Verfluchtes Taunusblut. Osvin Nöller
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Er lachte schallend. „Oha. Ich bin bedeutend! Du bist heute bereits die Zweite, die das behauptet.“ Er überlegte. Normalerweise vermied er es, sich mit Mitarbeiterinnen privat zu verabreden, denn damit war meist Ärger vorprogrammiert. Vielleicht jedoch könnte er bei der Gelegenheit Details über Björns Pläne erfahren!
„Klar, können wir machen. 18 Uhr? Wo treffen wir uns?“
***
Diana erreichte um 17 Uhr Bad Homburg. Sie hatte ihre Praxis gegen Mittag geschlossen, war mit dem Zug nach Frankfurt und weiter mit der S-Bahn in die Kurstadt gefahren. Im Zug hörte sie klassische Musik und überarbeitete ein Werbekonzept für ein Kinderprojekt, das ihr am Herzen lag.
Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Gunter hatte sie am Montag angerufen und ihr bestätigt, dass alle Angaben, die Renate Hubert gemacht hatte, richtig seien. Barbara und Karl-Heinz Lautrup waren tatsächlich ihre leiblichen Eltern!
Sie checkte im Parkhotel ein, das unweit des Kurhauses und direkt am Kurpark lag. Nachdem sie ausgepackt hatte, spazierte sie auf der Kaiser-Friedrich-Promenade an einer Kapelle vorbei, die am Rande des Parks lag. Sie hatte gelesen, dass dieses russisch-orthodoxe Gotteshaus vom Großvater des bekannten Schauspielers Peter Ustinov entworfen worden war.
Die schwüle Luft schien zu stehen. Weshalb hatte sie die Jeans nicht gegen einen leichten Rock getauscht?
Sie setzte sich auf eine Bank und beobachtete die Spaziergänger. Plötzlich erschienen die trüben Gedanken wieder. Am Vorabend hatte sie erneut mit Kai gestritten. Er musste zwar zugeben, dass die Besucherin in der vergangenen Woche die Wahrheit gesagt hatte, verstand trotzdem nicht, warum sie nach Bad Homburg fuhr. Ihre Enttäuschung darüber, dass er nicht einsah, dass sie ihre Zwillingsschwester und ihre leibliche Mutter kennenlernen wollte, schlug im Laufe des Gesprächs in Wut um. Vielmehr hätte sie sich gewünscht, dass er auf die Idee gekommen wäre, sie zu begleiten. Schließlich warf sie ihm vor, keine Ahnung zu haben, wie sie sich fühlte. Der Konflikt eskalierte endgültig, als sie ihn fragte, weshalb er überhaupt mit ihr zusammenlebte. Er schaute sie daraufhin entgeistert an, drehte sich wortlos um und verließ das Haus. Sie hatte ihn nicht heimkommen gehört und am Morgen war er bereits unterwegs gewesen, als sie aufgestanden war.
Sie konzentrierte sich auf ein Nilganspärchen, das mit sechs Jungen über die gegenüber liegende Wiese stolzierte. Jetzt nur nicht heulen!
Sollte sie ihn anrufen und ihm sagen, dass sie angekommen war? Weswegen? Das interessierte ihn ohnehin nicht. Biggi hatte recht. Es ging so nicht weiter!
Ihre Gedanken schweiften zu Opa und Oma ab. Konnte es wirklich sein, dass sie von der Adoption nichts gewusst hatten? Unvorstellbar! Sie vermisste die beiden unglaublich, nicht nur in diesem Moment.
Ihr knurrender Magen erinnerte sie daran, dass sie seit dem Frühstück nur ein Croissant gegessen hatte. Sie spazierte durch den Park zurück ins Hotel, nicht ohne einen kleinen Umweg zu einem Golfplatz zu machen, der mitten im Kurpark lag. Sie las auf einem Schild, dass die Golfanlage über hundert Jahre alt war und als älteste ihrer Art in Deutschland galt.
Der Himmel verdunkelte sich plötzlich von einer Minute zur anderen. Der auffrischende Wind kühlte zwar ein bisschen, war aber der sichere Vorbote eines aufkommenden Gewitters. Warum zogen immer dunkle Wolken auf, wenn sie sich mit ihrer Vergangenheit beschäftigte?
Mit den ersten Regentropfen betrat sie ihre Unterkunft und fand im Restaurant des Hotels einen Tisch am Fenster. Das Essen schmeckte vorzüglich, obwohl es deutlich mehr kostete, als sie es von Celle gewohnt war.
Sie war im Begriff aufzubrechen, als ein Mann bei ihr stehen blieb und sie anstrahlte. „Hallo Julia, war es recht?“ Plötzlich stutzte er. „Oh, Verzeihung. Ich habe Sie verwechselt. Sie ähneln einer Dame, die ich kenne.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Mein Name ist Antonelli. Ich bin hier der Geschäftsführer. War alles zu Ihrer Zufriedenheit?“
„Vielen Dank, es war köstlich“, entgegnete sie schmunzelnd.
Er lächelte und entfernte sich kopfschüttelnd.
12. Mai 2016
Björn schleppte sich die Treppe hinunter zum Erdgeschoss der Villa in Königstein, die er zusammen mit seiner Frau Tanja und dem Sohn Lars bewohnte. Aus dem Garderobenspiegel starrte ihn ein groß gewachsener, schlanker Mann aus blutunterlaufenen Augen an. Er hatte das Gefühl, dass jemand den kahlrasierten Schädel in einen Schraubstock eingespannt habe und ständig den Druck erhöhe.
Es musste sich vieles ändern! Doch wie oft hatte er sich das vorgenommen? Nach einem sekundenlangen Zögern betrat er die moderne Küche.
„Guten Morgen“, krächzte er, während sich sein staubtrockener Mund zusammenzog. Gierig sog er den Kaffeeduft ein, der den Raum ausfüllte, und setzte sich an den Tisch.
„Na, das scheint ja ein lustiger Abend gewesen zu sein! Du siehst umwerfend aus!“, ätzte Tanja.
Lars nickte ihm mit vollen Backen zu.
„Spar dir deinen Spott! Das Geschäftsessen hat länger gedauert als gedacht. Danach gab es einen letzten Drink an der Bar“, knurrte Björn und goss Kaffee in eine Tasse, die vor ihm stand. Er ärgerte sich, dass er auf den Vorwurf reagiert hatte und dadurch in die Defensive geraten war. Er trank einen Schluck.
„Waren bestimmt ein paar mehr Absacker!“, giftete sie weiter, ohne ihn anzusehen. „Lohnte es den Einsatz wenigstens?“
Er wusste, dass es sie nicht interessierte, was in der Firma geschah. Ihr einziges Interesse am Unternehmen beschränkte sich auf die finanzielle Absicherung, die es ihr bot. Er hatte nie versucht, dies zu ändern. Genauso hatte er es längst aufgegeben, Unmut darüber zu äußern, dass sie stetig zunahm und mit ihren 36 Jahren einen ansehnlichen Umfang erreicht hatte.
„Wir werden den Auftrag bekommen“, erwiderte er gleichgültig und schmierte sich ein Marmeladenbrötchen. Beim ersten Biss protestierte sein Magen derart heftig, dass er das Brötchen zurück auf den Teller legte.
Das angebliche Geschäftsessen bestand aus einer Pokerrunde, bei der er nahezu 5.000 Euro verloren hatte. Aus Frust war er anschließend durch verschiedene Bars gezogen.
„Deine Mutter hat angerufen. Es sei dringend. Du sollst so bald wie möglich zurückrufen“, richtete seine Frau ihm aus.
Welches Problem mochte Barbara haben? Es kam nicht oft vor, dass sie spontan anrief.
„Papa, ich hab eine Zwei in Mathe!“ Lars trank den Rest Kakao aus.
„Was? – Super!“ Björn strich ihm zärtlich über den Kopf. „Ich finde es toll, wie sehr du dich in letzter Zeit verbessert hast.“ Er überlegte. „Wollen wir beide zum Public Viewing ins Stadion nach Frankfurt fahren, wenn die deutsche Nationalmannschaft ihr erstes EM-Spiel hat? Ich glaube, das ist am 12. Juni.“
„Europameisterschaft? Echt jetzt? Krass!“ Der Sohn strahlte ihn an.
Björn blickte zu Tanja. „Ich muss los, das Büro wartet.“
Er erhob sich schwerfällig, presste