Baltrumer Kaninchenkrieg. Ulrike Barow
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Читать онлайн книгу Baltrumer Kaninchenkrieg - Ulrike Barow страница 3
»Stimmt. Genau wie ich. Natürlich haben wir uns da die Schäden angesehen, die die Kaninchen angerichtet haben.«
»Vielleicht kannst du Kontakt aufnehmen und mit ihm reden?«
Mark Tiesler schüttelte den Kopf. »Das überlasse ich gerne dir. Ich habe vor Mittwoch keine Zeit. Wirklich nicht.«
»Okay, dann spreche ich mit ihm.« Enno war froh, etwas Positives in die Runde werfen zu können. »Ich kenne ihn und kann die Sachlage mal aus unserer Warte schildern.«
»Gute Idee.« Anke schaute ihn etwas versöhnlicher an. »Noch ’ne Tasse Tee?«
»Gerne.« Was sollte es? Solange diese Tierfreunde hier am Tisch saßen, konnte er auch Tee trinken. Später, zum Abendessen, würde er sich ein Bierchen genehmigen.
Er hatte Gronewald lange nicht gesehen. Auch als sie beide eine Ausbildung in der Verwaltung gemacht hatten, waren sie eher nebeneinander hergelaufen. Er selbst war in Norden aufgewachsen, Werner Gronewald war kurz vor der Ausbildung von Wilhelmshaven nach Norden gezogen. Ihre Interessen waren damals ziemlich unterschiedlich gewesen. Enno hatte immer bei kniffligen Fragen in Rechtssachen Auskunft geben können. Werner war der Ansprechpartner für die nächsten Partytermine und Veranstaltungen in Norden und Umgebung gewesen. Er würde ihn am Montag anrufen. Mal sehen, was der zu sagen hatte.
»Ich muss los.« Mark klopfte auf den Tisch. »Wann sehen wir uns wieder?«
»Ich würde sagen, am Mittwoch«, schlug Anke vor. »Am Dienstag ist Gemeinderatssitzung. Vielleicht gibt es dann schon neue Erkenntnisse. Außerdem müssen wir unseren Plan für die Osterfeuerdemo genau besprechen. Hoffentlich wird das Wetter am Ostersamstag gut. Sonst können wir die Aktion gleich vergessen. Eine Demo ohne Zuschauer bringt schließlich nichts.«
Mark schüttelte den Kopf. »Mittwoch kann ich nicht. Da haben wir Generalprobe. Für das Theaterstück, das Ostersonntag Premiere hat. Aber macht ihr man. Ihr könnt mir Bescheid geben.«
Prima. Mittwoch war genau der richtige Tag. Es war immer der richtige Tag, wenn Mark nicht konnte. Wenn Enno den Blick aus Ankes braunen Augen nicht mit diesem Heini teilen musste.
Blieb nur zu hoffen, dass sich der Pastor ebenfalls bald auf den Weg machte und sich kuschelige Zweisamkeit einstellte. Nur er und Anke.
Er hatte Glück. Auch Friedemann Untied verabschiedete sich eine gute Viertelstunde später. Doch Enno musste schnell feststellen, dass es mit dem gemütlichen Abend schwierig werden könnte.
Anke blitzte ihn zornig an, als er die letzten Tassen zu ihr in die Küche brachte. »Wieso bist du eigentlich immer so zynisch? Erklär es mir. Ich denke, du stehst hinter unserer Sache. Wenn nicht, dann frage ich mich, warum du mitmachst? Geh in die Kneipe, wenn dich unsere Ziele nicht interessieren.«
Achtung. Jetzt nur keinen Fehler machen. »Nein, du verstehst das völlig falsch. Ich bin gerne dabei. Mir fehlt nur manchmal der Humor bei diesen Leuten. Sie sind so ernsthaft.« Er konnte ihr schließlich nicht erzählen, dass ihm der Abschuss der Karnickel völlig einerlei war und er nur an den Sitzungen teilnahm, weil Anke da war. Gut, so ganz waren ihm die Kaninchen nicht egal. Er mochte die wolligen Dinger, wenn sie abends auf dem Deich saßen und sich putzten, aber ihm wäre nie eingefallen, einer Bürgerinitiative zum Schutz der Tiere beizutreten. Wenn er Anke nicht kennengelernt hätte.
»Aber wir haben alle das gleiche Ziel. Selbst Friedemann. Auch wenn er …«, sie lächelte, »manchmal wirklich etwas zu salbungsvoll seine Meinung vertritt. Das muss man aber hinnehmen. Finde ich zumindest.«
»Schon gut. Habe verstanden. Beim Boxtraining vom Kultur- und Sportverein muss ich mich auch arrangieren. Das ist halt so.« Enno griff nach Ankes Hand und zog sie zu sich auf das Sofa. »Nicht böse sein. Ich gelobe Besserung.«
Es tat gut, wie sie sich in seine Armbeuge kuschelte. Er würde sich in Zukunft zusammennehmen. Auch wenn es schwerfiel. Nur eines würde er nicht machen. Um nichts in der Welt. Er würde niemals an dieser dämlichen Demonstration am Ostersamstag teilnehmen. Selbst wenn es zu dem Zeitpunkt bereits dunkel war und die Chance bestand, dass keiner ihn erkennen konnte.
Sonntag
Die Glocken läuteten. Höchste Zeit, aufzustehen. Es war spät geworden am Abend zuvor. Ingeborg Opitz schlug die Bettdecke zurück und horchte auf das Klappern, das aus der Küche kam. Hartmut machte Frühstück. Wie jeden Morgen. Sie zog sich ihren Jogginganzug an und stapfte die Stufen hinunter.
»Guten Morgen, mein Lieber«, begrüßte sie ihren Mann zwischen zwei Gähnern.
Hartmut Opitz blickte kurz auf, dann er goss die Eier ab. »Guten Morgen. Das passt ja prächtig: Das Frühstück ist fertig und du bist da. Ich habe dich hoffentlich nicht geweckt? Mir ist nämlich eben ein Teller runtergefallen.«
»Nein, das waren wohl eher die Glocken, die Untieds Schäfchen zum Gottesdienst riefen.« Der Stuhl protestierte leise, als sie sich setzte. Ihre Kücheneinrichtung hätte dringend einmal ausgewechselt werden müssen. Seit vierzig Jahren saß sie nun auf diesem mit braunem Stoff bespannten Stuhl am immer gleichen Tisch. In ihrer Ferienwohnung hatte sich einiges getan in den letzten Jahren. Man musste Schritt halten in der heutigen Zeit. Aber privat, da standen die Küchenmöbel, altdeutsch und wuchtig, wie zementiert an der Wand. Nur ein wenig Farbe war ab und zu an die Wände gekommen, wenn sie die Flecken nicht mehr übersehen konnte.
Es war auch der immer selbe Mann, der ihr seit vierzig Jahren gegenübersaß. Allerdings hatte sie bei ihm nur selten über eine Auswechslung nachgedacht. Nur einen mehr oder weniger versteckten Hinweis auf diese Möglichkeit hatte sie durchaus schon in den Raum geworfen. Sie hatte nämlich erfreut festgestellt, dass sie damit seine Einsatzbereitschaft in Haus und Garten stets frisch erhielt. Womöglich müsste sie sich bei einem Neuen das Frühstück selbst zubereiten. Ein übler Gedanke. Nein, es war schon alles gut so.
»Ich habe eine schlechte Nachricht.« Hartmut biss mit Inbrunst ein großes Stück aus seinem Brötchen. »Die verdammten Viecher haben unsere ganzen Krokusse gefressen.«
Erschrocken schaute sie ihn an. »Woher weißt du …?«
»Ich war schon draußen. Ich dachte, mich trifft der Schlag. Alle Krokusse und alle Tulpen – weg. Nur die Osterglocken haben sie stehen lassen.«
»Ich verstehe das nicht. Wir haben doch alles eingezäunt. Da kommen weder Rehe noch die verdammten Karnickel rüber. Wie konnte das passieren?« Das Schinkenbrötchen schien ihr plötzlich gar nicht mehr so einladend. Ihr war einfach der Appetit vergangen.
»Tja, wenn ich es richtig beurteile, hat jemand unseren Zaun herausgerissen, beziehungsweise heruntergetreten. Aber ich bin mir nicht sicher. Schau du dir die Stelle an.«
Sie lief die Treppe hoch, zog so schnell sie konnte Hose und Jacke an und war draußen. Das Frühstück konnte warten. Und wenn der Tee inzwischen kalt wurde, machte Hartmut sicher neuen. Jetzt war erst einmal der Zaun wichtig. Ihr Garten war ihr ganzer Stolz. Nicht umsonst hatten sie ihr Haus Gartenfreude genannt.
Schon als Kind hatte sie mit ihren Eltern einen großen Garten bearbeitet. Damals in Stade. Im Gegensatz zu ihren Schulfreundinnen, die oft über die Arbeit beim Erbsenernten und Kartoffelausmachen stöhnten, hatte sie nie genug davon bekommen können. Ihre größte Liebe aber hatte der Ecke