Verfluchtes Taunusblut. Osvin Nöller
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Verlag: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg · www.tredition.de
1. Auflage
978-3-7469-3964-3 (Paperback)
978-3-7469-3965-0 (Hardcover)
978-3-7469-3966-7 (e-Book)
4. Mai 2016
Diana schloss die Haustür auf und prallte gegen eine unsichtbare Wand aus abgestandener Luft.
Ihr Kopf dröhnte, während sich Schweiß den Weg, von ihrem Nacken ausgehend, den Rücken entlang nach unten suchte. Jeder Herzschlag schickte einen Stich in ihren Schädel.
Sie kickte die Pumps von den Füßen und schleppte die Einkaufstüten in die Küche, wo sie die Lebensmittel im Kühlschrank verstaute.
Erschöpft leerte sie eine angebrochene Wasserflasche in einem Zug, krempelte die Ärmel ihrer Baumwollbluse hoch und lief zur Spüle. Sie drehte den Wasserhahn auf, ließ das Wasser laufen, bis es eiskalt war und hielt die Unterarme in den Wasserstrahl.
Wie lange würde diese Hitze sie noch quälen? Es wurde langsam unerträglich!
Seit mehr als einer Woche waren es über 30 Grad im Schatten, was sie in Celle bisher selten erlebt hatte.
Nicht allein das Wetter belastete sie! Am Morgen war etwas geschehen, das sie seitdem beschäftigte. Es traf sich zwar gut, dass das Wartezimmer in ihrer Praxis den ganzen Tag voll mit kleinen Patienten gewesen war, die meist unter einem in den Schulen und Kindergärten grassierenden Darmvirus litten. Das hatte sie, ebenso wie der anschließende Einkaufsstress vor dem morgigen Feiertag im Supermarkt, abgelenkt. Hier daheim war jedoch leider alles wieder sofort präsent!
Sie ging in das Wohnzimmer und setzte sich an den Esszimmertisch, auf dem nach wie vor der Brief mit den beiden Fotos lag, den sie am Morgen aus dem Briefkasten gefischt hatte.
Warum sollten die Zeilen verschwunden sein? Hatte sie ernsthaft geglaubt, es sei ein böser Traum gewesen? Sie nahm das Blatt hoch und las erneut, was sie nicht glauben konnte:
Diana ließ den Brief auf den Tisch fallen, stützte die Ellbogen auf und vergrub das Gesicht in den Händen.
Ihre Eltern waren tot! Gestorben, als sie klein war! Was sollte das? Sie stöhnte und nahm sich den Umschlag vor: Ihr Name stand darauf: Dr. Diana Fiedler.
Besonders verwirrte sie die Fotos: Das Mädchen auf dem einen Bild, das ihren Jugendfotos unglaublich glich. Sie wusste genau, dass sie es nicht sein konnte, denn sie hatte in diesem Alter nie solche offenbar teure Kleidung besessen. Außerdem war ihr das herrschaftliche Portal der Villa, vor dem die Aufnahme entstanden war, unbekannt. Wer war die Frau auf dem zweiten Foto, die ihr ebenfalls ähnelte?
Hatte sich da jemand einen schlechten Scherz erlaubt? Sie hatte niemandem von dem Brief erzählt, nicht einmal ihrem Mann Kai, der am Morgen bereits auf dem Weg in seine Apotheke gewesen war, als sie das Schreiben gefunden hatte. Zuerst wollte sie wissen, was das alles zu bedeuten hatte.
Während sie grübelte, verdunkelte sich der Raum schlagartig. Sie stand auf und ging zum Fenster. Bedrohlich hatte sich der Himmel im Westen schwarzblau verfärbt, so als ob man schmutziges Wasser in das bisher leuchtende Blau geschüttet hätte.
Der Rasen musste gemäht werden, bevor es losging! Sie hastete die Treppe hinauf in das Schlafzimmer. Dort zog sie die Jeans, die Baumwollbluse sowie die Söckchen aus und rannte, nur mit Slip und BH bekleidet hinunter in den Keller. Hier sprang sie in ihre bequeme, abgewetzte Gartenhose und streifte ein löchriges T-Shirt über. Schnell band sie ihre Haare mit einem Haargummi zusammen und schlüpfte in ihre Gummischuhe.
Sie eilte die Außentreppe hoch in den Garten. In dem Moment, als sie den Rasenmäher aus der Garage holen wollte, sah sie eine ältere, etwas pummelige Person am Eingangstor stehen, die ihr zuwinkte.
„Guten Tag, Frau Dr. Fiedler. Haben Sie ein paar Minuten für mich? Ich möchte gern mit Ihnen reden“, rief diese ihr durch den Vorgarten zu.
Diana runzelte die Stirn. Ihr wurde es schlagartig eiskalt. Renate Hubert! Das musste sie sein!
Sie ging zögernd an das Tor und stand der Besucherin gegenüber, die zu ihr hochblickte. Das schwarze, ärmellose Kleid, dunkelgraue Sneakers und ihre dunklen, kurz geschnittenen Haare passten zu ihr. Über ihrer Schulter hing eine zu groß geratene Handtasche.
Diana beschloss, höflich zu bleiben. „Hallo, kennen wir uns?“
„Nein, oder besser gesagt, ich weiß, wer Sie sind. Ich heiße Renate Hubert und habe Ihnen geschrieben.“
Der Name traf sie trotz ihrer Vorahnung wie ein Blitz und in ihrem Kopf begann es noch stärker zu hämmern. Demonstrativ verschränkte sie die Arme.
„Sie sind das? Was bezwecken Sie mit diesem Pamphlet? Ist es ein Spaß für Sie, andere Leute zu verunsichern?“ Die letzten Worte schrie sie der Besucherin entgegen, die zwar zusammenzuckte, ansonsten hingegen ruhig blieb.
„Ich entschuldige mich, falls ich Sie verärgert habe. Ich möchte nur helfen! Es geht mir einzig um Ihre Mutter und Sie, glauben Sie mir das bitte!“
„Mama ist seit dreißig Jahren tot!“, antwortete Diana ein bisschen gelassener, jedoch nicht weniger bestimmt. „Wie können Sie behaupten, dass sie lebt?“
„Ich rede nicht von ihrer Adoptivmutter, sondern von Ihrer leiblichen! Hören Sie mir wenigstens einen Moment zu!“
„Ich wurde nicht adoptiert, gute Frau!“ Der Druck in ihrem Bauch riet ihr, dass es der richtige Augenblick sei, das Gespräch zu beenden. Schmerzhaft drückten sich die Fingernägel in ihre Handflächen. „Ich weiß nicht, was Sie vorhaben, aber ich habe weder Zeit noch Lust, mir einen solchen Blödsinn weiter anzuhören.“ Sie schleuderte der älteren Dame ihre Worte entgegen.
Diese wurde kreidebleich. Gerade, als Diana sich umdrehen und zurück zur Garage gehen wollte, öffnete Renate hastig ihre Handtasche. „Oh Gott, Sie wissen nichts von Ihrer Adoption? Warten Sie bitte, jetzt wird mir klar, wie Ihnen das vorkommen muss. Ich besitze die Kopie eines Dokuments, das beweist, dass ich nicht lüge.“ Sie reichte ein Papier über den Zaun.
In Diana entbrannte ein Kampf. Sie sollte das Blatt nicht nehmen. Wenn sie es allerdings nicht tat, würde sie nie Gewissheit erlangen, ob die Besucherin nicht doch die Wahrheit sagte. Plötzlich sah sie das Bild mit der älteren Frau aus dem Umschlag vor ihrem geistigen Auge.
Als sie die Seite in den Händen hielt und las, begann sie am ganzen Körper zu zittern.
Es handelte sich um ein Schriftstück aus dem Jahr 1976, das besagte, dass eine Barbara Kessler ihre Tochter Diana zur Adoption freigegeben hatte. Als Geburtsdatum für das Mädchen war der 12. Februar und als Geburtsort Frankfurt am Main eingetragen.
Ihr wurde schwindlig und sie griff nach dem Torpfosten. Die Daten stimmten exakt mit ihren eigenen überein! Das durfte nicht sein!
„Frau Dr. Fiedler“, flehte Renate Hubert mit sanfter Stimme, „lassen Sie mich bitte eintreten.