Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett
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Whitlock schaute betroffen. Wenn der Scout ums Leben kam, dann hatte er ihn in den Tod geschickt. Er schalt sich einen Narren, und er versuchte sich zu beruhigen. Du musst dir keine Vorwürfe machen, zog es durch seinen Verstand. Es ist sein Job. Wenn wir hier umkommen, macht sich Colonel McIntosh sicher auch keine Vorwürfe.
Der Versuch misslang. Es beruhigte ihn nicht. Whitlock fand das alles plötzlich so sinnlos, so überflüssig. Das Land ertrinkt im Blut seiner Menschen, durchfuhr es ihn voll Verbitterung. Und die Armee schürt den Hass noch. Alles nur wegen der unstillbaren Habgier einiger weißer Männer, die den Indianern die Luft nicht gönnen, die sie atmen.
Whitlock beobachtete die Rauchsignale. Soeben wurde die dunkle Rauchsäule wieder unterbrochen. Der Späher hatte grünes Laub in die Flammen geworfen, darum war der Rauch fast schwarz. Immer wieder schickte er seine Signale zum Himmel. Whitlock ahnte, dass das Kommunikationssystem in der Wüste vorzüglich funktionierte. Tatsächlich stiegen bald in der Ferne ebenfalls Rauchzeichen zum Himmel. Das Feuer brannte auf der Kuppe eines Felsens. Senkrecht stiegen die Rauchbahnen empor...
*
Whitlock begab sich zum Major. »Sie haben unseren Scout entdeckt.« Er deutete mit einer matten Geste seiner Linken nach Südwesten. »Seine Chancen sind die eines Schneeballs in der Hölle. Wir sollten nicht auf seine Rückkehr warten, Sir, sondern aufbrechen. Noch ist die Fährte frisch.«
»In Ordnung, Lieutenant. Lassen Sie das Camp abbrechen und die Männer aufsitzen.«
Eine Viertelstunde später waren sie auf dem Weg. Die Geräusche, die sie verursachten, rollten vor ihnen her. Wo der Boden sandig war, konnte man die Spur, die die räuberischen Indianer gelegt hatten, deutlich sehen. Aber auch auf felsigem Untergrund gab es immer wieder Hinweise wie Pferdedung, Kratzspuren, losgetretene Steine und Pferdehaare, die an dornigen Büschen hängen geblieben waren...
Der letzte der drei Scouts ritt voraus. Es ging durch einen Canyon, dessen Wände senkrecht nach oben stiegen. Oben schienen sich die Felsen zu vereinen. Staub wehte über die Ränder, leises Prasseln erfüllte die Luft. Die Luft schien stillzustehen, nur aus Seitenschluchten strömte den Reitern kühle Luft entgegen. Zwischen den Felsen wurden die Geräusche von den Echos verstärkt und muteten besonders intensiv an. Von einem vorspringenden Felsen tropfte Wasser und färbte den Sand am Boden dunkel. Es war wie ein steinernes Grab des Schweigens, das sie durchritten. Stellenweise war die Schlucht fast hundert Yards breit, dann verengte sie sich wieder und war gerade so breit, dass drei Reiter nebeneinander durchkamen.
Der geeignete Platz für einen Überfall.
Dort, wo die Schlucht endete, fanden sie den Scout, den der Lieutenant losgeschickt hatte. Er war tot und skalpiert. Sein Körper war mit Pfeilen gespickt. Neben ihm steckte eine Kriegslanze im Boden. Myriaden von kleinen Mücken saßen auf dem Leichnam oder umschwärmten ihn.
Whitlocks Kehle war salztrocken. Er hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Faust gewürgt zu werden. Sein Befehl hatte den Mann in den Tod geschickt. Mit Indianern, die der Armee dienten, gingen die aufrührerischen Apachen besonders grausam um.
Vor ihren Blicken lag ein staubiger Talkessel. Einige Kakteen und Hickorys sowie Korkeichen erhoben sich. Rundum gab es Felsen und Hügel. Die Sonne gleißte. Der Major ließ absitzen. Der Scout wurde begraben. Dann ritt die Patrouille in den Kessel hinein. Er hatte einen Durchmesser von etwa dreihundert Yards. Jeder der Soldaten war ein Bündel angespannter Aufmerksamkeit. Die Nerven waren zum Zerreißen angespannt, die Anspannung vertiefte die Linien in den Gesichtern. Sie präsentierten sich den Apachen wie auf einem Schießstand. Rundum schien das Land tot und leer zu sein. Aber sie gaben sich keinen Illusionen hin. Die Ruhe war nicht echt, sie war gefährlich und trügerisch. Die Apachen würden sich erst sehen lassen, wenn es zu spät war und es kein Zurück mehr gab.
Und dann kamen sie.
Die Kavalleristen befanden sich mitten in dem Kessel. Die Apachen griffen von allen Seiten an. Ihr schrilles Geschrei erhob sich zum Himmel und vermischte sich mit dem Trommeln des Hufschlages.
»Absitzen! Rundumsicherung! Benutzt die Pferde als Deckung. Und vergeudet keine Munition!«
Gellend kamen die Befehle. Das Entsetzen fuhr den Männern in die Knochen. Der eine oder andere verspürte Gänsehaut. Mit dem Entsetzen kam die Angst, und mit der Angst der Selbsterhaltungstrieb, eines der ältesten, angeborenen Prinzipien der Menschheit.
Die Soldaten handelten, warfen sich von den Pferden, die Karabiner flirrten aus den Futteralen. Trockenes, metallisches Geräusch erklang, als die Männer durchluden. Sie bildeten einen Kreis. Eine Wand aus zuckenden Mündungsblitzen und Pulverdampf stellte sich den Angreifern entgegen.
Deutlich war der Strom des Vernichtungswillens, der von der näherbrandenden Schar ausging, zu spüren. Die Kavalleristen zwangen sich dazu, ihren Anblick zu ertragen.
Pferderücken wurden leergefegt. Die reiterlosen Gäule preschten in der donnernden Angriffwelle weiter, wurden regelrecht mitgerissen. Jetzt schossen auch die Angreifer wie rasend. Aus der flatternden Wolke, die die Soldaten umhüllte, torkelten Gestalten hervor und brachen zusammen.
Das hochträllernde Geschrei zermürbte die Gemüter. Tomahawks wirbelten durch die Luft, Kriegslanzen zogen ihre lautlosen Bahnen. Pferde brachen zusammen. Die Soldaten schossen die Rohre heiß. Die Indianer waren in eine Kreisbahn eingeschwenkt, hingen an den den Soldaten abgewandten Seiten der Pferde und feuerten mit alten Revolvern und Gewehren unter den Köpfen der Tiere hindurch.
Dann aber verschwanden sie ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Wahrscheinlich merkten sie, dass der Blutzoll, den sie Ihrem Hass zu bezahlen hatten, zu hoch war. Sie stoben über die Kämme der Hügel ringsum und es war, als hätte sie die Erde geschluckt, als hätte es sie nie gegeben. Doch die toten Pferde, Indianer und Soldaten waren Zeugnis dafür, dass sie Realität gewesen waren - bittere, unselige Realität.
Staub und Pulverdampf zerflatterten, wurden vom Wind fortgetragen oder legten sich auf den Boden zurück.
»Rückzug in die Schlucht!«, rief der Major. Seine Stimme klang heiser und mitgenommen. »Decken Sie mit drei Mann unseren Rückzug, Lieutenant!«
Fünf tote Soldaten blieben zurück. Sieben Pferde waren getötet worden. Einige Mustangs standen herum und spielten nervös mit den Ohren.
»Wir nehmen die toten Kameraden mit!«, kommandierte Whitlock, als Major Garretson mit dem Haupttrupp in der Schlucht verschwunden war. Sie luden die reglosen Gestalten auf die Pferde und führten die Tiere zwischen die Felswände. Zwei Soldaten blieben zurück, um den Zugang zu bewachen.
»Fünf Tote, vier Verwundete«, zog Major Garretson Resümee. »Und wir haben sieben Pferde verloren. Welch ein Irrsinn. Sie sind über uns gekommen wie der Adler über eine Feldmaus.«
»In dieser Wildnis sind sie uns haushoch überlegen«, knurrte Whitlock.
Die Verwundeten wurden verbunden. Einer der Kavalleristen hatte einen Schuss in die rechte Brustseite bekommen. Ein anderer hatte einen Bauchschuss davongetragen. Die beiden anderen Verwundeten hatten nur leichte Verletzungen.
»Wir müssen Schleppbahren bauen«, erklärte der Lieutenant. »Zunächst einmal aber sollten wir die Nacht abwarten.