Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett
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Die Kerle waren aus Brutalität, Niedertracht, Heimtücke und allem, was hart und unmenschlich macht, zusammengesetzt. Jetzt gab Wilburn das Zeichen. Die Gewehre flogen an die Schultern und begannen zu krachen. Es war ein Crescendo des Todes, das die Waffen hinausposaunten. Die Indianer wurden herumgerissen und von den Treffern geschüttelt, tot und sterbend sanken sie zu Boden.
Das Krachen brach ab. Die Gewehre schwiegen. Mit geisterhaftem Geraune verrollten die Echos.
Die Skalpjäger kamen zwischen den Felsen hervor und gingen zu den Indianern hin. Einer rührte sich noch. Wilburn zog seinen Colt und gab ihm mit erschreckendem Gleichmut in den Zügen den Rest. »Sechs Skalps Leute. Sechzig Dollar. Nicht schlecht. Gekostet hat es uns lediglich einige Unzen Blei.«
Das Wort Mitleid oder Anteilnahme gab es nicht in seinem Sprachschatz. Ein Menschenleben war ihm gerade mal den Preis für eine Kugel wert. Sie zogen ihre Messer und machten sich an die blutige Arbeit. Die Skalps stopften sie in blutbesudelte Leinensäcke.
Dann verließen sie diesen Ort und zogen weiter. Sie wollten so viele Skalps wie möglich erbeuten und vor allem wollten sie Victorio. Er war der Regierung tausend Dollar wert. Und für tausend Dollar wären Wilburn und seine Komplizen in die Hölle geritten und hätten dem Satan ins Maul gespuckt.
*
»Ich will nicht mehr. Lasst mich hier zurück.« Der junge Soldat ließ sich einfach auf den Boden sinken, zog die Beine an und schlug beide Hände vor das schmutzige Gesicht. Er war am Ende. Etwas in ihm war zerbrochen. Er hielt die Strapazen des Marsches nicht mehr länger aus. Seit vier Tagen marschierten sie nun über Stock und Stein. Sicher, tagsüber hatten sie Zeit, sich zu erholen. Aber die Nächte waren schon lang, und das Land schenkte ihnen nichts. Der Weg war eine Tortur. Der Bursche war bereit, aufzugeben.
»Hoch mit Ihnen, Trooper Stillwell! Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren Kameraden. Wir können alle nicht mehr. Dennoch marschieren wir.« Lieutenant Whitlock hatte angehalten, das rechte Bein auf einen Felsen gestellt und beugte sich weit über den Kavalleristen. »Wir lassen Sie nicht zurück.«
»Ich – ich kann nicht mehr, Sir«, brach es rasselnd über die bebenden Lippen des Jungen. Seine Augen glitzerten in der Dunkelheit wie Glaskugeln. Ein Ächzen stieg aus seiner Kehle. Es hörte sich an wie trockenes Schluchzen.
Die anderen waren weitermarschiert und Whitlock konnte sie nur noch schemenhaft wahrnehmen. Die Pferdehufe krachten und klapperten. Niemand kümmerte sich um Stillwell, der schlapp zu machen drohte. Jeglichen Gedankens, jeglichen Willens beraubt stapften die Soldaten dahin. Jeder Schritt war eine Anstrengung, eine Überwindung, die all den Willen erforderte, der in den Männer noch steckte. Es war das Gesetz der Selbsterhaltung, das nur noch der Instinkt diktierte und sie vorwärts peitschte.
»Stehen Sie auf, Soldat!«, keuchte Whitlock. »Das ist ein Befehl. Sie werden mir doch den Gehorsam nicht verweigern?«
»Erschießen Sie mich von mir aus, Lieutenant. Es ist mir egal. Lieber tot sein, als...« Stillwell brach ab. »Tut mir Leid, Sir. Ich kann wirklich nicht mehr. Meine Füße sind wund. Ich – ich fühle mich ausgehöhlt wie ein morscher Baumstamm. Bitte, Lieutenant, lassen Sie mich zurück.«
»Niemals, Stillwell!« Whitlock nahm sein Bein von dem Felsen. »Geben Sie mir Ihre Hand, ich helfe ihnen.« Er streckte den Arm aus. »Anhalten!«, gebot er gleichzeitig mit lauter Stimme. Seine Worte holten den kläglichen Rest der Patrouille ein. »Sergeant, warten Sie mit den Männern! Stillwell kann nicht mehr.« Seine Stimme sank herab. »Geben Sie mir die Hand, Soldat!« Whitlocks Worte fielen zwingend und duldeten keinen Widerspruch. Stillwell reichte ihm die Hand. Whitlock zog ihn auf die Beine. Schwankend stand der Trooper. »Kommen Sie, ich stütze sie.«
»Wie lange wollen Sie das schaffen, Sir? Ein paar hundert Yards, dann sind wir beide fix und fertig.«
»Wahrscheinlich haben Sie Recht. In Ordnung. - Sergeant!«
»Sir!«
»Ich ordne eine Pause von einer Stunde an. Die Männer sollen sich ausruhen.«
Whitlock machte sich Sorgen und schätzte, dass sie noch sieben oder acht Tage unterwegs sein würden. Weitere Männer würden schlapp machen und aufgeben wollen. Der Hunger höhlte sie aus. Am Morgen des vergangenen Tages waren sie auf einen kleinen Creek gestoßen. Sie konnten sich die Mägen mit Wasser füllen. Einige Männer hatten Rauchzeug und sie betäubten das nagende Hungergefühl mit Nikotin. Es wurde Zeit, dass sie etwas Essbares fanden. Auf dem Weg, der vor ihnen lag, gab es keine Ranch, keine Farm, keine Ansiedlung. Sich nach Osten zum Rio Grande durchzuschlagen, bedeutete einen Umweg von zweihundert Meilen. Die Landkarte hatte der Lieutenant mit seinem Pferd verloren. Er konnte sich nur am Stand der Sonne und der Sterne orientieren. Rauchzeichen hatte er keine mehr gesehen. Das hieß aber nicht, dass die Apachen nicht in der Nähe waren.
Gerade ihre Nähe konnte der Grund sein, weshalb sie keine Rauchsignale mehr zum Himmel schickten. Weil ihnen die Blaubäuche sicher waren...
Sie rasteten. Wind kaum auf. Windstöße fegten den Staub vor sich her. Man konnte bald die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Der Sand drang in sämtliche Körperöffnungen ein, trocknete die Schleimhäute aus und knirschte zwischen den Zähnen. Das Heulen und Fauchen des Sturms zwischen den Felsen ließ die Ohren schmerzen. Die Soldaten blieben dort, wo sie waren. Sie kauerten hart an der Felswand, gegen die der Wind prallte und Sand ablud.
Gegen Morgen ließ der Sturm nach. Berge von Sand türmten sich an der Basis der Felsen. Spuren, soweit es welche gab, waren verweht. Die Speicheldrüsen der Soldaten waren versiegt. Nachdem sie sich mit dem brackigen Wasser aus ihren Feldflaschen die Münder ausgespült hatten, torkelten sie weiter. Sie warteten nicht die Nacht ab. Es wurde ein Wettlauf gegen die Zeit. Der Marsch ging an die Substanz. Nach zwei Stunden brach Reiter Stillwell zusammen. Zwei Kameraden halfen ihm auf eins der Pferde, das schon mit einem Verwundeten besetzt war. Auch die drei Tiere waren am Ende.
Es ging immer höher hinauf. Am Rand einer Ebene stießen sie auf eine Tinaja, eine Wasserstelle. Ein Staubfilm schwamm auf der Wasseroberfläche. Einige Soldaten wollten sich sofort zu dem Wasserloch stürzen und trinken. Die schroffe Stimme des Lieutenants stoppte sie. Er ging bei dem Wasser auf das linke Knie nieder, schöpfte mit der Hand etwas von dem lebensnotwenigen Nass und probierte es, dann senkte er die Hand und sagte: »Ich habe befürchtet, dass es alkalihaltig ist. Doch es ist in Ordnung.«
Die Soldaten löschten ihren Durst, dann kamen die Pferde an die Reihe. Ringsum erstreckte sich ein Gebiet zerklüfteter Hügel und dunkler Kämme, zwischen denen kleine Prärien mit braunverbranntem Büffelgras eingebettet lagen. Von Apachen hatten sie nichts mehr gesehen.
»Wie lange noch, Sir?«, fragte der Sergeant. Aus seinen Haaren tropfte Wasser. Die blaue Feldmütze hielt er in der Hand.
»Sechs Tage noch«, versetzte Whitlock. Während er sprach, blickte er zu den verschwommenen Umrissen der blauen Bergkette am nordwestlichen Horizont. Und er sah ein Aufblitzen, wie wenn sich Sonnenlicht auf einer Spiegelscherbe oder einem Gewehrlauf bricht. Ein herber Zug kerbte sich in seine Mundwinkel. »Wir werden erwartet«, sagte er und deutete zu dem Felsmassiv, das sich von Osten nach Westen erstreckte. »Etwas hat das Sonnenlicht