Der Tod in Venedig / Смерть в Венеции. Книга для чтения на немецком языке. Томас Манн

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Tod in Venedig / Смерть в Венеции. Книга для чтения на немецком языке - Томас Манн страница 7

Der Tod in Venedig / Смерть в Венеции. Книга для чтения на немецком языке - Томас Манн Klassische Literatur (Каро)

Скачать книгу

sie blinkte heimlich. Ich hätte sie gesehen, hätte sie deutlich in Ihrem Haar gesehen, wenn ich in einer dieser Stunden unvermerkt im Gestrüpp gestanden hätte.“

      „Gott weiß, was Sie gesehen hätten. Sie standen aber nicht dort, sondern eines Tages war es mein jetziger Mann, der zusammen mit meinem Vater aus dem Gebüsch hervortrat. Ich fürchte, sie hatten sogar allerhand von unserem Geschwätz belauscht.“

      „Dort war es also, wo Sie Ihren Herrn Gemahl kennenlernten, gnädige Frau?“

      „Ja, dort lernte ich ihn kennen!“ sagte sie laut und fröhlich, und indem sie lächelte, trat das zartblaue Äderchen angestrengt und seltsam über ihrer Braue hervor. „Er besuchte meinen Vater in Geschäften, wissen Sie. Am nächsten Tag war er zum Diner geladen, und noch drei Tage später hielt er um meine Hand an.“

      „Wirklich! Ging das alles so außerordentlich schnell?“

      ,Ja… Das heißt, von nun an ging es ein wenig langsamer. Denn mein Vater war der Sache eigentlich gar nicht geneigt, müssen Sie wissen, und machte eine längere Bedenkzeit zur Bedingung. Erstens wollte er mich lieber bei sich behalten, und dann hatte er noch andere Skrupel. Aber.“

      „Aber?“

      „Aber ich wollte es eben“, sagte sie lächelnd, und wieder beherrschte das blaßblaue Äderchen mit einem bedrängten und kränklichen Ausdruck ihr ganzes liebliches Gesicht.

      „Ah, Sie wollten es.“

      „Ja, und ich habe einen ganz festen und respektablen Willen gezeigt, wie Sie sehen.“

      „Wie ich es sehe. Ja.“

      „. so dass mein Vater sich schließlich darein ergeben musste.“

      „Und so verließen Sie ihn denn und seine Geige, verließen das alte Haus, den verwucherten Garten, den Springbrunnen und Ihre sechs Freundinnen und zogen mit Herrn Klöterjahn.“

      „Und zog mit… Sie haben eine Ausdrucksweise, Herr Spinell! Beinahe biblisch! – Ja, ich verließ das alles, denn so will es ja die Natur.“

      „Ja, so will sie es wohl.“

      „Und dann handelte es sich ja um mein Glück.“

      „Gewiss. Und es kam, das Glück.“

      „Das kam in der Stunde, Herr Spinell, als man mir zuerst den kleinen Anton brachte, unseren kleinen Anton, und als er so kräftig mit seinen kleinen gesunden Lungen schrie, stark und gesund wie er ist.“

      „Es ist nicht das erstemal, dass ich Sie von der Gesundheit Ihres kleinen Anton sprechen höre, gnädige Frau. Er muss ganz ungewöhnlich gesund sein?“

      „Das ist er. Und er sieht meinem Mann so lächerlich ähnlich!“

      „Ah! – Ja, so begab es sich also. Und nun heißen Sie nicht mehr Eckhof, sondern anders, und haben den kleinen gesunden Anton und leiden ein wenig an der Luftröhre.“

      „Ja. – Und Sie sind ein durch und durch rätselhafter Mensch, Herr Spinell, dessen versichere ich Sie.“

      „Ja, straf’ mich Gott[43], das sind Sie!“ sagte die Rätin Spatz, die übrigens auch noch vorhanden war.

      Aber auch mit diesem Gespräch beschäftigte Herrn Klöterjahns Gattin sich mehrere Male in ihrem Innern. So nichtssagend es war, barg es doch einiges auf seinem Grunde, was ihren Gedanken über sich selbst Nahrung gab. War dies der schädliche Einfluss, der sie berührte? Ihre Schwäche nahm zu, und oft stellte Fieber sich ein, eine stille Glut, in der sie mit einem Gefühle sanfter Gehobenheit ruhte, der sie sich in einer nachdenklichen, preziösen, selbstgefälligen und ein wenig beleidigten Stimmung überließ. Wenn sie nicht das Bett hütete und Herr Spinell auf den Spitzen seiner großen Füße mit ungeheurer Behutsamkeit zu ihr trat, in einer Entfernung von zwei Schritten stehenblieb und, das eine Bein zurückgestellt und den Oberkörper vorgebeugt, mit ehrfürchtig gedämpfter Stimme zu ihr sprach, wie als höbe er sie in scheuer Andacht sanft und hoch empor und bettete sie auf Wolkenpfühle, wo kein schriller Laut und keine irdische Berührung sie erreichen solle…, so erinnerte sie sich der Art, in der Herr Klöterjahn zu sagen pflegte: “Vorsicht, Gabriele, take care, mein Engel, und halte den Mund zu!“, eine Art, die wirkte, als schlüge er einem hart und wohlmeinend auf die Schulter. Dann aber wandte sie sich rasch von dieser Erinnerung ab, um in Schwäche und Gehobenheit auf den Wolkenpfühlen zu ruhen, die Herr Spinell ihr dienend bereitete.

      Eines Tages kam sie unvermittelt auf das kleine Gespräch zurück, das sie mit ihm über ihre Herkunft und Jugend geführt hatte.

      „Es ist also wahr“, fragte sie, „Herr Spinell, dass Sie die Krone gesehen hätten?“

      Und obgleich jene Plauderei schon vierzehn Tage zurücklag, wusste er sofort, um was es sich handelte, und versicherte ihr mit bewegten Worten, dass er damals am Springbrunnen, als sie unter Ihren sechs Freundinnen saß, die kleine Krone hätte blinken – sie heimlich in ihrem Haar hätte blinken sehen.

      Einige Tage später erkundigte sich ein Kurgast aus Artigkeit bei ihr nach dem Wohlergehen ihres kleinen Anton daheim. Sie ließ zu Herrn Spinell, der sich in der Nähe befand, einen hurtigen Blick hinübergleiten und antwortete ein wenig gelangweilt:

      „Danke; wie soll es dem wohl gehen? – Ihm und meinem Mann geht es gut.“

8

      Ende Februar, an einem Frosttage, reiner und leuchtender als alle, die vorhergegangen waren, herrschte in „Einfried“ nichts als Übermut. Die Herrschaften mit den Herzfehlern besprachen sich untereinander mit geröteten Wangen, der diabetische General trällerte wie ein Jungling, und die Herren mit den unbeherrschten Beinen waren ganz außer Rand und Band. Was ging vor? Nichts Geringeres, als dass eine gemeinsame Ausfahrt unternommen werden sollte, eine Schlittenpartie in mehreren Fuhrwerken mit Schellenklang und Peitschenknall ins Gebirge hinein: Doktor Leander hatte zur Zerstreuung seiner Patienten diesen Beschluss gefasst.

      Natürlich mussten die „Schweren“ zu Hause bleiben. Die armen „Schweren“! Man nickte sich zu und verabredete sich, sie nichts von dem Ganzen wissen zu lassen; es tat allgemein wohl, ein wenig Mitleid üben und Rücksicht nehmen zu können. Aber auch von denen, die sich an dem Vergnügen sehr wohl hätten beteiligen können, schlossen sich einige aus. Was Fräulein von Osterloh anging, so war sie ohne weiteres entschuldigt. Wer wie sie mit Pflichten überhäuft war, durfte an Schlittenpartien nicht ernstlich denken. Der Hausstand verlangte gebieterisch ihre Anwesenheit, und kurzum: sie blieb in „Einfried“. Dass aber auch Herrn Klöterjahns Gattin erklärte, daheim bleiben zu wollen, verstimmte allseitig. Vergebens redete Doktor Leander ihr zu, die frische Fahrt auf sich wirken zu lassen; sie behauptete, nicht aufgelegt zu sein, Migräne zu haben, sich matt zu fühlen, und so musste man sich fügen. Der Zyniker und Witzbold aber nahm Anlass zu der Bemerkung:

      “Geben Sie acht, nun fährt auch der verweste Säugling nicht mit.“

      Und er bekam recht, denn Herr Spinell ließ wissen, dass er heute nachmittag arbeiten wolle; er gebrauchte sehr gern das Wort „arbeiten“ für seine zweifelhafte Tätigkeit. Übrigens beklagte sich keine Seele über sein Fortbleiben, und ebenso leicht verschmerzte man es, dass die Rätin Spatz sich entschloss, ihrer jüngeren Freundin Gesellschaft zu leisten, da das Fahren sie seekrank mache.

      Gleich nach dem Mittagessen, das heute schon gegen zwölf Uhr stattgefunden hatte, hielten die Schlitten vor „Einfried“, und in lebhaften Gruppen, warm vermummt, neugierig und angeregt, bewegten sich

Скачать книгу


<p>43</p>

straf’ mich Gott – покарай меня Господь!