Bruder Brahim II. Michael Ibrahim

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Bruder Brahim II - Michael Ibrahim Bruder Brahim

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versuchte einige der Fragen ad hoc zu beantworten:

      „Also Leute! Nachdem Deutschland am 8. Mai 1945 kapituliert hatte, ging der Krieg für das verbündete Japan noch weiter. Die USA, mit denen Japan seit dem Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 im Krieg lag, forderten zusammen mit Großbritannien die bedingungslose Kapitulation. Dies war jedoch für das japanische Volk undenkbar, da dann sein Gottkaiser, der Tenno, womöglich in Kriegsgefangenschaft gegangen und entehrt worden wäre. Also erduldeten es weiterhin die Angriffe der Alliierten, die ihm mit Vernichtung drohten, sollten sie nicht kapitulieren. Die Atombombe war im sogenannten Manhattan Projekt an einem geheimen Ort namens Los Alamos, in der Wüste von Nevada, auf Befehl des Präsidenten Roosevelt unter großen Anstrengungen von amerikanischen Wissenschaftlern und Ingenieuren entwickelt worden und sollte ursprünglich gegen das Hitler-Regime eingesetzt werden. Wir können also in gewisser Weise Gott dankbar sein, dass sie nicht über Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt gezündet wurde. Präsident Truman, der bis zum Amtsantritt nichts von dieser streng geheimen Waffe wusste, befahl am 25. Juli General Spaatz den Einsatz der Spezialwaffe, wobei er einen Angriff nach dem 3. August anordnete. Die Amerikaner hatten schon ca. 70.000 Soldaten im Pazifik-Krieg verloren und Truman befürchtete eine weitere Eskalation des Krieges, sollten sie auf weiteren Inseln landen müssen. Die amerikanischen Soldaten hatten selbst größten Respekt vor dieser Waffe, die zuvor nur genau einmal, nämlich beim Trinity-Test in Nevada, gezündet worden war. Ein christlicher Geistlicher sprach deshalb folgendes Gebet für die Besatzung des Bombers3:

       Allmächtiger Vater, der Du die Gebete jener erhörst, die Dich lieben, wir bitten Dich, denen beizustehen, die sich in die Höhen Deines Himmels wagen und den Kampf bis zu unseren Feinden vortragen. […] Wir bitten Dich, daß das Ende dieses Krieges nun bald kommt und daß wir wieder einmal Frieden auf Erden haben. Mögen die Männer, die in dieser Nacht den Flug unternehmen, sicher in Deiner Hut sein, und mögen sie unversehrt zu uns zurückkehren. Wir werden im Vertrauen auf Dich weiter unseren Weg gehen; denn wir wissen, daß wir jetzt und für alle Ewigkeit unter Deinem Schutz stehen. Amen.

      Die drei Bomber, die am 6. August 1945 Richtung Hiroshima flogen, wurden zwar von der japanischen Luftraumüberwachung entdeckt, aber der Alarm wurde aufgehoben, weil man sie nur für eine Aufklärungspatrouille hielt. Jene Uran-Bombe namens Little Boy, die Paul Tibbets in der Enola Gay ins Ziel flog, war erst während des Fluges in mehreren Montageschritten scharf gemacht worden. Tibbets warf um 8: 15 Uhr in etwa zehn Kilometern Höhe die Bombe direkt über Hiroshima ab und startete sofort das Wendemanöver, um dem Höllenfeuer und der Druckwelle zu entkommen. Er hatte genau eine Minute, dann explodierte Little Boy planmäßig in 600 Meter Höhe und radierte unter ihm Hiroshima von der Landkarte!“

      Für einen Moment war es totenstill in der Klasse! Alle Jungs und Mädels schauten mich entsetzt an, teils mit Tränen in den Augen. Ich konnte ihre Gedanken lesen: „Wie können Menschen so etwas tun? Diese Tat hat so viele Zivilisten auf einen Schlag getötet, darunter auch Kinder wie wir.“

      Nach etwa zehn Sekunden in Stille sagte ich: „Es geschah aus einer ganz anderen Denkweise heraus! Es war seit Jahren Krieg und täglich fielen tausende von Menschen. Ein Menschenleben schien nichts mehr wert zu sein, schon gar nicht das der Gegner. Durch die Kriegspropaganda nahm man den Soldaten der gegnerischen Seite gar nicht mehr als Menschen wahr, sondern als gefährliche Kampfmaschine. Die Militärs wussten, dass es nicht nur die in Hiroshima stationierten Soldaten das Leben kosten wird, sondern auch die Zivilbevölkerung jeglichen Alters. Ursprünglich wurde darüber diskutiert, ob man diese Bombe zur Abschreckung über unbewohntem Gebiet abwerfen solle, um Stärke zu demonstrieren, entschied man sich für eine Stadt, in der nur wenige amerikanische Gefangenen waren!

      So kam es also für die Japaner zu der für sie undenkbaren Situation, dass der Tenno selbst die Kapitulation verkündete - der Mythos der Unbesiegbarkeit Japans war gebrochen! Dennoch verschonten die Amerikaner den Kaiser und verurteilten statt dessen nur seine Generäle. Es wurde niemals untersucht, ob der Abwurf der Atombombe als Kriegsverbrechen einzustufen ist. Zum einen wegen der ungeheuren wirtschaftlichen und militärischen Macht der USA und zum anderen aber hatten die USA ein Veto-Recht in der neu gegründeten UNO.“

      So wurde aus der Physikstunde mehr eine Stunde mit politischen Themen, aber das war gut so, denn die Frage nach der Verantwortung von Naturwissenschaftlern und Technikern wird trotz ihrer essentiellen Bedeutung fast nie gestellt. Viele Menschen in unseren Tagen sprechen von den Verbrechen der militärisch-industriellen Machtelite, die sich aber nur ungenau definieren lässt. Letztendlich sind wir alle verantwortlich, die aktuelle Denkweise, das sog. Paradigma zu überprüfen und den Wahnsinn in unserer Zeit zu stoppen, vom Klimawandel bis zu autonomen Waffensystemen. Die Wirkungen unseres Handelns werden immer gewaltiger, so dass wir jetzt darüber nachdenken müssen, welche Auswirkungen unser Handeln für viele weitere Generationen hat. Hierzu empfehle ich besonders, die Ausführungen des jüdisch-deutschen Philosophen Hans Jonas zu lesen, der sich schon vor einigen Jahren darüber intensiv Gedanken gemacht hat [5].

      „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Hans Jonas

      Endlich war es so weit! Es war Herbst geworden und die endlose Vorbereitung des Japanaustauschs neben den schon alleine anstrengenden Stunden in der Mittelstufe und Oberstufe lag hinter mir. Die Anspannung war riesig und alles war akribisch vorbereitet, inklusive der Geschenke für jeden der Gastgeber. Ich hatte das große Glück, durch das Aikido die japanische Kultur etwas zu kennen und zu wissen, dass den Japanern die Verpackung ebenso wichtig ist wie der Inhalt des Geschenks. So konnte ich zum nötigen Feinschliff beitragen und den ausgewählten Schülern beibringen, wie man in Japan Geschenke überreicht.

      Der Flug ging über Nacht und im Sonnenaufgang erblickten wir beim Anflug bereits den Berg Fuji. Die fehlenden Stunden, die wir aufgrund unseres Fluges gegen Osten verloren hatte, steckten uns noch in den Knochen. Müde wechselten wir das Flugzeug und landeten nach einigen Stunden schließlich in Hiroshima, welches direkt am Meer liegt. Schon von oben sieht man die Stadt umrandet von Bergen mit ihren vielen Flussläufen und den Inseln Ninoshima, Miyajima und Etajima im Seto-Binnenmeer. Wüsste man nicht, dass sie einmal völlig zerstört gewesen war, würde man nichts Besonderes vermuten. Angekommen am Boden zeigt sie sich als weitläufig mit vielen Grünflächen und dem Friedenspark gleich in der Mitte.

      Die Frage, wie man hier mit der Erinnerung an das schreckliche Ereignis des Krieges umgeht, wird uns schon gleich am ersten Tag und später erneut beim Besuch des Friedensparkmuseums beantwortet:

      Die Zerstörung ist im Alltag jedes Einwohners und Besuchers präsent, in dem Gebäude, welches die Bombardierung überstand und mit seinem verrosteten und zerstörten Kuppeldach ein Mahnmal ist, in dem Feuer, das für die Ermordeten in der Im Hintergrund das einzig verbleibende Gebäude aus Kriegszeiten, ein großer See und unter dem Torbogen brennt ein ewiges Licht in Gedenken an die Opfer der ersten Atombombe in der Geschichte der Menschheit.

      Das Friedensdenkmal am Ground Zero in Hiroshima/Japan

      Mitte des Parks brennt, und in den vielen Bildern und Ausstellungsobjekten im Friedensmuseum, welches eine ähnlich erdrückende Wirkung hat wie ein Besuch auf den Massengräbern in Frankreich oder in einem Vernichtungslager. Als spiritueller Mensch spürt man die Energie des Todesengels und die Erinnerung an den Aufschrei der Seelen, die so plötzlich diese Welt verlassen mussten. Deswegen bin ich auch nicht dafür, Besuche an solchen Orten für Kinder verpflichtend zu machen. Es liefen ganze Grundschulklassen durch das Friedensmuseum und schauten sich Bilder von verbrannten Leichen an, bei deren Anblick selbst Erwachsene zusammenzuckten.

      Aber eine Frage blieb noch: „Hassen die Japaner die Amerikaner für diese Tat?“ Ich entschied mich, dies den japanischen Physik-Kollegen

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