Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts. Sandy Palmer
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Mit offenen Mündern sahen sie dann zu, wie sich die Türen des großen schweren Wagens, den sie eben noch bewundert hatten, öffneten. Andreas musste gar nichts sagen, eine knappe Handbewegung genügte und Ben sprang auf den Rücksitz, wo er sich aufrecht hinsetzte und zu den drei Stänkerern hinüberschaute.
„Wir fahren jetzt ins Einkaufszentrum in die Stadt“, erklärte Andreas besonders laut. „Da kaufen wir ein Halsband, eine Leine und jede Menge Hundefutter. Dann, bevor ich mit Ben zu mir nach Hause fahre, liefere ich dich bei deiner Mutter ab. Wenn’s zu spät wird, macht sie sich eventuell Sorgen um dich.“
„Noch ist sie arbeiten. Das wird heute etwas später, hat sie gesagt.“
„Na, hoffentlich schwindelst du mich nicht an. Sollen wir sie nicht lieber anrufen und ihr sagen, dass wir noch einkaufen fahren?“
Sascha schüttelte den Kopf. „Lieber nicht. Im Laden darf ich sie nicht stören.“
„Na gut, dann geht’s jetzt erst mal los.“ Er setzte sich hinters Steuer, und Sascha hockte sich neben seinen Freund auf den Rücksitz. Einen Kindersitz hatte Andreas natürlich nicht, er hoffte nur, dass ihn die Polizei nicht anhielt.
„Kann ich Ben mal besuchen kommen?“, fragte Sascha, als sie die ersten Meter zurückgelegt hatten.
„Am besten am Sonntag, da haben wir alle Zeit.“ Andreas drehte sich kurz um. „Ich hole dich ab.“
„Mami auch?“
„Klar, wenn sie möchte, dann kann sie gern mitkommen.“
Sascha rutschte unruhig auf den hellen Lederpolstern hin und her. „Ich muss ihr ja erst mal so einiges erklären“, murmelte er.
„Richtig.“ Andreas lächelte ihm im Rückspiegel zu. „Zum Beispiel, wie du zu einem Opa gekommen bist. Wie wär’s mit der Wahrheit? Damit fährt man noch am besten.“
*
„ICH HATTE JA NICHT die geringste Ahnung“, seufzte Kornelia und sah immer noch ein wenig ungläubig vor sich hin. Sie saß neben Andreas in dem großen Baumhaus, das er vor Jahren für den Sohn einer Freundin hatte bauen lassen. Die Freundin gab’s nicht mehr, und das Baumhaus hatte bis vorgestern ein vergessenes Dasein gefristet. Dann aber hatte er ein paar Latten reparieren lassen, weil er sicher war, dass Sascha begeistert sein würde über diesen Spielplatz.
Aber jetzt saß er mit Kornelia hier oben, Saschas hübscher Mutter, die fast ununterbrochen den Kopf schüttelte. „Dass Sascha das nötig hat! Dass es so wichtig für ihn ist, eine männliche Bezugsperson zu haben... das hätte ich nie gedacht!“
„Man lebt und lernt“, erwiderte Andreas philosophisch. „Ich wusste ja auch nicht, dass mein Hausmeister Kurt, der mehr ein Freund als ein Angestellter ist, sich seit Jahren einen Hund gewünscht hat. Dass Ben ein Berner Sennenhund ist, macht sein Glück noch größer, denn das war immer Kurts Traumhund.“
„Und Ben ist ein Berner?“
„Sagt Kurt. Und der wird’s wissen.“ Er wies nach unten auf den Rasen, wo Sascha, Kurt und Ben herumtollten. Andreas und Kornelia saßen ein wenig gebückt im Baumhaus, das Sascha schon bewundert hatte. Auch seine Mami musste natürlich hoch, und Andreas war zu ihr geklettert, um ungestört mit ihr reden zu können.
„Der Blick von hier ist schön, nicht wahr“, meinte er jetzt und wies nach links. „Da kann man sogar schon den Rhein sehen.“
„Es ist überhaupt schön bei Ihnen“, sagte Kornelia und lehnte für einen Moment den Kopf an die verhalte Rückwand, faltete die Hände um die Knie und schloss sekundenlang die Augen. Zu viel gab es zu verarbeiten!
Zuerst heute Vormittag die Eröffnung ihres Sohnes, dass er sich vor seinen Klassenkameraden unbedingt in ein besseres Licht habe bringen müssen. Dann, stockend und wirr, war die Erklärung gefolgt, wie er durchs Telefonieren zu einem Opa gekommen war. Daran schloss sich die Geschichte mit Ben an. Schließlich und endlich, in letzter Minute, genau gesagt, nämlich, als bereits die dunkle Limousine vor dem Haus hielt, die Ankündigung, dass sie heute den Hund in seinem neuen Zuhause besuchen würden.
Kornelia, die sich gerade die langen blonden Haare gewaschen hatte und außer alten Jeans und einer leicht verwaschenen Bluse einen Turban aus Frottier auf dem Kopf trug, war beim Anblick des sommerlich schick gekleideten Andreas Vorbeck vor Schreck erstarrt. Am liebsten wäre sie geflüchtet, denn abgesehen davon, dass sie sich der Situation nicht gewachsen fühlte, hatte sie sich den „Opa“ ihres Sohnes ganz anders vorgestellt.
Zu ihrer großen Erleichterung zeigte er sich nicht im geringsten erstaunt, ganz im Gegenteil. Er hatte, wie er gleich bemerkte, gar nicht erwartet, dass Sascha mit seinen Enthüllungen bereits zum Ende gekommen wäre. Nein, damit, das sie vollkommen vorbereitet war auf ihn und all die Neuigkeiten, hatte er nicht gerechnet.
Nach einigem Hin und Her, wobei der Turban verschwand und alles andere so unvollkommen blieb, wie es bei der Begrüßung schon gewesen war, hatten sie sich in den Wagen gesetzt und waren zu dem Blockhaus gefahren, das Andreas bewohnte, wie er erklärte.
Die Erwähnung des Blockhauses war für Kornelia beruhigend gewesen. Der „Opa“ wohnte also nicht allzu feudal!
Dann jedoch hatte sie der nächste Tiefschlag getroffen, nämlich der Anblick des monumentalen Wohnsitzes aus Holz und Glas auf einem Terrain unvorstellbarer Größe. Selbst der Hund Ben erschien verschwindend klein in der grünen Wildnis des Naturgrundstücks, das sich gleich an den kleineren, sehr gepflegten Gartenbereich anschloss.
Die beiden Männer - Andreas Vorbeck und sein Hausverwalter Kurt - wirkten in dieser Umgebung wie zwei große Jungs, die Indianer und Trapper spielten. Es sah beinahe so aus, als hätten sie nichts anderes zu tun, als mit dem Hund um die Wette zu laufen, ihm Stöckchen zu werfen, Feuer auf dem Grill anzuzünden, Kaffee in großen Thermoskannen ins Freie zu schleppen und den breiten, rustikalen Tisch auf der Terrasse zu decken.
Und immer wieder begeisterten sie sich an Saschas Wiedersehensfreude mit Ben - die der große Hund hundertprozentig teilte! Er bellte, sprang an Sascha hoch und animierte ihn immer wieder dazu, mit ihm über die große Wiese zu toben.
Irgendwann hatte Sascha in der riesigen Wohnhalle ein altes Karussellpferd entdeckt, das er lachend bestieg, während Ben hechelnd neben ihm auf dem Teppich lag und Kurt in die Küche ging, um Erfrischungen zu holen. Sascha wunderte sich allerdings, warum Kurt die Küche „Kombüse“ nannte, bekam aber keine Antwort darauf, die Erwachsenen schienen ihn nicht zu bemerken, sie sahen sich lange an, schienen alles um sich herum für einen Moment vergessen zu haben.
Andreas hatte die Gelegenheit, in der Sascha von dem Pferd abgelenkt war, ergriffen, um Kornelia unter die alte Buche zu führen, in deren dickem Geäst sich das Baumhaus befand. Mehr noch als alle Worte hatten seine Blick sie dazu bewogen, hinaufzuklettern - Blicke aus Augen, die so blau und unergründlich waren wie die Tiefe des Ozeans.
Andreas Vorbeck war sich der Undurchdringlichkeit durchaus bewusst, die sich in seinem Blick widerspiegelte, aber er konnte sich den wenigsten Menschen öffnen. Dazu hätte es einer längeren, ungestörten Zeitspanne bedurft, eines intensiven Dialogs, den das Leben, wie er es zu führen gewohnt war, nicht vorsah.
Hätte er geahnt, was