Bruder Brahim II. Michael Ibrahim
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„Wh- Japaner haben den Amerikanern verziehen, dass sie uns das angetan haben. Es sollte wohl so kommen und der einzige Sinn, den man in diesem Akt der Vernichtung sehen kann, ist die laute Erinnerung und Mahnung an die ganze Welt, dass das Krebsgeschwür des Faschismus niemals mehr so wuchern darf, dass es ganze Nationen vergiftet.“
Diese Erkenntnis verbindet uns Deutsche mit den Japanern und besonders heute, wo wir in vielen Ländern einen starken Rechtsruck erleben, müssen wir jeden Tag darum kämpfen. Trotz dieser Erkenntnis gab es auch schon in meiner Jugend Momente, in denen es fast zu einem dritten Weltkrieg gekommen wäre.
1.3 Das Kämpfen geht weiter
Nach dem Lesen des Kriegstagebuchs meines Opas und meinen Erfahrungen über Hiroshima drängt sich mir die Frage auf:
„Wenn die Menschheit doch bereits zwei fatale Weltkriege erlebt hat, wieso toben heute weiterhin Kriege auf der Welt?“
„Nach dem zweiten Weltkrieg“, so erzählte mir damals Opa Franz, „waren alle unendlich glücklich, dass der Wahnsinn vorbei war. Alle Bürger mühten sich redlich um einen friedlichen Umgang untereinander und vor allem die sogenannten Trümmerfrauen setzten alles daran, in den zerbombten Städten die Trümmer zu verwerten und den Neuaufbau voranzutreiben. Viele ihrer Männer waren ja gefallen oder aufgrund von schweren Verletzungen arbeitsunfähig.“ Opa war körperlich noch nahezu unversehrt. Er ging zusammen mit anderen Männern zum Steinbruch in der Nähe unseres Dorfes und brach dort Steine aus den Sandsteinfelsen, zum Wiederaufbau der Häuser. Bereits während seiner amerikanischen Kriegsgefangenschaft in Versailles musste er in einem Arbeitskommando als Wiedergutmachung die französischen Autobahnen und Straßen reparieren. Bei seinem Weihnachtsbesuch 1947 reiste er zum letzten Mal mit dem Zug von Versailles nach Frankfurt und kam von der amerikanischen Besatzungszone in die Heimat, die französische Besatzungszone war. Fortan war er für seine Familie da. Am 3. April 1948 wurde dann der Marshallplan vom US-Kongress verabschiedet, ein Konjunkturpaket, welches nicht nur der US-Wirtschaft selbst, sondern auch der immer noch notleidenden und hungernden Bevölkerung Europas zugute kam und Deutschland den wirtschaftlichen Aufschwung bis in die 90er Jahre bescherte.
Der Marshallplan war nicht uneigennützig, denn die USA befürchteten, dass die Ideologie des Kommunismus sich von der Sowjetunion, die seit der Oktoberrevolution im Jahr 1917 bestand, über Europa ausbreiten könne. Außerdem hatte man durch den Krieg in den USA nun eine große Überproduktion von Waren, die man verkaufen musste. Der Preis für diesen Aufschwung war, dass die USA weiterhin als Hegemonialmacht die Geschicke in Westdeutschland mitbestimmten und viele Divisionen des US-Militärs auf Militärbasen im Land verblieben. Diese sollten nach der Teilung Deutschlands Westdeutschland vor Angriffen aus der Sowjetunion schützen und erneute faschistische Fehlentwicklungen innerhalb des Landes ausschließen.
Vor siebzig Jahren, am 08. Mai 1949, wurde dann endlich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet, welches am 23. Mai 1949 in Kraft trat. Es enthielt in Artikel 3, Abschnitt 2 den von Elisabeth Selbert erkämpften, revolutionären Satz:
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Es war ein erster Schritt zum Aufbau einer neuen demokratisch strukturierten Gesellschaft, ohne Diskriminierungen, korrupte Machenschaften alter Machteliten, staatliche Überwachung, Unterdrückung und Willkürherrschaft. Es schien, als wären alle alten Probleme beseitigt. Zumindest Opa Franz wirkte sichtlich zufrieden, als er mir von diesen Errungenschaften erzählte.
Dennoch blieb es natürlich nicht weiterhin so friedlich und schon bald wüteten erneut Kriege auf dem Globus. Den oscarprämierten Film Platoon von Oliver Stone aus dem Jahr 1986 sollte jeder einmal gesehen haben, weil dieser Film die Stimmung des Krieges so unglaublich realistisch einfängt und schonungslos seine psychologische Wirkung darstellt. Er beschreibt, wie der junge Chris Taylor, der das College geschmissen hat, sich im Jahre 1967 freiwillig für den Dienst im Vietnamkrieg meldet und dort den blanken Horror erlebt. Die Erlebnisse sind ähnlich wie diejenigen meines Opas in den letzten Tagen des Krieges am Anfang dieses Buches und viel schlimmer als meine Erlebnisse aus den NATO-Manövern in meiner Bundeswehrzeit4, die mich bereits an meine Grenzen brachten:
US-Soldaten irren in Unterzahl durch den Dschungel, physisch und psychisch am Limit, in der Hoffnung, erfolgreich die verfeindeten Kräfte, die den Kommunismus unterstützen, zu bekämpfen. Ein Offizier erschießt seinen Untergebenen, Sprengfallen explodieren und Napalm-Brandbomben setzen den Urwald in Brand. Schwerverletzt verlassen diesen die Soldaten in regelmäßigen Rettungsaktionen mit Kampfhubschraubern, um dann im Hospital mit vielen anderen unter Schmerzen dahinzuvegetieren.
Schon der Vietnam-Krieg machte klar, dass es ein neues Problem gab: Die nun militärisch hochgerüstete Macht USA musste ihre Machtposition behaupten und erweitern. Ähnlich wie einst schon im alten Rom unter Caesar oder im preußischen Staat bestimmte nun zunehmend auch das Militär die Politik. Es brauchte neue Aufgaben und bekam auch welche.
1.4 Der Kalte Krieg
Wir Deutschen vergessen wohl sehr schnell und schon nach wenigen Jahren wissen wir selbst unsere großen Errungenschaften kaum noch zu schätzen. Im Frühling und Sommer 2017 demonstrierten wir auch in unserer Stadt für den Erhalt eines demokratischen Europas und gegen den neuerdings wieder erstarkenden Einfluss rechter Parteien. Es war schon etwas seltsam für mich, weil ich als Naturwissenschaftler immer versucht habe, mich aus allen politischen Diskussionen herauszuhalten, aber die Diskussion mit der Atombombe geht mir nun doch ständig durch den Kopf. So ziehen wir also mit unseren Trommeln und Transparenten durch die Stadt, vorbei an Leuten, die mir aussehen, als wollten sie uns gleich an den Kragen. Doch keiner traut sich, eine so große Gruppe anzupöbeln. Am Ende halten wir vor dem Wahrzeichen der Stadt und singen lautstark die Europahymne, die ich auf der Trompete begleite. Auf dem Heimweg ist mein Gefühl ganz anders. Mit der Trompete um den Hals laufe ich durch enge Straßen, in denen fast nur ausländische Namen an den Klingeln stehen. Da bekommt Multikulti eine andere Bedeutung und mich befällt das Gefühl von Angst und Befremdung. Ich denke bei mir, dass es nichts bringt, die Ängste von Menschen einfach zu ignorieren und immer nur zu predigen, dass schon alles gut gehen wird. Das führt unweigerlich zu einer immer weiteren Spaltung der Gesellschaft, die zu einem Erstarken von extremen Parteien führt und im schlimmsten Fall in einem politischen Putsch oder einem Bürgerkrieg enden kann. Die Menschen müssen sich gegenseitig besser kennenlernen und der Zusammenhalt muss gestärkt werden, sodass auch die zukünftigen Generationen noch den Frieden in Europa erleben und zu schätzen wissen, der politisch so hart erkämpft wurde.
Als der Krieg zu Ende war, begann das Wettrüsten zwischen dem Osten, der Sowjetunion, und dem Westen, der NATO. Als Kinder machten wir uns natürlich keine Gedanken darum, warum die Amerikaner noch mit schwerem Gerät in unserer Stadt herumfuhren und warum es hier noch Kampfhubschrauber gab. Regelmäßig zogen Jagdbomber über uns hinweg und erschreckten uns beim Spielen mit ihrem lauten Überschallknall. Wir Jungs fanden das alles cool und spannend, bis ich schon im Kindergarten meine erste Kritikerin kennenlernte, deren Eltern der Umweltbewegung, den sog. Grünen, angehörten. Sie wurde meine Freundin und während wir am Bach spielten und versuchten, irgendwelche verletzte Tiere zu finden und zu retten, erzählte sie mir oft von den Umweltsünden und unnötigen Kriegsausgaben, die die herrschende Klasse zu verantworten habe. Zu jener Zeit lebte ich in meinem katholischen Dorf, wo man eigentlich nur etwas hinterfragte, wenn es einem wirklich zuwider war. Die Winzer und Bauern im Dorf standen im permanenten Konflikt mit den Grünen, die strengere Auflagen für den Weinbau und Ackerbau forderten. Die heutigen Ideen der rein biologischen Produktion, die vor allem den Verzicht auf Kunstdünger, Pflanzenschutzmittel und Unkrautvernichtungsmittel beinhalten, wurden erst in den 70er Jahren nach dem Bericht des Club of Rome [7] geboren. Es dauerte lange, bis