bahn schneller als die beiden anderen Male. Diesmal konnte er es schaffen.
Ein zweiter Stich attackierte ihn – brutaler und schmerzhafter als der erste.
Das überlebst du nicht!, durchfuhr Thomas. Der Tod ist die größte Erfahrung im Leben eines Menschen. Heute machst du sie.
Der Sensenmann jagte heran. Thomas’ Leben war die heißbegehrte Trophäe, die er sich um jeden Preis holen wollte. Nitro ... hallte es in Thomas’ Kopf. Das Nitropräparat ... Dr. Binder, der Arzt, bei dem er zuletzt gewesen war, hatte ihm geraten, das Röhrchen mit den rettenden Kapseln bei sich zu tragen. Sobald er einen Anfall habe, müsse er so eine Kapsel zerbeißen – und vielleicht auch noch eine zweite, hatte Dr. Binder ihm eingeschärft. Thomas suchte das Röhrchen.
Er grub mit zitternden Händen seine Hosentaschen um. Das Röhrchen! Wo ist es? Wo ... ist ... es ... Da! Er bekam es zwischen die kraftlosen Finger, holte es heraus, hatte unendliche Mühe, es zu öffnen.
Wertvolle Zeit vertickte. Schmerzhafte Zeit. Jede weitere Sekunde schlug beim Sensenmann zu Buche. Thomas’ schmerzverzerrtes Gesicht war wächsern, die Lippen hatten sich violett verfärbt. Riesige Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.
Endlich bekam er das Röhrchen auf. Hastig schüttelte er eine Kapsel in seine hohle Hand, warf sie sich in den Mund und zerbiß sie.
Bitterer Geschmack verteilte sich in seinem Mund. Widerlich. Thomas’ Zähne schlugen hart aufeinander. Er hatte Probleme, die zerbissene Kapsel zu schlucken.
Patrick, wenn das Nitropräparat nicht wirkt, kriegst du deine fünfzigtausend Mark zurück! Himmel, wie kam er dazu, in dieser lebensbedrohenden Situation an so etwas zu denken?
Etwas presste mit ungeheurer Kraft seinen Brustkorb zusammen. Er konnte nicht richtig durchatmen, bekam zu wenig Luft, und ein grauenvolles Vernichtungsgefühl überschwemmte ihn.
Ich halte das nicht aus!, schrie es in ihm. Herr im Himmel, hilf mir! Ich wollte nie wirklich sterben, das weiß ich jetzt! Ich bitte dich! Ich flehe dich an, steh mir bei! Wenn du mir hilfst – nur noch dieses eine Mal – werde ich mich ändern! Ich verspreche es! Ich schwöre es!
Eine unvorstellbare Angst raste in immer neuen Wellen über ihn hinweg. Die Wirkung der ersten Kapsel war gleich Null. Sollte dieser schreckliche Anfall wirklich mit seinem Tod enden? Seine Kehle war zugeschnürt, die Beklemmung wurde immer unerträglicher, und in seiner Brust tobte ein wilder, krampfartiger Schmerz. Noch eine ... Kapsel ... Ekel würgte ihn, als der bittere Geschmack neuerlich seinen Mund erfüllte. Der Schmerz zog peinigende Kreise.
Er griff nach allen Seiten gnadenlos um sich, versuchte Thomas’ ganzen zitternden, schweißnassen Körper in seinen Besitz zu bringen.
Der Schmerz wurde größer. Thomas’ Herz war eine große, brennende Wunde, in der sich eine glühende Fräse drehte. Eine furchtbare Schwäche überkam ihn. Er konnte nicht mehr kämpfen, musste sich geschlagen geben. Aus ... Vorbei ... Totale Entkräftung ... Alles war verloren ... Schwärze – über ihm, ringsherum, überall, auch in seinem Geist. Er konnte nicht mehr denken, nicht mehr fühlen. Es war überstanden.
9
Sie machten nach dem Essen einen kleinen Spaziergang. Sven hatte seinen Arm um Solveig gelegt, und sie schmiegte sich an ihn. Es war ein stiller, friedlicher Abend.
Der Flügelschlag einer Eule war zu hören.
Solveig zog die frische würzige Luft tief ein und seufzte: „Ach, Sven, könnte es nicht öfter so schön sein?“
Er blieb stehen und betrachtete sie lächelnd. „Höre ich da ein wenig Unzufriedenheit heraus?“
Solveig schüttelte leicht den Kopf. Der dunkle, dichte Wald befand sich hinter ihr. „Nein, ich bin nicht unzufrieden“, sagte sie. „Ich habe ein sehr erfülltes Leben, einen Beruf, der mein Selbstwertgefühl hebt, genügend Geld, um mir diesen und jenen Wunsch ohne Reue erfüllen zu können. Ich liebe einen gutaussehenden, wunderbaren Mann und ich spüre, dass er meine Gefühle aufrichtig erwidert.“
„Was fehlt dir dann?“, fragte Sven Kayser.
Solveig seufzte erneut. „Ach, eigentlich überhaupt nichts.“ Sie lächelte verlegen. „Vergiss, was ich gesagt habe, es war nicht ernst gemeint, war nur so dahergeredet. Ich bin eine beneidenswert glückliche Frau, und du trägst unheimlich viel zu diesem Glück bei. Dafür möchte ich dir danken.“
„Wie denn?“, wollte Sven schmunzelnd wissen.
„So“, sagte Solveig, wippte auf die Zehenspitzen, nahm sein Gesicht zwischen ihre schlanken Hände und küsste ihn zärtlich auf den Mund.
Sven reagierte sofort auf den Kuss. Er erwiderte ihn mit der gleichen Intensität, umarmte Solveig innig und drückte sie fest an sich. Der Duft, der ihm aus ihrem seidigen Haar entgegenwehte, war betörend.
„Nachdem ich meinen Mann verloren hatte“, flüsterte sie, „dachte ich: Nun ist das Leben für dich gelaufen, du wirst nie wieder lachen, nie wieder fröhlich sein, nie wieder glücklich sein, nie wieder lieben. Ich habe mich geirrt. Ich bin heute glücklicher, als ich es je in meinem Leben war – mit dir.“
„Und ich bin glücklich mit dir. Mein Leben war leer, bevor wir uns begegneten.“
„Das kann ich nicht glauben.“
„Wieso nicht? Es ist wahr.“
„Du warst immer schon ein sehr attraktiver Mann – von den Damen sehr begehrt.“
„Na