Küstengold. Kurt Geisler

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Küstengold - Kurt Geisler

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schlängelte. Ihre tiefe Bräune verdankte sie sicherlich ihrem Freiluftjob. Obwohl ihrem kurzen Rock und den gelben Lederstiefeln alle verstohlenen Blicke der männlichen Kundschaft auf der Sonnenterrasse galten, war zu vermuten, dass diese aufreizende Person nicht immer nur Glück im Leben mit den Männern hatte. Warum sollte sie sonst hier kellnern?

      Stuhr schloss die Augen und genoss, dass die Sonne ihre bräunende Kraft endlich wieder auf seiner Haut entfalten konnte. So musste Urlaub schmecken.

      Nur wenig später irritierte ihn ein Raunen, das über die Terrasse des Pfahlbaus wogte. Er öffnete die Augen. Der groß gewachsene Mann aus dem Flieger setzte sich am Nachbartisch nieder. Wie selbstverständlich langte er zu dem von der Bedienung zuvor servierten Drink und prostete Stuhr unerwartet zu.

      »Gestatten. Mein Name ist Schneider. Elmar Schneider. Ich möchte Sie nicht weiter stören, aber nach so einer Bruchlandung muss man zunächst mal Dampf ablassen.«

      Dann stürzte Schneider sein Getränk mit einem einzigen Zug herunter, bevor er sich auf die Overstolz-Packung stürzte. Er fingerte eine der filterlosen Zigaretten heraus und schob sie sich zwischen die Lippen. Anschließend hob er lässig seine Hand. Verlangte er nach Feuer für seine Zigarette?

      Stuhr bezweifelte, dass in einer emanzipierten Gesellschaft wie auf der Arche Noah irgendein Mensch für eine Nachbestellung dieser Art in Bereitschaft stand.

      Falsch vermutet, denn wenig später senkte die grazile Hand der Bedienung ein neues Getränk auf den Tisch seines Nachbarn. Anschließend wurde ihm sogar das verlangte Feuer gereicht. Dann entfernte die Kellnerin dezent das geleerte Glas.

      Schneider unternahm einen neuen Anlauf.

      »Verstehen Sie mich bitte nicht verkehrt, aber ich bin die ganze Woche in irgendwelchen Fliegern unterwegs. Ich bin Geschäftsmann und jette ständig zwischen Hongkong, New York, Rio und Tokio hin und her. Ich schaffe jeden Deal. Mein Spitzname ist V2.«

      Schneider stürzte auch den zweiten Drink hinunter. Als er Stuhrs verdutzten Blick bemerkte, beeilte er sich, eine Erklärung hinterher zu schieben. »Nein, nicht die Vergeltungswaffe. Die Stunde Null. Sie wissen, der Song von Bowie.«

      David Bowie? Klar, V2 Schneider, die Rückseite von ›Heroes‹. Stuhr hatte sich immer gefragt, was dieser Song bedeuten sollte. Jetzt saß diese Raketeninkarnation direkt neben ihm. Stuhr konnte sich seine Nachfrage nicht verkneifen.

      »Und was treibt Sie an diesem beschaulichen Nachmittag auf den Sand vor St. Peter-Ording?«

      Schneider inhalierte tief den Rauch seiner Overstolz, bevor er antwortete.

      »Gute Frage. Natürlich ist es nicht die Ruhe, die mich hertreibt. Sie müssen wissen, durch meine Taschen fließt viel Geld, und ich investiere gern in vielversprechende Projekte. Selbst in dieser Region, und nicht nur in sichere Sachen. Ich bringe die richtigen Partner zusammen, das weiß man in St. Peter-Ording zu schätzen, und deswegen genieße ich einige Privilegien. Sie verstehen?«

      Stuhr verstand natürlich nicht und überlegte, ob er nicht besser den Platz wechseln sollte. In diesem Moment wurde die Aufmerksamkeit aller Sonnenhungrigen auf der Terrasse des Pfahlbaus von der Sirene eines mit hoher Geschwindigkeit durch die Strandgänger kurvenden heraneilenden Polizeiwagens abgelenkt, der unweit der Arche Noah direkt beim Flugzeug stoppte.

      Von seiner hohen Warte aus konnte Stuhr gut mitverfolgen, wie zwei Polizisten zum Bruchpiloten eilten, um ihn zur Rede zu stellen. Mithören konnte er aus der Distanz nicht, und so richtete er seine Frage an sein Gegenüber: »Geht es Ihnen jetzt an den Kragen? Oder wurde Ihnen auch dieses Privileg eingeräumt?«

      Schneider grinste. »Sie meinen das Landen mit einem Fluggerät auf einem öffentlichen Strand? Nein, das ist seit den frühen 1970ern von den Behörden untersagt worden, und dieses Privileg konnte ich mir leider bisher vor Ort noch nicht erkaufen. Im Übrigen war es eine Notlandung wegen Problemen mit dem Höhenruder. So wird es jedenfalls im Flugbuch stehen. Mit dieser Ausrede können Sie allerdings auch die Golden Gate Bridge unterfliegen. Allerdings hat dieser Trottel von Pilot unterschätzt, wie weich der Sand in den Pfützen ist. Na ja, ich bin nicht umsonst gut versichert.«

      Schneider war vor lauter Erzählen die Zigarettenglut erloschen. Er hob seine Zigarette in die Luft und ließ sich wiederum genüsslich von der Bedienung Feuer geben, bevor er auf Stuhrs erstaunten Gesichtsausdruck reagierte.

      »Wundern Sie sich bitte nicht, dass mich die Kellnerin so freundlich bedient. Sie zeigt nur ihre Dankbarkeit. Ich habe sie erst am letzten Wochenende wieder vernascht, und es scheint ihr gefallen zu haben. Ein ordentliches Mädel, allerdings war es anfänglich ziemlich anstrengend mit ihr.«

      Stuhrs Stirn kräuselte sich. Schneider schien das zu bemerken.

      »Verstehen Sie mich bitte nicht verkehrt. Wissen Sie, ich komme gestresst mit praller Brieftasche und dicker Hose am Wochenende in Sankt Peter an, während die Bedienung jeden Tag auf der Terrasse wie auf einem Catwalk zwischen den Neureichen herumtingelt. Soll ich nach meiner anstrengenden Arbeitswoche auch noch nachts bei ihr den Supermann spielen? Nein, einen solchen Stress kann und will ich mir nicht erlauben. Ich habe ihr gesagt, wenn sie wirklich etwas von mir will, dann muss sie sich schon ein wenig anstrengen und ihren Unterkörper in Wallung bringen. Das hat sie auch irgendwann begriffen.«

      So genau wollte Stuhr das eigentlich nicht wissen, aber Schneider setzte noch einen drauf.

      »Aber es ist schon okay mit ihr. Sie ist ein geradliniges Mädchen, die Verena. Sie zog zwar ihr eigenes Ding durch, aber immerhin habe ich die Dame mehrfach zum Zappeln bekommen. Ist also kein Wunder, dass Verena mich heute so zuvorkommend bedient.«

      Stuhr war fassungslos und drehte sich ungläubig weg. Einen solchen Chauvinisten hatte er schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr erlebt. Schneider musste einer von diesen Überfliegern sein, die wie Raketen hochschießen, von denen man aber nach dem Verglühen nicht einmal mehr die Aschenreste findet.

      Diese Zeitgenossen verabscheute Stuhr. Aus welchem Grund sollte er sich Schneider länger antun?

      Ein neues Getränk senkte sich auf Schneiders Tisch. Lustvoll ergriff er es und rückte mitsamt Stuhl näher.

      »Sie sind ebenfalls ein attraktiver Mann. Den Stoßverkehr mit Damen dieser Preisklasse müssen Sie doch auch kennen. Oder etwa nicht?«

      Stuhr zuckte desinteressiert mit den Schultern. Er liebte ja seine Jenny Muschelfang, wenngleich sie momentan seit langen Monaten nicht mehr zusammen waren. Das ging Schneider aber nichts an.

      Der ließ aber nicht locker. »Verstehen sie mich bitte nicht verkehrt, aber die Damen fliegen nun einmal auf erfolgreiche Geschäftsleute wie mich. Ich habe mehr als ausreichend Kohle, zwei Porsche und einen eigenen Flieger.«

      Stuhr konnte sich das gut vorstellen. Jede Nacht an einem anderen Hintern zu liegen, das mochte für viele männliche Geschlechtsgenossen von Schneider ein hehres Ziel sein. Stuhr dagegen sehnte sich nach einer Frau, mit der er es einfach gut aushalten konnte. Wie mit Jenny im letzten Sommer. Jetzt war sie weg.

      Schneider musste Stuhrs Stimmungslage erfasst haben, weil er jetzt von seiner Euphorie herunterkam und auf ihn einging. »Sie machen einen traurigen Eindruck, als wenn sie verlassen worden sind. Aber was soll es? Es gibt genug andere. Die Frauen, die ich knacke, die haben alle ihre Reize. Aber kann einen das auf Dauer glücklich machen?« Er stürzte den nächsten Drink hinunter.

      Die Antwort trieb Stuhr in Ratlosigkeit. Glück? Was ist schon Glück? Stuhr blickte tief in sein Weizenbier,

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