Küstengold. Kurt Geisler
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Küstengold - Kurt Geisler страница 5
Ungläubig musterte ihn Brodersen. »Ein Model für mich, oder wie meinst du das?«
Dreesen grinste. »Nein, kein Model, sondern eine gute Gelegenheit für dich. Ich meine das neue Teilzeitangebot, was die Landesregierung gerade ausheckt. Du musst 30 Dienstjahre auf dem Buckel haben und mindestens 50 Jahre alt sein. Dann bekommst du 80 Prozent der letzten Bezüge als Ruhegehalt.«
Dieser Lichtstreifen am Horizont ließ Brodersen aufleben. »80 Prozent Pension mit 50 Jahren? Ist das dein Ernst?«
Dreesen lachte sich schimmelig. »Nein, natürlich nicht. Ich wollte dir zum Wochenende nur eine kleine Freude bereiten.«
Brodersen lachte kurz schallend, bevor er mit neidvollem Blick das Foto von Jeanette kommentierte. »Es hat nicht jeder so viel Glück wie du.«
Dreesen schlug Brodersen freundschaftlich auf die Schulter. »Ach, was. Das mit dem Glück geht auf und ab. Du wirst sehen.«
Brodersen reichte ihm die Hand zum Abschied: »Dann Waidmannsheil.«
»Waidmannsdank.« Dreesen schnappte sich fröhlich seine Aktentasche und folgte Brodersen aus dem Büro. Ein aufregendes Wochenende lag vor ihm, welches sein Leben von Grund auf verändern könnte.
Wenn ihm Stuhr nur nicht wieder in die Quere kommen würde.
Geschäfte anderer Art
Die Stimmung auf der Sonnenterrasse der Sansibar Arche Noah wurde im Laufe des Nachmittags immer ausgelassener. Stuhr nippte weiter genüsslich an seinem Weizenbier, während er den immer bunter werdenden Ausführungen von Schneider lauschte.
»Frauen einmal ganz beiseite, die sind nicht alles im Leben. Wissen Sie, mir ging es nicht immer gut. Früher habe ich mich von morgens bis abends mit einem kleinen Bauunternehmen abgeplagt, aber mein Bankkonto raste dennoch immer weiter in den Keller.«
Schneider spürte Stuhrs Interesse und holte weiträumig aus. »Wissen Sie, ich habe mich immer bemüht, ehrliche Arbeit abzuliefern. Ich hatte mich seinerzeit auf den Verkauf von Holzvillen spezialisiert, für gehobene Ansprüche natürlich. Selbst den Ökotrip habe ich aufgenommen und amerikanische Holzständerbaukonzepte übernommen. Irgendwann konnte ich mich vor Bestellungen kaum noch retten.«
Das freute Stuhr. »Na, da wird sich Ihr Konto ja schnell erholt haben.«
Verständnislos musterte ihn Schneider. »Erholt? Wie kommen Sie denn darauf? Es hätte mich fast in den Ruin getrieben. Sie glauben ja nicht, was ich mit der Klientel erlebt habe, die diese Häuser kaufen.«
Stuhr rätselte. »Vermutlich nicht ganz unvermögende Mitmenschen.«
»Vermögend schon, aber denken Sie nicht, dass das Geld bei denen locker sitzt. Nein, anstatt mir den verdienten Lohn zu überweisen, beauftragen sie Bausachverständige und Rechtsanwälte, um Abzüge vom Kaufpreis zu erwirken. Dann kann man sich nur noch überlegen, ob man gleich auf seinen Gewinn verzichtet oder frisches Geld auf juristische Zweikämpfe setzt.«
»Hatten Sie denn keine ehrlichen Zahler?«
Schneider schüttelte den Kopf. »Anfangs nicht. Ein einziges Mal habe ich den gesamten Preis bar auf die Hand gezahlt bekommen, allerdings auch zwei Säcke voll mit kleinen Scheinen und Münzgeld. Der Kunde musste seinen persönlichen Geldspeicher geleert haben. Ich habe erst später mitbekommen, dass der Käufer Vorsitzender der Nordfriesischen Weihnachtstombola war.«
Stuhr konnte das nicht glauben. »Sie denken, er hat Spenden veruntreut?«
»Was würden Sie denn denken? So geht es nicht weiter, habe ich mir jedenfalls daraufhin gesagt. Wenn alle bescheißen, dann musst du auch bescheißen.«
»Bescheißen?«, wiederholte Stuhr ungläubig.
»Ja, bescheißen. Zuerst natürlich den Staat, das geht am einfachsten. Was blieb mir übrig, als billige Arbeitskräfte aus dem Osten einzustellen? Ohne Steuerkarte natürlich. Während der Woche haben die Polen geknüppelt wie die Irren, damit sie am Wochenende möglichst früh nach Hause konnten.«
»Polnische Leiharbeiter?«
»Ja. Von denen habe ich viel gelernt. Am meisten von Pawel, meinem Vorarbeiter. Der stammte aus Schlesien und war ein Schlitzohr. Er hat mich auf die richtige Spur gebracht. ›Szef, du musst nicht selbst arbeiten. Arbeit liebt die Dummen, sagt ein altes Sprichwort.‹ Pawel hatte recht. Erst später habe ich herausbekommen, dass er von meinen Arbeitern Vermittlungsgebühren abgepresst hat.«
Ungläubig verfolgte Stuhr Schneiders Geschichte. Genüsslich sog der an seiner Zigarette, bevor er mit zwei Fingern Nachschub orderte, ohne sich umzudrehen. »Sie trinken doch einen Blutsturz mit mir?«
»Einen Blutsturz?« Stuhr verstand nicht.
»Ja, das rötliche Gesöff. Prosecco mit Martini Rosso. Reinigt die Blutbahnen.« Ohne sich um Stuhrs Antwort zu kümmern, erzählte er weiter.
»Ich habe Pawel zunächst nicht verstanden, denn ich war gewohnt, immer selbst mit reinzuhauen. Aber dieser Pawel hat mir als Chef die Augen geöffnet. ›Szef, du musst immer behalten die Übersicht. Ein General muss alles übersehen, er darf selbst nicht kämpfen. Dumme leben von der Arbeit. Der Kluge lebt von den Dummen.‹ Ich ließ also die Jungs werkeln und kümmerte mich ausschließlich um meine Geldgeschäfte. Ein weiser Entschluss, denn seitdem lebe ich im Überfluss.«
Stuhr sah ihn zweifelnd an, denn so ganz erschloss sich ihm der Schlüssel zum Reichtum noch nicht.
Schneider bekam seinen Blutsturz wie gehabt über sein Haupt gereicht. Anschließend legte Verena eine halbe Hafenrundfahrt auf der Terrasse ein, um Stuhr seinen Cocktail fachgerecht von der rechten Seite zu reichen. Beim Niederknien geriet der Blick auf ihre schönen Beine außer Sichtweite, dafür schob sich das ausladende Angebot ihrer Brüste in den Vordergrund, welche nicht einmal von einem Büstenhalter gepusht wurden.
Schneider nahm keine Notiz davon, er dozierte weiter über seine Geschäftspraktiken.
»Nun, ich will nicht allzu viel aus dem Nähkästlein plaudern, aber mit der Mehrwertsteuer geht immer etwas. 19 Prozent sind kein Pappenstiel, und Pawel hat mir zusätzlich Nachhilfe in Punkto Kalkulation gegeben. Immer einfach die eigenen Kosten verdoppeln zur Preisfindung, und dann einen kleinen Rabatt einräumen.«
Stuhr schüttelte ungläubig den Kopf. »Das klingt sehr simpel. Wie ist dieser Pawel denn darauf gekommen?«
Schneider nahm einen tiefen Lungenzug. »Pawel hat seine Lehren aus dem Sozialismus gezogen und immer Gegenleistungen für seine Rabatte eingefordert. Das System funktioniert genauso im Kapitalismus.«
Stuhr konnte kaum glauben, dass Schneider damit durchgekommen war. »Und Ihre Kunden haben anstandslos bezahlt?«
Schneider lachte mit bleckendem Gebiss. »Nein, natürlich nicht. Aber nun konnte ich meinen Kunden locker entgegenkommen. Teuer, aber kulant. Das hat mir beste Empfehlungen und viele Folgeaufträge beschert. Meine anspruchsvollsten Kunden waren zufriedengestellt, weil sie mir etwas abfeilschen konnten. Diese Volksgruppen sind nun einmal so. Ärzte, Zahnärzte, Rechtsanwälte. Die haben die Kohle.«
Dem