Eisaugen. Margit Kruse
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Eisaugen - Margit Kruse страница 5
Hoffentlich komme ich aus der Nummer wieder raus, dachte Margareta einen letzten klaren Gedanken, bevor er sie wieder küsste, dass ihr schwindelig wurde.
Von da an besuchte er sie regelmäßig, immer mitten in der Nacht, immer nach Kaloderma-Seife riechend. Wie ein Vulkan brach die Leidenschaft jedes Mal über sie herein und machte die Nacht zu einem hellwachen energiegeladenen Tag. Der Mann ist wie eine Droge, die süchtig macht, dachte Margareta, wenn sie am nächsten Tag, ohne Schlaf, völlig unkonzentriert und müde ihrer Arbeit nachging und einen Fehler nach dem anderen machte. Du musst das beenden. Das führt zu nichts!
Du gewöhnst dich an ihn und kommst nicht von ihm los. Er ist nichts und er hat nichts. Das nächste Mal wird das letzte Mal sein, befahl sie sich. Jawohl! Doch wenn ein paar Tage vergangen waren und die Entzugserscheinungen einsetzten, sie wieder was von dieser Droge brauchte und sie als Erstes, nachdem sie von der Arbeit kommend ihre Wohnung betrat, unruhig zum Schlafzimmerfenster rannte und in sein Zimmer starrte, war alles vergessen. Wie er da auf seinem kleinen Schemel saß, einen Schuh zwischen seine Beine geklemmt und mit dem Hammer kräftig auf den soeben befestigten Absatz des Schuhs klopfte, dass seine Muskeln an den nackten Oberarmen hervortraten, war ihr Vorsatz vergessen. Sobald er, als spürte er ihre Blicke, zu ihr herübersah und sie verschmitzt anlächelte, hätte sie sich am liebsten augenblicklich die Kleider vom Leib gerissen, das Fenster geöffnet und laut herübergeschrien:
»Nun komm schon her, du geiles Polenbürscherl!«
Ob sie ihm bei der Suche nach seiner Mutter, Aleksandra Waczmarek, nicht behilflich sein könnte, hatte er sie bei seinem letzten Besuch, nach einer heißen Nummer, gefragt. Daraufhin hatte sie ihm das Telefonbuch in die Hand gedrückt und mit den Schultern gezuckt.
»Du machst es dir aber einfach!«, ließ er aus wütenden Augen verlauten.
»Hey, ist das meine Mutter, oder was? Du weißt, was ich über unsere Beziehung denke. Nur Sex, mehr ist nicht. Das wusstest du von Anfang an!«
»Ja, das hast du gesagt. Ich habe aber nicht gedacht, dass du es tatsächlich so meinst!« Mit hängenden Schultern verließ er sie in dieser Nacht und ließ eine Woche lang die Gardine sowie das Rollo seines Fensters geschlossen.
Soll er doch, sagte sie zu sich selbst. Okay, im Bett ist er eine Granate. Aber soll ich ihn mir deshalb komplett ans Bein binden? Er ist noch ärmer als ich. Liegt seiner Tante auf der Tasche. Von dem bisschen, was er durch die Schuhreparaturen verdient, kann er sich nicht einmal ernähren. Nein, das ist mir alles zu kompliziert, entschied Margareta. Ich muss die Sache mit diesem Sahneschnittchen beenden, bevor es zu spät ist. So verordnete sie sich selbst ab sofort eine Kaloderma-Mann-Diät und hoffte, sie auch durchzuhalten.
3.
Sie hätte dagelegen, als schliefe sie, hatte ihr ihre Mutter am Telefon erzählt. Oh, wie sie es hasste, wenn man sie auf ihrer Arbeitsstelle anrief und sie über Lautsprecher ausgerufen werden musste. Die hämischen Kommentare ihrer Kolleginnen und der wütende Blick des Abteilungsleiters hatten sie bis hinter die Stahltür begleitet, die zu dem Büro führte, wo sie das Gespräch entgegennahm. Was hat Waltraud denn nun wieder?, fragte sie sich. Sie wusste, dass es nur ihre Mutter sein konnte, da sich alle anderen an das Bei-der-Arbeit-Anrufverbot hielten.
Eine junge Frau, Anfang 20, mit langen blonden Haaren, war in den frühen Morgenstunden auf dem Friedhof tot aufgefunden worden, berichtete ihr ihre Mutter aufgeregt. Im Garten der Erinnerung, einem neu angelegten Gemeinschaftsfeld, hätte man sie, mit einer Baccara-Rose in der rechten Hand, entdeckt. Natürlich war ihre Mutter, Waltraud Sommerfeld, sofort zum Tatort geeilt, als ihr ein Nachbar, der gerade von der Nachtschicht mit dem Fahrrad dort vorbeigefahren war, davon erzählt hatte.
Sie hatte sich blitzschnell ihren blauen Regenmantel über ihren Schlafanzug gezogen, ihrem Goldfasan »Ich bin gleich wieder da« zugerufen und war die Treppen hinuntergestürzt. Es wurde gerade erst hell. Da die Aprilnächte reichlich kalt sein konnten, wurde Waltraud sich ihrer nackten Füße in den Birkenstocklatschen erst 400 Meter weiter, als sie den Friedhof bereits betreten hatte, bewusst. Doch jetzt gab es für sie kein Zurück mehr. Sie sah in der Ferne das Blaulicht blinken und einige silber-blaue Polizeiautos den Weg versperren. Vor Aufregung und purer Sensationslust schlug Waltrauds Herz schneller.
Ein kalter Windstoß fuhr unter ihren Regenmantel, als sie wie von Sinnen zum Tatort hetzte. Genau bis zum Flatterband, mit welchem der Fundort abgesperrt war, ließ man sie vordringen. Etliche Uniformierte sowie normal Gekleidete, Waltraud vermutete Kripomänner, schüttelten sich stumm die Hände. Ein Weiterer saß auf der gegenüberliegenden Bank und tippte etwas in sein Notebook. Der dickste der normal Gekleideten war wohl der Chef und gab den anderen gewichtig Anweisungen.
»Furchtbare Sache, so ein junges Ding«, hörte sie den Dicken sagen.
Ein Streifenwagen stand direkt am Eingang des Feldes. Im Flackern seines Blaulichts konnte sie den Körper der jungen Frau sogar sehen. Als der Lichtkegel die Tote erfasste, leuchtete das weiße Gesicht der Frau gespenstisch auf und Waltraud hätte am liebsten laut geschrien. Die junge Frau war vollständig bekleidet. Der Gerichtsmediziner machte sich an ihrem Hals zu schaffen und Waltraud vernahm Worte wie: »Blutunterlaufene Stelle, Würgemale und Hämatome«. Ach ja, und gerade noch hörte sie »Sie ist mindestens sechs Stunden tot!«, da wurde sie auch gleich von einem Uniformierten regelrecht vom Fundort verjagt.
»Mutti, nun aber mal ab nach Hause. Wirst schon morgen alles inne Zeitung lesen!« Ruppig packte er sie am Oberarm und schob sie in die Richtung, aus der sie gekommen war.
»Unverschämtheit!«, rief Waltraud ihm hinterher und machte sich, nicht ohne Stolz, auf den Heimweg. Sie, Waltraud Sommerfeld, war dabei gewesen, als man die Leiche fand, würde sie in wenigen Stunden all ihren Nachbarn und Freundinnen erzählen. Und natürlich ihrer Tochter. Die musste es sofort wissen. Gleich wenn ihre Arbeitszeit beginnt, werde ich sie anrufen, dachte Waltraud völlig erregt.
Wer macht so etwas?, fragte Margareta sich. Der Schock über die grausame Tat unweit ihrer Wohnung war größer als der Ärger über den Anruf ihrer Mutter. Und ausgerechnet im Garten der Erinnerung, dem neuen Feld. Oft hatte sie dort auf einer Steinbank gegenüber der Skulptur gesessen. Gerade dort hatte man die tote Frau gefunden. Mit einer Rose in der Hand. Wie furchtbar.
Gleich nachdem sie Feierabend hatte, entschloss sie sich zu einem Spaziergang auf dem Friedhof. Neugierde war es, welche sie veranlasste, ihn an diesem Abend aufzusuchen. Das Wetter war gut, die Abendsonne schien, nachdem man einige Tage zuvor die Uhr auf Sommerzeit umgestellt hatte. Sie warf, während sie sich umzog, einen kurzen Blick aus ihrem Schlafzimmerfenster hinüber zu Karols Domizil und sah ihn wieder einmal an seinem Tisch sitzen. Auf dem niedrigen Schemel. Einige Nägel zwischen seine Lippen geklemmt, war er ganz in seine Arbeit vertieft, sodass er sie nicht bemerkte. Er trug über einem blau gestreiften, schlafanzugähnlichen Hemd seine verklebte Arbeitsschürze und schlug kräftig mit dem Hammer auf einen Schuh ein, den seine Beine umklammert hielten. Und das mit einer solchen Begeisterung! Margareta schüttelte darüber nur mit dem Kopf. Dem ist einfach nicht zu helfen, diesem starrsinnigen Kerl. Sie zog ihre Jacke an und verließ ihre Wohnung gegen 19 Uhr.
Sie atmete tief die milde