Lese-Paket 1 für den Strand: Romane und Erzählungen zur Unterhaltung: 1000 Seiten Liebe, Schicksal, Humor, Spannung. Sandy Palmer
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„Natürlich, selbstverständlich“, bestätigte Hans, der noch gar nicht imstande war, die Tragweite dieser Feststellung voll zu übersehen.
„Hans“, fuhr Dr. Timmel fort, „es ist zwar bösartig, aber vielleicht sind die Geschwülste noch relativ klein. Allerdings die Beschwerden ...“
„Sie hat mir nichts erzählt. Sie sagt, sie hätte etwas Ausfluss und manchmal ein leichtes Ziehen in der Gegend der Gebärmutter.“
„Es ist nicht der Uterus selbst“, sagte Dr. Timmel, „es ist ein Zervixkarzinom.“
„Also kein Gebärmutterkrebs, sondern eine Geschwulst im Gebärmutterhals.“
„Hat sie sich denn nie untersuchen lassen?“, fragte Dr. Timmel.
„Ich war sicher, dass sie es tut, dass sie regelmäßig zu ihrem Frauenarzt geht.“
„Also bei mir ist sie nicht gewesen, und sie hat mir auch erzählt, sie wäre einmal als junges Mädchen bei einem Frauenarzt gewesen, hätte im gynäkologischen Stuhl gesessen, und das wäre für sie ein so entsetzliches Erlebnis gewesen, dass sie sich immer gescheut hätte, diese Vorsorgeuntersuchung machen zu lassen. Zudem meinte sie, dass es in ihrem Alter gar nicht nötig sei.“
Hans wusste selbst, welch verhängnisvoller Irrtum dies war, weil mittlerweile feststand, dass immer mehr jüngere Frauen Gebärmutter- oder Gebärmutterhalskrebs bekamen.
„Du weißt ja“, sagte Dr. Timmel, „dass ein Gebärmutterhalskarzinom ein präkanzeröses Stadium hat, das heißt also, eine Zeitspanne, wo sich zwar Krebszellen nachweisen lassen, sich aber das Geschwulst selbst noch nicht festgesetzt hat. Und in dieser Zeit macht das zu wachsen beginnende Karzinom gar keine oder nur sehr geringe Erscheinungen. Erst bei fortschreitendem Wachstum des Karzinoms in die Tiefe hinein und damit einhergehendem stärkerem Gewebszerfall treten die ersten Erscheinungen auf. Es gibt also keine wirklichen Frühsymptome. Wäre deine Frau aber regelmäßig zum Arzt gegangen, hätte ihr Frauenarzt dieses Frühstadium erkennen können bei der Untersuchung. Doch nun handelt es sich ganz sicher nicht mehr ums Frühstadium, da die Beschwerden schon sehr deutlich sind. Ich weiß nicht, ob sie dir gesagt hat, dass sie unregelmäßige Blutungen hatte. Vom Ausfluss haben wir schon gesprochen. Und ich kann nur immer wieder sagen, was ich auch deiner Frau sagen musste, dass jede Frau über fünfundzwanzig Jahre alle neun Monate gynäkologisch untersucht werden sollte, und es muss dabei unbedingt ein zytologischer Abstrich gemacht werden. Sie ist noch nicht einmal zum Arzt gegangen.“
„Mein Gott“, entfuhr es Hans. „Und ich habe geglaubt, sie ließe sich regelmäßig untersuchen. Ich habe sie sogar danach gefragt. Da hat sie mir immer erklärt, es sei alles in bester Ordnung. Und sie ist die Frau eines Arztes!“
„Ich weiß nicht, ich kenne sie ja nun auch schon einige Zeit, aber so wahnsinnig hat sie sich für deinen Beruf nie interessiert. Jedenfalls mach ich mir Sorgen.“
„Wer wird sie operieren?“, fragte Hans.
„Natürlich werde ich es selbst machen“, erklärte Dr. Timmel.
„Dann weiß ich sie ja in besten Händen. Um Himmels willen, hoffentlich ist es nicht schon zu weit fortgeschritten.“
„Hoffentlich nicht“, konnte da Dr. Hartmut Timmel nur erwidern.
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8
ES WAR SECHS UHR MORGENS. Die Patientin lag bereits auf dem Operationstisch. Der Strahler über dem Tisch war eingeschaltet. Alle Vorbereitungen für die Operation waren getroffen. Die Narkose begann schon zu wirken. Am Kopfende der Patientin stand der Anästhesist. Die Operationsschwestern, die Assistenten, alle warteten nur noch auf Dr. Timmel, den Chefarzt der gynäkologischen Abteilung, der die Operation an Ingrid Berring durchführen würde.
Dr. Hans Berring, der vorhin noch bei seiner Frau gewesen war, stand im Vorbereitungsraum und sprach noch mit seinem Kollegen Dr. Timmel. „Ich war bis vorhin bei ihr“, sagte er. „Du wirst die Wertheimsche Operation durchführen?“, fragte er.
Dr. Timmel nickte. „Ja, um eine abdominale Radikalexstirpation kommen wir nicht herum. Und ich muss in jedem Falle auch das parametrane Beckenbindegewebe entfernen.“
„Wenn es nicht zu spät ist“, meinte Hans.
Dr. Timmel nickte. „Wenn es zu spät ist, lieber Hans, was ich nicht hoffe, dann kann ich nur wieder zumachen. Aber es spricht vieles dafür, dass es nicht zu spät ist. Die Symptome hätten doch stärker sein müssen. Nach meiner Schätzung befindet sie sich zwischen Stadium 1 und Stadium 2, das heißt, das Karzinom ist auf die Zervix beschränkt und beginnt gerade mit der Invasion auf andere Teile, oder aber das Karzinom hat sich bereits über die Zervixwand hinaus ausgedehnt, konnte aber noch nicht den Beckenrand erreichen.“
„Ich kann nicht hier warten. Ich habe leider selbst eine Operation. Wirst du mich informieren?“, fragte Hans.
„So schnell es geht. Du bist drüben im anderen Haus, nicht wahr?“
„Ja, und ich hoffe, dass du mit deinem Stadium I recht hast.“
Er ging. Dr. Timmel blickte ihm kurz nach, dann wandte er sich ab, eine Schwester zog ihm den Mundschutz hoch, und er ging hinüber zum Operationstisch.
Alles ging, wie es schon so viele Male gegangen war. Jeder Griff saß, keine Unruhe, Routine, Perfektion, absolutes Können. Dann aber, als die Gebärmutter frei dalag, als man das Ausmaß der Krankheit voll erkennen konnte, zuckte Dr. Timmel doch zusammen. Was er da entdeckte, kam auch für ihn, den erfahrenen Mann, völlig überraschend. Da war nicht mehr die Frage, ob es sich um Stadium 1 oder 2 handelte, hier war völlig unerwartet bereits das Endstadium eingetreten. Die Geschwulst hatte nicht nur die Beckenwand erreicht, sondern bereits die Blase befallen.
Und obgleich sich beim Zervixkarzinom die Tochtergeschwülste sehr spät bildeten, musste wohl schon damit gerechnet werden, dass die Leber, womöglich auch die Lunge befallen waren.
Dr. Timmel hob den Kopf, blickte seine beiden Assistenten an und sagte mit einer durch den Mundschutz gedämpft klingenden Stimme: „Da ist nichts mehr drin. Da nützt eine Exstirpation gar nichts. Sie würde alles nur beschleunigen. Wir müssen wieder zumachen.“ Die Assistenten sahen zu den Schwestern hinüber, und die erwiderten den Blick. Ein paar Sekunden lang war nur das Geräusch der Beatmungsmaschine zu hören. Sie alle hier im OP wussten, dass eben von Dr. Timmel ein Urteil gesprochen worden war, ein Todesurteil. Die Patientin war verloren. Kein Arzt konnte ihr helfen.
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