Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis - Alfred Bekker страница 21
Professor Hagen stellte sich schützend vor mich. „Gordon, Sie vergessen sich und das bisschen Anstand, das Sie bisher bewiesen haben. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass die junge Lady nicht sehr lange ein schlechtes Gewissen haben wird, wenn ich ihr von dem Vorfall mit Lord Winterbottom erzähle. Die Voraussetzungen waren ähnlich, oder nicht? Ich habe Sie geschützt und Ihnen eine letzte Chance gegeben. Offenbar habe ich da ebenfalls einen Fehler gemacht. Gehen Sie jetzt bitte.“
Gordon wich zurück. Angst funkelte in seinen Augen. Ich wollte gar nicht mehr wissen, auf welchen Vorfall der Professor anspielte. Es schien jedoch eine Tatsache zu sein, dass Gordon schon vorher versucht hatte Ruhm zu ernten, der ihm in dieser Form nicht zustand.
„Das war noch nicht das letzte Wort“, stieß er hervor. „Ich habe meinem Anteil hier geleistet, und ich werde bekommen, was mir zusteht.“
„Bleibt nur noch die Frage, was Ihnen tatsächlich zusteht.“ Plötzlich stand mein Vater groß und respektheischend vor dem Mann. „Ich denke, Sie haben genug Unfrieden in mein Haus gebracht. Sie wollen also auf der Stelle meinen Grund und Boden verlassen. – Henson.“ Augenblicklich öffnete der Butler die Tür. „Der junge Mann möchte gehen. Sie überzeugen sich bitte, dass er das Anwesen auch wirklich verlässt.“
Der Butler nickte wortlos. Er war sicher, später eine ausführliche Erklärung zu bekommen. Wie ich wusste, bestand zwischen ihm und Dad seit langem eine Freundschaft der besonderen Art. Nur in der Abgeschiedenheit einer trauten Zweisamkeit spät am Abend fielen die Schranken zwischen Lord und Butler.
Als die Tür sich hinter Gordon schloss, war es im Raum, als würde eine unsichtbare Spannung und Bedrohung verschwinden.
„Was war das?“, fragte ich verstört. „Ich habe gedacht, Gordon wäre...“ Ich brach ab. Es war müßig, jetzt über Gefühle zu sprechen. Professor Hagen drückte beruhigend meine Hand.
„Sie müssen darüber nicht reden. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich im Moment verraten und verkauft vorkommen.“
„Das ist noch leicht untertrieben“, schnaubte ich. „Vorhin habe ich schon einmal darauf hingewiesen, dass ich eine Erklärung erwarte. Wie sieht es jetzt damit aus?“
Auffordernd schaute ich den Mann an. Wieder fiel mir auf, dass er außerordentlich attraktiv war, auf wenn er noch immer eine gewisse Arroganz an den Tag legte. Ich spürte, wie mein Vater mich tröstend in die Arme zog und fühlte mich plötzlich zutiefst erschöpft und ausgelaugt. Das alles war doch ziemlich viel, was ich an einem Tag hinter mich gebracht hatte. Und doch – obwohl ich heute in unmittelbarer Lebensgefahr geschwebt hatte, erschien mir das alles nicht so schrecklich wie die gerade erlebte Szene. Unaufgefordert reichte Dad mir ein Glas Whisky, und das scharfe belebende Getränk regte mich etwas an.
James Hagen legte das Buch auf den kleinen Tisch beim Kamin und setzte sich mir gegenüber, mein Vater blieb auf der Lehne meines Sessels sitzen und massierte sanft meinen Nacken, um die Verkrampfung etwas zu lösen. Er wusste immer ganz genau, was er tun musste, der Gute.
„Ich hatte über Ihren Besuch und Ihre ungewöhnliche Bitte nachgedacht, Lady Jessica, doch ich musste zugeben, dass ich zunächst nicht so recht den Sinn erkennen konnte. Also rief ich Ihren Vater an, der anfänglich einigermaßen überrascht war, dass Sie ihn nicht ins Vertrauen gezogen hatten. Allerdings konnte er recht schnell die richtige Vermutung äußern – mag das Ganze auch höchst merkwürdig und seltsam klingen. Sehe ich das richtig, dass Sie dieses Buch aus einer ungewöhnlichen Lage geborgen haben, um drei Toten zu helfen?“
James richtete seine Augen aufmerksam und verständnisvoll auf mich. Er hielt mich also nicht für verrückt?
Ich nickte.
„Das scheinst eine edle Sache zu sein“, lächelte er, und plötzlich wirkte er jungenhaft und verletzlich. Die Jahre fielen von ihm ab, und er war nicht mehr der unnahbare seriöse Professor, sondern ein humorvoller interessanter Mann mittleren Alters.
„Wie wollen Sie darüber urteilen?“, brachte ich einen Einwand hervor.
„Sie sind nicht die erste, die so etwas erlebt. Und Ihr Vater hat ebenfalls einschlägige Erfahrungen vorzuweisen. Deshalb konnte er mir ja auch relativ rasch erklären, um was es ging.“
Ich schaute Dad fragend an. „Was hast du eigentlich mit denen zu schaffen?“
„Ich wurde auch schon gefragt, ob ich einen Schatz will, im Gegenzug für die ewige Ruhe der Geister. Aber ich gebe zu, ich habe niemals den Mut besessen, mich selbst in Gefahr zu bringen, um ein paar Gräber zu finden. Dennoch habe ich von Zeit zu Zeit Kontakt mit Sir Lawrence und seinen Kameraden.“
Ich lachte auf und merkte selbst, dass es fast hysterisch klang.
„Habe ich mich jetzt eigentlich total lächerlich gemacht? Es klingt doch alles absolut verrückt, oder?“
„Nein, ich glaube nicht“, warf James ein. „Selbst ich als Wissenschaftler musste zugeben, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die nicht alle zu erklären sind. Sehen Sie, ich habe in den Hinterlassenschaften alter Völker geforscht und dort erstaunliches gefunden. Ich wäre ein Narr, würde ich leugnen, dass es etwas gibt, was außerhalb der greifbaren Realität steht. Und vielleicht ist es eine Art von Gefühl oder etwas Ähnliches. Schließlich sind Liebe und Hass auch intensive Gefühle, die niemand erklären kann, die aber auch von niemand geleugnet werden.“ Dabei schaute er mich mit einem seltsamen Blick an, und mir lief ein Schauder über den Rücken.
Närrin, schalt ich mich selbst. Nie wieder Gefühle, beschloss ich in diesem Moment spontan, ohne zu bedenken, dass Gefühle sich nicht befehlen lassen.
„Darüber müssen wir sicher nicht diskutieren. Und ich denke, dieses Thema sollten wir auch nicht vertiefen“, wandte mein Vater ein. „Jetzt ist jedenfalls dieses Buch hier, Jessica. Willst du wirklich den Geistern helfen?“
„Ja“, lächelte ich. „Wenn Professor Hagen bereit wäre, die Texte zu übersetzen. Denn ich kann die nicht lesen.“
Er nickte. „Das will ich gern tun. Aber ich würde ebenso gern das Buch untersuchen, wenn Sie gestatten.“
„Ein Leckerbissen?“, neckte ich.
„Auf jeden Fall. Nur selten findet man ein derart gut erhaltenes Exemplar mit bisher noch unbekannten Inhalten. Allerdings sieht sogar ein so ungehobelter Klotz wie ich, dass Sie für diesen Tag mehr als genug hinter sich haben, Mylady. Sie sollten sich zur Ruhe begeben. Trotzdem – darf ich einen Blick hineinwerfen?“ Verlangend schaute er mich an, aber in seinem Blick lag keine Gier. Ich hatte in diesem Fall nichts dagegen.
James strich bewundernd über das Silber, das im Laufe der Jahre schwarz geworden war. Erst jetzt fiel mir auf, dass der Einband aus massivem Holz völlig unzerstört war. Kein Wunder, dass dieses Buch ein ordentliches Gewicht aufzuweisen hatte.
Die Blätter bestanden aus vergilbtem Pergament, die Schrift war jedoch erstaunlich scharf. Welch eine Tinte mochte der unbekannte Schreiber damals benutzt haben? Nun, vielleicht würde der Professor mir dazu noch etwas erzählen. Aber nicht heute.
Von den Füßen her kroch bleierne Müdigkeit in mir hoch, und ich