Projekt Golem. Paul Baldauf

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Projekt Golem - Paul Baldauf

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ein. Der Aufzug beförderte sie nach oben. Als sie sich der zu einem Flur führenden Eingangstür näherte, tauchte ER plötzlich auf. Madeeha erschrak, bemühte sich jedoch, sich nichts anmerken zu lassen und setzte ein Lächeln auf.

      „Guten Morgen, oder sollte ich besser sagen: Gute Nacht?“

      Er signalisierte ihr mit einer Geste, ihm zu folgen. An seinem Schreibtisch angekommen, bat er sie, Platz zu nehmen.

      „Bitte, überprüfen Sie diesen Stapel Eingangsrechnungen und veranlassen Sie – wenn die Forderungen stimmig sind – jeweils die Zahlung. Wenn Sie fertig sind, dürfen Sie früher gehen. Sie können heute im Büro meiner ehemaligen Sekretärin – auf dem gleichen Flur, am Ende des Ganges, links – arbeiten.“

      Sie war überrascht, verbarg jedoch ihre Gefühle und wartete, ob ihm noch etwas einfallen würde. Warum will er heute nicht, dass ich unten, in meinem Büro, arbeite? Er sah sie aus tiefliegenden, dunklen Augen, an.

      „Ich muss noch ein Schriftstück aufsetzen. Danach fahre ich auch nach Hause.“

      „Einverstanden. Danke, Herr Professor. Ich nehme den Ordner und die ganze Ablage einfach mit. Darf ich?“

      Professor Moore rückte etwas zur Seite. Mit ihr habe ich einen guten Fang gemacht. Sie ist willig und stellt keine dummen Fragen. Als sie außer Reichweite war, stand er hastig auf und ging im Raum hin und her.

      „Time!“

      An einer Wand tauchte ein Display auf, das die Uhrzeit in den wichtigsten Städten der Welt zeigte. Die blau hervorgehobene Ortszeit von London wurde in der Anzeige vergrößert, leuchtete dreimal auf und das ganze Bild verschwand. Er löschte das Licht. Nun war der Raum nur noch von einer kleinen Lampe erhellt. Professor Moore setzte sich und legte seine Fingerspitzen zusammen. Nach kurzem Zögern beugte er sich nach vorn und näherte sich seinem Communicator.

      „Phone Frank.“

      Die Verbindung baute sich langsam auf, während auf dem Display alle ihm zugehörigen Daten auftauchten.

      „Hallo?!“

      Die Stimme von Professor Dr. Frank Lewis klang rau und unwirsch. Frank war nicht zu sehen, er musste die Bildübertragungsfunktion deaktiviert haben.

      „Ich bin es, Frank. Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.“

      „Der Stimme nach bist du: John, JOHN MOORE? Weißt du, wie spät es ist?!“

      „Ich musste dich einfach anrufen, ich muss mit dir reden!“

      Professor Lewis fühlte, wie Unmut in ihm aufstieg. Wie lange schon hörte er nichts mehr von John und nun rief er ihn an, einfach so, mitten in der Nacht!

      „Hör zu: Wir können reden, natürlich! Lass uns morgen Abend in einen Pub deiner Wahl gehen. Ich spendiere dir auch gerne ein Bier. Aber vielleicht kannst du nachvollziehen, dass es Leute gibt, die nachts Schlaf brauchen: Ich bin nicht mehr der Jüngste!“

      „Ich weiß, aber es ist eine Ausnahmesituation: Ich muss dir etwas erzählen und zeigen, was auf der ganzen Welt noch kein Mensch gesehen hat! Glaube mir: Du wirst es nicht bereuen, wenn du dich aufraffst. Ich trage es schon die ganze Zeit mit mir herum. Nun ist der Zeitpunkt gekommen.“

      „Eine «Weltpremiere»? Trägst du da nicht ein bisschen dick auf? Nimm es mir nicht übel, aber ich kenne deinen Hang zur Maßlosigkeit, John. Deine Energie und dein Pathos habe ich immer bewundert, aber ich bin hundemüde! Andererseits fürchte ich, dass du mir jetzt ohnehin die Nachtruhe geraubt hast! Warum hast du dich die ganzen Jahre über nie gemeldet?

      Um was geht es denn, altes Haus?“

      Professor Lewis rieb sich die Augen, richtete sich halbwegs auf und schob sich, mühsam und umständlich, ein Kissen in den Rücken. „Hör zu, Frank: Ich war unglaublich beschäftigt, deshalb hast du so lange nichts von mir gehört. Versprich mir: Kein Mensch darf auch nur eine Silbe davon erfahren! Ich weiß, dass du absolut vertrauenswürdig bist. Aber ein unbedachter Satz, der Kreise zieht, und es geht eine Bombe hoch.“

      „Eine Bombe? Bist du in eine Verschwörung verwickelt oder was?“

      Professor Lewis lachte in sich hinein.

      „Ich schicke dir ein Foto des Firmengebäudes mit Adresse, damit du weißt, wo ich mittlerweile arbeite und ein Taxi. Wie ich dich kenne, bevorzugst du bestimmt noch die «altmodische» und ebenerdige Art, mit leibhaftigem Fahrer. Kannst du dich gleich auf den Weg machen? Um die Bezahlung brauchst du dich nicht zu kümmern, das erledige ich. Wie lange brauchst du, um dich anzuziehen?“

      John klang beinahe atemlos. Professor Lewis schüttelte den Kopf.

      „Also gut, in einer guten halben Stunde bin ich startklar. Aber nach deiner Ankündigung erwarte ich schon etwas ganz Besonderes! Wenn ich feststelle, dass du mich wegen eines alten Huts aus dem Bett gezerrt hast, kannst du etwas erleben!“

       Kapitel 5

      Madeeha vergewisserte sich, dass Professor Moore in seinem Büro saß und schlich zum Aufzug. Im ersten Stock angekommen, nahm sie den Weg über eine Treppe, die bis in das Untergeschoss führte. Leise setzte sie einen Schritt vor den anderen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Wenn er jetzt auftaucht, wüsste ich gar nicht, was ich ihm erzählen soll. Sie schlich voran und näherte sich einem Bereich, von dem aus eine massive Tür zu erkennen war.

      Kein Mensch weit und breit. Gibt es diese Leute vom Sicherheitsdienst hier überhaupt noch? Er erwähnt sie von Zeit zu Zeit, doch bekomme ich sie gar nicht zu Gesicht. Sie ging, so leise und schnell sie konnte, zurück. Im Aufzug, auf dem Weg nach oben, wurde sie aufgeregt. Wenn er in der Zwischenzeit in dem mir zugewiesenen Arbeitszimmer vorbeikam, bemerkte, dass ich nicht da war, oben vor dem Aufzug steht, auf mich wartet? Was sage ich dann? Der Fahrstuhl erreichte fast lautlos sein Ziel. Sie trat hinaus und stellte erleichtert fest, dass niemand zu sehen war. Sie huschte zurück ins Büro, nahm sich schnell Ablage und Rechnungen vor und lauschte. Ein Blick auf den Schreibtisch: Nein, er hat nicht versucht, mich zu erreichen. Sie atmete erleichtert auf. Warum wollte er verhindern, dass ich heute im Untergeschoss bin? Die Arbeit habe ich in einer halben Stunde erledigt. Warum soll ich so früh wieder nach Hause? Irgendetwas stimmt hier nicht. Sie stützte einen Ellbogen auf, fasste sich mit einer Hand ans Kinn und dachte nach. Dann widmete sie sich ihrer Arbeit. Als alles erledigt war, machte sie sich auf den Nachhauseweg.

      Professor Lewis lehnte sich in dem gut gepolsterten Taxi zurück und lauschte der sanften Stimme des Navigationsgerätes. Der Fahrer stellte erst etwas leiser, dann schaltete er es aus.

      „Kenne die Strecke, ist ein ziemlich hohes Gebäude, wenn mich nicht alles täuscht. Ich glaube, da bin ich schon mal hingefahren.“

      Professor Lewis räusperte sich.

      „Der Anrufer hat schon bezahlt, E-money-transfer, großzügiges Trinkgeld. Der kann öfter bei mir anrufen!“

      Der Taxifahrer schob seine karierte Kappe in die Stirn und lachte jovial. Als er kein Echo erntete, blickte er nochmals in den Rückspiegel. Es sah ganz danach aus, dass sein Fahrgast kurzfristig eingeschlafen war. Als er wieder zu sich kam, war das Gebäude, in dem sein alter Bekannter, Professor Moore, arbeitete, schon in Sichtweite.

      „Noch etwas früh, so mitten in der Nacht, wie?“

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