Verfluchtes Taunusblut. Osvin Nöller

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Verfluchtes Taunusblut - Osvin Nöller

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Sie legte die Brille und ein Taschenbuch auf das Tischchen neben sich. „Möchtest du einen Kaffee?“ Sie griff nach einer Fernbedienung, mit deren Hilfe sie in der Lage war, ihre Freundin Renate zu rufen.

      „Nein, danke. Ich hab gerade gefrühstückt.“ Julia beugte sich ihr entgegen und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich wollte etwas mit dir besprechen. Sag aber erst, wie es dir heute geht.“ Sie ging zum Fenster und öffnete es.

      Die Todkranke atmete die hereinströmende Luft gierig ein, bis sie zu husten begann. „Es muss. Ich schlage mich durch.“ Der Versuch, zu lachen, endete in einem erneuten Hustenanfall.

      „Willst du nicht vielleicht doch über die Chemotherapie nachdenken?“

      „Stopp, das Thema ist durch!“, erwiderte Barbara mit überraschend fester Stimme. „Meine Entscheidung ist endgültig!“

      Die Tochter hob die Hände. „Hast du eigentlich Björn und Christian deinen Entschluss mitgeteilt?“ Sie vermutete, dass ihre beiden Brüder nach wie vor nichts von der Ablehnung zur Weiterbehandlung wussten und lag damit goldrichtig.

      „Nein, das tue ich, sobald es passt.“

      Es machte wenig Sinn, mit ihrer Mutter zu diskutieren. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es kein Zurück. Julia seufzte. Diese Sturheit war in den letzten Jahren meist hilfreich, oftmals jedoch ebenso hinderlich gewesen. Sie drehte sich um und blickte in den Garten.

      Das gesamte Anwesen bestand aus einem Park, durch den eine breite Auffahrt zu zwei Wohngebäuden führte. Sie standen weit genug voneinander entfernt, dass eine imposante Eiche, welche die Häuser deutlich überragte, zwischen ihnen Platz fand. Beide sahen identisch aus: weiß geklinkert, zweistöckig mit Terrassen im Erdgeschoss und Balkonen in der ersten Etage. An den äußeren Ecken unterstrichen runde Türmchen die Symmetrie.

      Barbara lebte im Parterre des rechten Gebäudes, Renate seit dem Tod ihres Mannes im Stockwerk darüber. Julia und ihr jüngerer Bruder Christian wohnten nebenan, sie ebenerdig, er über ihr.

      Sie schloss das Fenster und drehte sich um. „Hat dir Björn Informationen zur anstehenden Gesellschafterversammlung gegeben?“

      Die Mutter runzelte die Stirn. „Nein, welche?“

      Das war ja klar gewesen, dass sich der Feigling drücken würde! Sie überlegte einen Moment, wie sie beginnen sollte.

      „Er plant, mit dem Unternehmen in Amerika zu expandieren, weil er glaubt, dass dort die Biowelle gerade beginnt. Amerikaner verschwenden wenig Zeit aufs Kochen. Er hofft darauf, mit unseren Bio-Gefrierwaren eine Marktlücke zu schließen.“

      „Klingt nicht verkehrt.“ Barbara schien nachzudenken. „Wie will er das finanzieren? Das kostet einiges!“ Sie sah ihre Tochter mit wachem Blick an.

      „Das ist der Punkt! Er hat einen Investor gefunden, der sich beteiligen möchte.“

      Blitzartig straffte sich Barbaras Körper und ihre Augen funkelten. „Das kommt nicht in Frage! Der spinnt!“, zischte sie. „In der Satzung steht, dass ausschließlich Familienmitglieder an der Firma beteiligt sein können. Mir fällt niemand ein, der diese Bedingung erfüllt, ohne bereits Teilhaber zu sein“, schloss sie ironisch. Sie entspannte sich. „Was machen deine Flüchtlinge?“

      Der abrupte Themenwechsel bedeutete, dass sie sich eine unumstößliche Meinung gebildet hatte und Björn seine Idee nur mit vorhandenem Kapital umsetzen konnte.

      „Damit habe ich derzeit mehr Arbeit als erwartet. Jetzt müssen sich die ersten Syrer Wohnungen suchen und aus dem Flüchtlingsheim ausziehen. Ist verdammt schwer! Zum Glück gibt es den syrischen Arzt. Du weißt schon, der seit über dreißig Jahren in Deutschland lebt. Er kümmert sich darum. Ich gebe dafür im Moment häufiger Deutschunterricht als geplant.“

      „Prima.“ Plötzlich holte die Kranke tief Luft und lehnte sich langsam zurück. „Sei mir nicht böse, ich möchte ein wenig ruhen.“

      Jedes der Worte stach in Julias Herz. Diese starke Frau hatte in den letzten Tagen völlig abgebaut. Ihr schien der Lebenswille abhandengekommen zu sein.

      „Natürlich.“ Julia versuchte zu lächeln und ging zum Sessel, vor den sie sich hinkniete. Behutsam ergriff sie die Hände der Mutter.

      Barbara zögerte. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis es vorbei ist. Bitte, komm bald wieder. Ich muss dir noch einiges erzählen!“

      „Klar, mach ich“, presste Julia heraus, stand auf und verließ die Bibliothek mit eiligem Schritt.

      Sie passierte in der Halle die Marmorbüsten im italienischen Stil und blickte die breite Treppe mit dem dunkel gebeizten Holzgeländer hinauf.

      Renate kam in diesem Augenblick langsam herunter.

      Julia hielt inne und lächelte sie an. „Hallo, wie war dein Besuch in Norddeutschland?“

      „Prima, ich glaube, meine Freundin hat sich gefreut. Zum Glück bin ich noch vor den heftigen Unwettern weggekommen.“

      Julia nickte. „Ich habe vorhin im Radio gehört, was da los war.“

      „Uns würde ein Gewitter ebenfalls guttun, allerdings ohne Sturm und Hagel.“ Renate schmunzelte. „Die Bluse und der Rock stehen dir übrigens ausgezeichnet!“

      „Danke für das Kompliment. Ich muss weiter. Genieße den Himmelfahrtstag!“

      Draußen schlenderte sie zu ihrer Wohnung.

      Sie dachte an den Anblick der Mutter. Sofort schossen ihr Tränen in die Augen. Sie hielt inne, vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte los. Ihr schwirrten Barbaras letzte Worte durch ihren Kopf. Was hatte sie damit gemeint, dass sie ihr noch einiges zu erzählen habe?

      ***

      „Du hast andere Eltern und eine Zwillingsschwester? Du willst mich verarschen!“

      Diana seufzte ins Telefon. „Nein Biggi, ich wollte, es wäre so! Mensch, ich bin völlig durch den Wind!“

      Brigitte Junker war seit den gemeinsamen Universitätstagen ihre beste Freundin. Außerdem vertrat sie Diana ab und zu in der Praxis.

      „Liegt dein Tablet in Reichweite?“ Sie nannte Biggi die Webadresse von Julias Arztpraxis. „Öffne sie und geh auf die Rubrik Unser Team.“ Sie lag auf dem Ledersofa im Wohnzimmer und wartete ungeduldig.

      „Wow! Die sieht genauso aus wie du! Ich dachte, du hast keine Schwester!“

      „Bis gestern hätte ich behauptet: nein.“ Sie band ihre Haare zusammen, die sie zwei Minuten vorher gelöst hatte.

      „Warum hat dir niemand erzählt, dass du adoptiert wurdest?“

      „Genau darüber habe ich nachgedacht! Ich war erst zehn, als Papa und Mama starben. Vielleicht hielten sie mich für zu klein, um es mir zu sagen. Oma und Opa haben es möglicherweise nicht gewusst!“

      „Sorry, das erscheint mir merkwürdig! Das mit den Eltern leuchtet mir ein. Aber, deine Großeltern ziehen dich auf und wissen nichts von einer Adoption? Wie soll das zusammenpassen?“

      Diana musste ihr recht geben. Der Kloß

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