Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis - Alfred Bekker страница 19
Von irgendwoher kam ein frischer Luftzug, der Ausgang konnte nicht mehr weit entfernt sein.
„Du siehst erschöpft und müde aus. Soll ich das Buch nehmen?“, bot Gordon scheinbar großzügig an.
„Nein!“ Ich schrie dieses Wort fast.
Er schaute mich an und zuckte nachlässig mit den Schultern. „Schon gut, du musst nicht gleich verrücktspielen.“
Sah ich tatsächlich noch immer Gier in seinen Augen lauern, oder war es der Widerschein aus meinem eigenen Blick?
Frische klare Luft schlug uns entgegen, und endlich erreichten wir den Ausgang. Verwundert schaute ich mich um. Diese Gegend kannte ich doch. Das war ja tatsächlich nicht zu glauben. Der Bach verschwand in einem Loch und floss auch weiterhin unterirdisch. Wir traten jedoch durch einen dichten Vorhang aus Weiden und befanden uns am Rande des alten Friedhofs. Hier hatte es immer schon eine Senke gegeben, die ich aber als Kind schon nicht betreten hatte. Angeblich gab es hier einen Sumpf, deshalb galt es als gefährlich, in dieser Gegend zu spielen. Da auch sonst auf dem Gelände mehr als ausreichend Platz für alle Arten von Kinderspielen gegeben war, hatte es niemals einen Grund gegeben dieses Verbot zu überdrehten. Ob mein Vater etwas verborgenen Zugang wusste? Falls ja, hatte er jedenfalls nie ein Wort darüber verloren.
Tief atmete ich die reine frische Luft ein und versuchte die Beklemmung von mir abzuschütteln. Sicher lag es an der Atmosphäre in diesem mysteriösen Labyrinth, dass ich vorher so seltsame Gedanken gehegt hatte. Doch als ich jetzt auf das Buch schaute und dann in das Gesicht von Gordon blickte, sah ich wieder dieses gierige besitzergreifende Funkeln, und ich wusste sicher, dass ich mich auch vorher nicht getäuscht hatte. Unwillkürlich umfasste ich das Buch fester.
„Lass uns zu meinem Vater gehen, er macht sich bestimmt schon Sorgen, wo wir so lange stecken.“
Gordon fügte sich widerspruchslos. Ausgerechnet Henson mussten wir dann aber begegnen, als wir das große Herrenhaus betraten. Er gab nur mit einem winzigen Zucken der Augenbrauen zu erkennen, wie sehr ihn unser Auftritt befremdete. Dieser Butler war jedoch unbezahlbar, wie ich nicht erst seit heute wusste. Er setzte auch weiterhin seine undurchdringliche Miene auf und tat so, als wäre alles in bester Ordnung.
„Ich werde auf Anweisung Seiner Lordschaft den Tee im Kleinen Salon servieren, Mylady. Werden Sie daran teilnehmen, nachdem Sie sich frisch gemacht haben, Lady Jessica, Sir?“ Dieser eine Satz beinhaltete eine ganze Reihe von Fragen, die Henson niemals laut stellen würde. Doch ich wollte ihm später schon eine Erklärung geben. Nur nicht jetzt, nicht jetzt!
„Wo ist mein Vater?“
„In der Bibliothek, wie immer um diese Tageszeit.“
„Danke, Henson. Ist es möglich, dass Sie für Mr. McBride saubere Kleidung besorgen?“
Längst hatte ich festgestellt, dass Gordon arg ramponiert aussah. Sein Anzug war nicht nur total verschmutzt, sondern an beiden Ärmeln aufgerissen. Außerdem rochen wir beide nicht gerade nach Veilchen, wir brauchten dringend eine Dusche und frische Kleidung.
Gordon wirkte etwas unglücklich und suchte in seiner Tasche offenbar nach seiner Pfeife, um sich damit etwas zu beruhigen. Was er dann jedoch herauszog, war eindeutig ein menschlicher Knochen. Dieses Mal zog Henson die Stirn in Falten und streckte wohlerzogen die Hand aus.
„Ich entsorge dieses - dieses Teil, falls Sie es wünschen, Sir“, bot er höflich an.
„Henson, davon gibt es noch eine Menge mehr, dort wo wir gewesen sind. Wir werden in den nächsten Tagen eine ordentliche Bestattung vornehmen lassen müssen. Ich erkläre Ihnen das später. Bitte heben Sie den Knochen auf. Wir werden all diese Gebeine würdig in geweihte Erde bringen.“
Der Butler nickte verständnisvoll. „Selbstverständlich, Lady Jessica. Wünschen Sie, dass dazu auch ein Priester anwesend ist?“ Dieser Mann war einfach nur gut und durch nichts und niemand zu erschüttern, geschweige denn zu ersetzen.
„Ich gebe Bescheid, wenn es soweit ist. – Gordon, gehst du bitte mit ihm? Er wird dir etwas Anständiges zum anziehen besorgen und dir zeigen, wo du dich frisch machen kannst.“ Er warf einen letzten Blick auf das Buch, das ich noch immer fest umklammert hielt. Ich drücke es womöglich noch enger an mich und lief in die Bibliothek, schloss hinter mir die Tür und lehnte mich dagegen, als könnte ich auf diese Art die Welt ausschließen.
„Dad, ich musste dir etwas total Verrücktes erzählen. Aber glaube mir bitte, jedes Wort davon ist wahr.“ Ich hielt verdutzt inne und starrte die beiden Männer an, die sich hier im Raum befanden. Der eine war mein Vater, wie ich es erwartet hatte, der andere – Professor James Hagen. Henson hatte nichts von einem Besucher gesagt, aber ich hatte ja auch nicht danach gefragt. Was wollte dieser Mann hier?
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„Ich bin entzückt Sie wiederzusehen, Lady Jessica, auch wenn die Umstände mir etwas ungewöhnlich erscheinen“, erklärte der Professor, kam auf mich zu und küsste mir die Hand, ohne meinen Aufzug mit einem weiteren Wort zu würdigen. „Ich bin in erster Linie hier, um mich für mein unmögliches Benehmen im Institut zu entschuldigen.“
Mein Vater runzelte die Stirn und schaute mich von oben bis unten an, bevor er schmunzelte. „Eigentlich hatte ich ja gedacht, die Zeiten wären vorbei, in denen du draußen im Park auf Entdeckungstour gehst. Aber offenbar hast du erneut Freude daran gefunden. Nun, wenn es dir Spaß macht, wird dich niemand daran hindern. Allerdings wäre ich dir dankbar, wenn du das nächstemal umgezogen hier zu mir kommst.“
Ich schüttelte wild den Kopf. „Ganz so ist es nicht, Dad, und ich würde gern dringend mit dir reden.“
„Ganz wie du willst, mein Kind. Wo hast du übrigens den jungen Mann gelassen? Er wird dir doch nicht verloren gegangen sein?“
„Willst du mich nicht verstehen?“, fragte ich traurig. „Professor Hagen, ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich diese sicherlich wichtige Besprechung stören musste. Wenn Sie gestatten, würde ich jedoch gern kurz allein mit meinem Vater reden.“
Er schaute mich prüfend an, streifte dabei das Buch mit einem interessierten Blick und schüttelte dann zu meiner Verwunderung den Kopf.
„Ich bin untröstlich, kann das aber nicht gestatten, denn ich fürchte, es geht auch mich etwas an, was Sie zu sagen haben. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass Ihre Geschichte etwas mit diesen Buch und mit Mr. McBride zu tun hat?“
Jetzt war ich verblüfft. „Eigentlich ja. Aber woher wissen Sie...?“
Er nahm mir vorsichtig das schwere Buch aus den Armen und legte es ehrfurchtsvoll auf einen Tisch. Ich hatte nichts dagegen, irgendwie wusste ich, dass er nicht wild